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Chip im Auge

Medizintechnik. - Nachts sind alle Katzen grau, denn der für das Farbensehen zuständige Teil der Augen ist wesentlich unempfindlicher als der, mit dem wir hell und dunkel unterscheiden. Bei bestimmten Arten von Blindheit soll bald ein neuartiger Chip zumindest dieses Hell-Dunkel-Sehen wieder herstellen. In Tübingen wurde ein solches Retina-Implantat jetzt sieben Patienten eingesetzt.

Von Cajo Kutzbach | 14.03.2007
    Im Hintergrund des Auges sitzen auf einer Fläche etwa einer Zwei-Euro-Münze über 100 Millionen Stäbchen. Die erlauben das Hell-Dunkel-Sehen. Doch von den etwa eine Million Seheindrücken gelangen nur 40 ins Gehirn. Der Rest wird bereits im Auge heraus gefiltert. Das Auge ist also nicht nur ein optischer Apparat, sondern seine Nerven leisten auch eine enorme Datenverarbeitung. Deshalb lag es nahe, hier zu versuchen denjenigen Blinden mit einer elektronischen Prothese zu helfen, bei denen die Nerven das Gesehene für das Gehirn nicht richtig aufbereiten.

    Seit 1995 arbeitet daran das Fachgebiet der Neuroophthalmologie, das sich mit den Nerven der Augen befasst. Heute Vormittag wurde ein erster Erfolg verkündet:

    "Die Patienten können keine Gesichter erkennen und trotzdem ist es gelungen, Mustersehen zu vermitteln. Patienten konnten auch Gegenstände lokalisieren und tatsächlich Lichtquellen genau beschreiben. Es ist eine Pilotstudie, die hat einen Anfang und ein Ende, 30 Tage. Und es war von vornherein klar, es wird der Chip, das Implantat auch wieder entfernt."

    Professor Eberhard Zrenner, der ärztliche Direktor des Forschungsinstitutes Augenheilkunde in Tübingen, der die Forschung, an der mehrere Unis beteiligt waren, leitet, erklärt, was der in die Augenrückwand eingepflanzte Chip an Stelle der defekten Stäbchen tut.

    "Genau an dieser Stelle liegt nun das Implantat. An der Stelle kommen jetzt technische Lichtempfänger hinein, die aber das verbliebene Netzwerk, diesen biologischen Computer noch mit nutzen. Das heißt das Licht fällt hier auf so ein Mikrofotodiodenfeld. Dort wird es umgesetzt, da sind 1500 Verstärker drin auf einem drei mal drei Millimeter großen Plättchen. Der Strom, der über die Elektroden raus kommt - genau genommen ist es eine Ladung - reizt diese auch bei Blinden nach vielen Jahren Blindheit noch verbliebenen Nervenzellen in der Netzhaut und gibt sozusagen auf ganz natürlichem Wege dies ans Gehirn weiter."

    Der Chip, der sieben Patienten für vier Wochen eingesetzt wurde, besteht aus Silizium. Er enthält auf drei mal drei Millimetern Fläche 1500 Fotozellen, die unabhängig voneinander die Helligkeit an Nervenzellen weiter geben. Er ersetzt bei der Augenkrankheit Retinitis Pigmentosa abgestorbene Sehzellen und erlaubt in einem Winkel von etwa zwölf Grad Helligkeit zu erkennen. Die Stromversorgung erfolgt von Außen über eine umgehängte Stromquelle, die zur Zeit noch so groß ist wie ein tragbarer Kassettenrecorder. Später soll bei Serienproduktion eine drahtlose Stromversorgung erfolgen. Eine zusätzliche Leitung erlaubt Tests, etwa zur optimalen Anpassung der Stromstärke an die Empfindlichkeit der Nerven. Am 20. September 2006 war es dann so weit. Erster Test mit Lothar Wüstner:

    "Und zwar würde ich jetzt sagen: Für mich gesehen, auch wenn's Auge zu ist, muss ich leicht Richtung sechs Uhr runter schauen, erkenne ich ein nahezu quadratisches Gebilde. Keine einzelnen Punkte sichtbar. Praktisch nur, wie so ein quadratisches Teil aufblitzen mit einer leichten Schräglage nach von mir aus gesehen rechts."

    Der Patient konnte später mit offenem Auge immerhin erkennen, wo das Fenster ist, eine Lampe oder wo helle Teller auf einem dunklen Tisch stehen

    Die Technik ist bisher keine Hilfe bei altersbedingter Makula-Degeneration oder Grünem Star. In ferner Zukunft sind auch für einige Blinde Lösungen denkbar. Geschäftsführer Walter Wrobel:

    "Wir schätzen, dass wir in den nächsten Jahren auf einen Umsatz von über 100 Millionen Euro wachsen können. Wir planen einen Absatz von etwa 30.000 Retina-Implantaten weltweit zu einem Stückpreis von etwa 25.000 Euro. Da steckt sehr viel drin an Gehirnschmalz, sehr viel an Aufwand und Prüfungen, es wird also nicht ganz billig sein. "

    Aber auch ein Blindenhund kostet samt Ausbildung etwa 30.000 Euro.