Der demografische Wandel mit der Konsequenz, dass immer mehr Menschen immer älter werden, macht sich an vielen Punkten bemerkbar: bei der Rente etwa, die keineswegs mehr so sicher ist, wie Norbert Blüm es 1986 noch versprach; und bei Krankheiten sowieso. Mit steigendem Lebensalter steigt die Zahl alterstypischer Leiden rapide an, die der Wirbelsäule zum Beispiel: Je älter wir werden, desto stärker entkalken die Knochen; Osteoporose nennen Ärzte diesen normalen biologischen Prozess.
"Die Patienten haben dadurch einen schwächeren Knochen, sie stürzen häufiger, sie sind aktiver, und das führt einfach in der Kombination zu einem richtigen tsunamiartigen Anstieg von Wirbelfrakturen von mehreren Hunderttausend pro Jahr in Deutschland."
"Tsunamiartiger Anstieg" bedeutet für Professor Christoph Josten, Direktor der Klinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Plastische Chirurgie an der Universität Leipzig, nicht nur, dass die Zahl der Patienten von Jahr zu Jahr steigt, "tsunamiartiger Anstieg" bedeutet vor allem, dass Wirbelsäulenchirurgen gleich an zwei medizinischen Fronten kämpfen.
"Wir werden erst einmal als Ärzte und auch als Pfleger mit dem akuten Ereignis konfrontiert, der Patienten, die den Wirbelbruch erleiden; aber im Gegensatz zu jungen Patienten, die man relativ gut wieder herstellen kann, die wieder ins normale Leben zurückkommen, bleibt bei den älteren Patienten ein Großteil zurück, die nicht wieder vollständig genesen, die bettlägerig bleiben beziehungsweise sogar weitere Frakturen erleiden und ein deutlich höheres Sterberisiko haben."
"Tsunamiartiger Anstieg" der Wirbelsäulenbrüche
Ist erst einmal ein Wirbel gebrochen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein zweiter bricht; ist ein zweiter gebrochen, setzt im schlimmsten Fall eine Kaskade ein, an deren Ende die Wirbelsäule Stück für Stück zusammenbricht. Damit es erst gar nicht so weit kommt, sind zwei Faktoren entscheidend. Erstens die Vorbeugung. Da lässt sich an gleich mehreren Stellschrauben drehen. Es geht darum, …
"… möglichst nicht zu viel Übergewicht haben, aber noch wichtiger ist, täglich in Bewegung zu bleiben. Nicht nur, dass jeder Gang schlank hält, jeder Gang schützt auch vor einer Fraktur, weil die Muskulatur gestärkt wird, die Reflexe werden aufrechterhalten, das heißt, wenn man einmal fällt, fällt man vielleicht etwas geschickter, und das Zweite ist für die Prävention, sein Umfeld auf dieses erhöhte Bruchrisiko einzustellen, das heißt, gucken, dass man keine Stufen in der Wohnung hat, dass man Teppiche möglichst vermeidet, keine kleinen Gegenstände in der Wohnung hat, über die man stolpern kann.
Damit lässt sich das Risiko eines Wirbelbruchs minimieren, komplett ausschließen lässt es sich aber nicht. Ist der Wirbel erst einmal gebrochen und der Einsatz konventioneller Behandlungsmethoden – Physiotherapie etwa – ausgeschlossen, kommen zweitens Operationstechniken zum Einsatz, die speziell für ältere Patienten entwickelt worden sind. Dabei gehen Chirurgen so vor, dass sie …
"… durch minimalinvasive Methoden, teilweise in Lokalanästhesie oder kurzen Narkosen in den gebrochenen Wirbelkörper Zemente einbringen, die den Wirbel stabilisieren, zum Teil auch wieder aufrichten, und wir wissen von unseren Ergebnissen, dass diese Patienten deutlich weniger Schmerzen haben und deutlich schneller wieder auf die Beine kommen, was natürlich extrem wichtig ist."
Man müsse sich natürlich im Klaren darüber sein, fügt Christoph Josten aus Leipzig hinzu, dass nicht jede Therapie für jeden Patienten geeignet ist. Im hohen Alter gibt es zwei Patientengruppen: die dementen, teilweise bettlägerigen und die aktiven. Es sei klar, …
"… dass wir bei dem ganz aktiven 85-Jährigen, der noch selbst einkaufen geht, der auch noch ein, zwei Stockwerke gehen kann, der auch noch sich selbst versorgen kann, dass wir dort Operationsmethoden anwenden, die ihm mehr Stabilität geben, also über die Schmerzbefreiung hinaus, ihm auch die Wirbelsäule stabiler machen, um sich dadurch dem aktiven Leben wieder zuführen zu können, während es bei den älteren dementen, bettlägerigen Patienten eher darum geht, Schmerzfreiheit zu erzielen, weil die Patienten die Wirbelsäule auch nicht mehr belasten."