Gottesdienst im Dorf Ezbeth Raflah im Süden Ägyptens. Viele der Besucher sind heute schon weit gelaufen. Younan Khalaf ist aus Kom Al Loufi gekommen, sechs Kilometer entfernt. Bei ihm im Dorf gibt es keine Kirche, deswegen muss der gläubige Kopte auf Kirchen in der Umgebung ausweichen. Doch auch in Ezbeth Raflah sind er und seine Glaubensbrüder nicht bei allen willkommen.
"Wir wurden eines Tages auf dem Weg zur Kirche gestoppt", erklärt Khalaf. "Das waren extreme Muslime. Sie sagten, wir sollen umkehren. Und dann sind sie nach Ezbeth Raflah gefahren und haben den Muslimen dort gesagt, sie seien keine richtigen Männer, wenn sie uns Christen hier beten ließen, weil wir ihre Erde beschmutzen würden. Sie sollten uns aus dem Dorf jagen."
Angespanntes Verhältnis
Das Verhältnis zwischen koptischen Christen und Muslimen in Ägypten ist schon lange angespannt. Etwa sieben Prozent der Ägypter sind Kopten. Hier im Süden, in der Region rund um die Stadt Minya, stellen sie mehr als ein Drittel der Bevölkerung. Sie sehen sich quasi als die Ureinwohner des Landes, schließlich ist der Name "Kopte" eine Abwandlung des griechischen Wortes für "Ägypter".
Unter Präsident Abdel Fattah Al Sisi, einem gläubigen Muslim, sollte eigentlich alles besser werden. Im August unterzeichnete Al Sisi ein von den Kopten lang ersehntes Gesetz. Es sollte zur Gleichstellung der beiden Religionsgruppen beitragen und Kopten ermöglichen, neue Kirchen zu bauen. Doch die Realität sieht anders aus, sagt Bischof Makarios von Minya:
"Die Leute merken, dass das Gesetz den Bau neuer Kirchen eher erschwert. Es legt sehr viel Macht in die Hände der Gouverneure vor Ort. Und die können mit Verweis auf die Sicherheitslage – zum Beispiel sektiererische Gewalt – den Bau neuer Kirchen verzögern oder ganz ablehnen."
Wachleute vor der Kirche
Die Sicherheitslage ist fast immer schwierig für Kopten in Ägypten. Erst vor wenigen Wochen sind mehr als 20 Menschen bei einem Selbstmordanschlag auf eine Kirche in Kairo ums Leben gekommen. Der selbsternannte Islamische Staat hat die Verantwortung dafür übernommen. Solche verheerenden Anschläge sind zwar selten – Auseinandersetzungen zwischen Kopten und Muslimen aber Alltag.
Vor der Kirche im Dorf Ezbeth Raflah stehen zwei bewaffnete Wachleute. Der Priester, Vater Filtawos, hat überall Überwachungskameras anbringen lassen und erklärt: "Das gibt uns einfach ein bisschen mehr Sicherheit. Ich bin neu hier in der Gegend und es sind ein paar schlimme Dinge geschehen. In den Nachbardörfern. Aber ich muss erst noch verstehen, was dort wirklich passiert ist. Das sind reine Vorsichtsmaßnahmen."
Mob setzt Haus in Brand
Vater Filtawos spielt auf die fünf Häuser an, die im Sommer in Kom Al Loufi abgebrannt sind. Er wählt seine Worte vorsichtig, denn er weiß um den Zündstoff, der in dem Thema steckt. Die Häuser gehörten koptischen Familien, auch Younan Khalafs Haus brannte ab. Bis heute lebt er mit seiner Familie in einer Garage.
"Eines Nachts standen ungefähr 2000 Menschen vor meinem Haus", berichtet Khalaf. "Sie haben ‚Allahu Akbar’ und ‚auf in den Kampf’ und solche Sachen gerufen. Sie waren sehr aggressiv."
Es gab Gerüchte, Khalaf und seine Brüder würden eine Kirche in Kom Al Loufi bauen. Deswegen eskalierte die Situation. Ähnliche Vorfälle gab es schon häufiger in Ägypten. 19 der mutmaßlichen Brandstifter von Kom Al Loufi wurden festgenommen, kamen aber auf Kaution frei.
Khalaf steht vor dem Rohbau seines Hauses und reibt sich die Augen. Es läuft noch immer eine Art Schlichtungsverfahren mit den mutmaßlichen Brandstiftern. Es geht darum, wer den Wiederaufbau bezahlt. Bis jetzt ist die koptische Gemeinde dafür aufgekommen.