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Christen in der Türkei
Hauptsache unauffällig

Deutschsprachige Christen gibt es in Istanbul zum Teil schon seit Generationen, aber auch auf Zeit dort lebende Familien oder Studierende besuchen die Gottesdienste. Sicherheitsvorkehrungen oder Polizeischutz nehmen viele Gemeinden in Anspruch, dennoch will kaum einer von Christenfeindlichkeit sprechen- das Miteinander mit den Muslimen sei sehr harmonisch.

Von Renardo Schlegelmilch |
    Vor dem Referendum in Istanbul: Nur wenige Touristen vor der Hagia Sofia.
    Die Gemeinde St. Georg betont ausdrücklich auf ihrer Internetseite, sie wollen als Christen in Respekt vor der Mehrheitsreligion des Islam leben. (Deutschlandradio / Renardo Schlegelmilch)
    Istanbul ist von je her eine laute und hektische Stadt. Nach offiziellen Angaben leben in Istanbul knapp 15 Millionen Menschen, die Einheimischen sprechen sogar von fast 20 Millionen. Gesprägt ist das Stadtbild von Moschee-Kuppeln und Minaretten. Um die katholische Kirche St. Georg zu finden, muss man schon etwas suchen. Das gelbe Reihenhaus mit grünen Türen ist vielleicht etwas größer als die Nachbarhäuser, als Kirche muss man es von außen aber nicht erkennen. Kein Kirchturm und keine Glocken, nur das Klingelschild "St. Georg" gibt die österreichische Gemeinde zu erkennen. Andere Kirchen in Istanbul sind prominenter und auch als solche zu erkennen.
    Die Dominikaner läuten auch jeden Sonntag zum Gottesdienst. Die österreichische Gemeinde St. Georg betreibt mit dem Orden der Lazaristen eine christliche Schule, nicht weit vom Geburtsort von Präsident Erdogan entfernt. Wer die Pforte passieren will, muss ein Formular unterschreiben und sich vorher anmelden. Über eine unscheinbare Seitentür kommt man dann in den Kirchraum. Pater Alexander Jernej ist Pfarrer der österreichischen Gemeinde St. Georg und betreut im Moment auch die deutsche Gemeinde St. Paul:
    "Jeder, der hier lebt, hat seine eigene Geschichte. Hier leben auch seit Generationen schon deutschsprachige Christen, andere sind aus beruflichen Gründen hier, mal länger mal kürzer. Früher hat es auch noch regelmäßig Besuchergruppen gegeben, die auch am Gottesdienst teilgenommen haben. Die kommen jetzt leider weniger."
    Harmonie mit Muslimen
    Einige Familien mit Kindern aus den deutschsprachigen Gemeinden sind im vergangenen Jahr auch zurück in die Heimat gezogen. Die Lage wurde ihnen zu unsicher. Das sei der Bedrohungslage durch den Terrorismus und der aktuellen Politik geschuldet. Das Miteinander mit den Muslimen in Istanbul sei sehr harmonisch.
    Jernej sagt: "Man begegnet einander grundsätzlich erst mal wohlwollend. Ich kenne eine Ordensschwester, die seit Jahrzehnten hier tätig ist und Familien besucht, christliche wie muslimische. Die bringt dann Medikamente oder Lebensmittel vorbei. Auf ihrem Weg begegnet sie auch regelmäßig einem Imam, mit dem sie ein paar Worte auf türkisch wechselt. Der sagt: Du tust so viel Gutes, du wärst eigentlich auch eine gute Muslimin."
    Auf ihrer Internetseite schreibt die Gemeinde St. Georg, sie wollen als Christen leben in Respekt vor der Mehrheitsreligion des Islam. Deshalb spielt der Dialog auch eine große Rolle. Die Gemeinde hat ein Christlich-Muslimisches-Dialogforum gegründet, das gemeinsame Veranstaltungen ausrichtet. - Da die Türkei zumindest der Verfassung nach ein laizistischer Staat ist, in dem Staat und Religion streng getrennt werden, sind öffentliche Glaubensbekundungen auf der Straße untersagt, für Christen wie auch Muslime. Christen mit Kreuz um den Hals sieht man also nicht in Istanbul. Pater Jernej sagt, für ihn ist es Teil des Alltags, sich anzupassen:
    "Das ist es aber überall. Man stellt sich ein auf die Leute, auf die Gegebenheiten, auf die Regeln die es überall gibt."
