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Handball-WM in Schweden und Polen
Rekordtorschütze Christian Schwarzer: "Vermisse einen echten Spielmacher"

Deutschlands Handballer wollen sich bei der WM in der Weltspitze zurückmelden. Ex-Nationalspieler Christian Schwarzer sieht im Dlf-Sportgespräch Potenzial im verjüngten DHB-Team, vermisst aber einen echten Spielmacher. Zu viele Spieler würden im Sichtungssystem durchfallen.

Christian Schwarzer im Gespräch mit Matthias Friebe |
Der ehemalige Handballspieler Christian Schwarzer Blacky als Experte während eines Einsatzes als "Sky"-Experte.
Der ehemalige Handballspieler Christian "Blacky" Schwarzer (IMAGO / foto2press / IMAGO / Oliver Zimmermann)
Millionen Zuschauer verfolgten die Spiele der deutschen Nationalmannschaft bei der Handball-Weltmeisterschaft 2019 in Deutschland und Dänemark. Eine WM später in Ägypten war die Euphorie nach dem schlechtesten WM-Ergebnis aller Zeiten weniger groß. Bei der Weltmeisterschaft in Polen und Schweden (11. bis 29. Januar) geht es für den deutschen Handball nun darum, sich wieder in der Weltspitze zurückzumelden.
Oberstes Ziel für die Mannschaft von Bundestrainer Gislason ist es, die Vorrundengruppe mit Katar, Serbien und Algerien zu überstehen. "Das sollte schon möglich sein", sagt der ehemalige Handball-Nationalspieler Christian "Blacky" Schwarzer und legt die Messlatte sogar deutlich höher: "Eine deutsche Mannschaft sollte immer den Anspruch haben, ein Halbfinale zu erreichen."

Schwarzer hält Halbfinale für möglich

Schwarzer war viele Jahre eines der Aushängeschilder der deutschen Handball-Nationalmannschaft. Er war Weltmeister, Europameister, gewann Olympia-Silber, absolvierte über 300 Länderspiele und ist mit 966 Toren bis heute Rekordtorschütze im DHB-Trikot. Der Handball-Experte glaubt ans deutsche Team: "Die deutsche Mannschaft gehört in diesen Favoritenkreis von acht bis zehn Teams, die die Möglichkeit haben, ins Halbfinale zu kommen und dann um die Medaillen zu spielen", sagt er.

Mannschaft wurde stark verjüngt

Bei der vergangenen Weltmeisterschaft stand mit Platz 12 das schlechteste Ergebnis der deutschen WM-Historie, bei der von Corona-Chaos begleiteten EM im Vorjahr wurde Deutschland nur Siebter. Mit Blick auf die Heim-WM im kommenden Jahr wurde die Mannschaft stark verjüngt, Spieler von Weltklasseformat sind einzig Kapitän Johannes Golla und (zeitweise) Torhüter Andreas Wolff. Schwarzer sieht die Mannschaft in der Breite gut aufgestellt: "Die deutsche Mannschaft ist eine gute Mischung aus erfahrenen Spielern, auch aus Europameistern von 2016 plus junge Spieler, die ihr erstes WM-Turnier spielen, die hungrig sind, die heiß drauf sind, die für Deutschland spielen möchten."

Schwarzer vermisst seit Jahren einen echten Spielmacher

Was nach Ansicht des DHB-Rekordtorschützen aber schon seit längerem fehlt, ist ein klassischer Rückraum-Mitte-Spieler, wie es zum Beispiel ein Markus Baur war. Schwarzer sieht hier den DHB in der Pflicht und fordert bei der Sichtung mehr Weitblick. Zu viele würden durchs Raster fallen. Auf solche Spieler müsse man im Sichtungssystem achten und sie auch für die A-Nationalmannschaft fördern. "Es gilt, Spieler zu suchen, die einfach etwas Besonderes haben. Dafür muss ich nicht zwei Meter groß sein, sondern es reichen manchmal auch 1,80 Meter, um sehr gut Handball spielen zu können. Die körperlichen Voraussetzungen müssen nicht immer so sein, dass es der größte und athletischste Spieler bin."

Kein Verständnis für Absagen

Bundestrainer Gislason musste in seiner fast dreijährigen Amtszeit immer wieder Absagen prominenter Spieler hinnehmen, zuletzt durch 2016-Europameister Fabian Wiede. Das sei "teilweise schwer nachzuvollziehen", hatte sich der Isländer im Gespräch mit dem SID genervt geäußert.
Auch Rekordtorschütze Christian Schwarzer wundert sich: "Für uns wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, ein Großturnier nicht zu spielen. Wir haben uns immer so darauf gefreut, zusammen gegen die Besten der Welt zu spielen. Heutzutage scheint das irgendwie so ein Trend zu sein", sagt Christian Schwarzer, räumt dann aber ein: "Ich muss aber auch sagen, ich verstehe die Argumentation der Jungs, ob es jetzt die Familien sind, ob es die Gesundheit ist, weil die Belastung unheimlich hoch ist und die Gesundheit natürlich das höchste Gut ist."

Auftaktspiel gegen den Asienmeister Katar

Nach den erfolgreichen Testspielen am Wochenende verbringen die Nationalspieler die kommenden Tage für den letzten Feinschliff in der Sportschule Barsinghausen.
Am Donnerstag geht es für die deutsche Mannschaft dann per Charterflieger in den Vorrundenspielort Kattowitz, wo tags darauf der Auftakt des WM-Abenteuers gegen Asienmeister Katar (Freitag/18.00 Uhr/ZDF) steigt. Weitere Gegner im Kampf um die Hauptrunde sind Serbien am 15. Januar sowie Algerien am 17. Januar.