    Trotzdem braucht es Sicherheitsvorkehrungen für die christlichen Gemeinden in Istanbul. Für Gottesdienste gibt es Polizeischutz, den allerdings nicht alle Gemeinden in Anspruch nehmen.
    "Bei Veranstaltungen haben wir einen privaten Sicherheitsdienst. Die türkische Polizei bietet sich auch an, von sich aus. Beim Gottesdienst tun die dann ihren Dienst in der Nähe des Eingangsbereichs. Die evangelische Gemeinde hat das öfters schon genutzt. Die sind in einem Stadtviertel, in dem das von der Sicherheitslage schon eher nötig ist."
    Die Sicherheitsvorkehrungen sind auch Andreas schon aufgefallen, der deutsche Student lebt seit Oktober in Istanbul und hat hier auch schon verschiedene Kirchen besucht:
    Er sagt: "In der katholischen Kirche auf der großen Einkaufsstraße gibt es eine große Polizei-Präsenz, zum Teil auch Personenkontrollen. Die türkische Regierung bemüht sich also um den Schutz der Christen. Andererseits muss auch eine Bedrohung da sein, wenn es die Notwendigkeit für solche Schutz-Maßnahmen gibt."
    Volle Kirchen in Istanbul
    Meldungen über Angriffe auf Christen gibt es durchaus in der Türkei. 2010 ging der Mord am katholischen Bischof Luigi Padovese in der Südtürkei durch die Schlagzeilen. Weitere Mordfälle an Christen kann man in den vergangenen Jahren allerdings an einer Hand abzählen. Es gibt Christenfeindlichkeit, sagt der katholische Student Andreas, das sei aber ein Ausnahmefall.
    Andreas erzählt: "Es gibt antichristliche Strömungen in der Türkei. Die sind aber in der absoluten Minderheit. Mir ist noch niemand begegnet, der mich wegen meiner Religion oder Nationalität benachteiligt oder diskriminiert hätte."
    Ob man als Deutscher auf den Straßen Istanbuls Angst haben muss, da gehen die Meinungen auseinander. Es wird erzählt, dass Deutsche schon aufgrund ihrer Nationalität aus Taxis geschmissen wurden. Student Andreas erlebt das anders:
    "Wenn ich erwähne, dass ich Deutscher bin, bekomme ich eigentlich immer positives Feedback. Gerade die Automarken und Fußballclubs werden immer erwähnt. Wenn ich die Leute dann auf den politischen Konflikt anspreche, dann versuchen die meisten zu differenzieren, zwischen der politischen Ebene und dem persönlichen Kontakt."
    Viele Deutsche in der Türkei vermuten, dass sich das Klima nach dem Referendum auch wieder ändern wird. Deutschland und Europa gehören zu den wichtigsten Handelspartnern der Türkei, auf die könne das Land gar nicht verzichten. Nazi-Vergleiche und Attacken gegen Europa werden eher als innenpolitische Zeichen gesehen, um noch mehr Menschen von einem "Ja" zum Präsidialsystem zu überzeugen.
    Durch die Flüchtlingskrise kommen mehr Christen in die Türkei
    Die christlichen Gemeinden müssen sich mit einer anderen Herausforderung befassen, die es auch in Deutschland gibt: die Flüchtlingskrise. Durch den Flüchtlingspakt mit der EU, die direkte Grenze zu Syrien, aber auch Flüchtlinge aus Afrika kommen seit Jahren schon auch große Zahlen von Christen in die Türkei. Pater Jernej sagt:
    "Die Zahl der Christen hat dadurch stark zugenommen. Das Antlitz der Kirche ist für Christen, die länger hier leben, völlig neu geworden. Es gibt volle Kirchen in Istanbul mit Christen aus Afrika, Asien, Südkorea, von den Philippinen. Im Moment kommen auch viele Christen aus der Ukraine, die hier Arbeit suchen. Für uns als Gemeinden entstehen dadurch im Moment ganz neue Fragen."
    Gemeinden müssen Gottesdienste in verschiedenen Sprachen organisieren, und auch die Ökumene ist ein Thema, da Christen verschiedener Konfessionen in die Türkei kommen. Eine Herausforderung für die christlichen Gemeinden, die aber auch neue Formen des Miteinanders bringen kann.