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Christen in Japan
Eine Kerze für Jesus, ein Duftstäbchen für Buddha

Der Papst besucht auf seiner Asienreise auch Japan. Dort leben nur rund 500.000 Katholikinnen und Katholiken. Eine von ihnen ist Haruko Kasugaya. Wie so viele Konvertierte kann sie sich nicht ganz vom Buddhismus verabschieden. Vor allem die Verehrung der Ahnen bleibt.

Von Tobias Kühn |
Haruko Kasugaya in ihrer Wohnung. Sie lächelt in die Kamera.
Haruko Kasugaya versucht Christentum und buddhistische Tradition in Einklang zu bringen (Deutschlandradio / Tobias Kühn)
Jeden Morgen und jeden Abend hält Haruko Kasugaya kurz inne. In einer Ecke ihres Wohnzimmers kniet sie vor dem Butsudan nieder, ihrem buddhistischen Hausaltar. Sie schlägt den Gong und zündet eine Kerze sowie ein Duftstäbchen an. Sie verneigt sich, betet zu Buddha und verehrt ihre Ahnen. Manchmal stellt sie ihnen etwas zu essen hin oder eine Tasse Tee.
So wie die 68-Jährige, die mit ihrem Mann in einem Haus am Rand von Yokohama lebt, tun es Millionen Japaner jeden Tag. Doch Haruko Kasugaya gehört zu einer Minderheit: zu den knapp ein Prozent Christen im Land. Vor zwölf Jahren hat sie sich taufen lassen. Seitdem ist sie katholisch. Trotzdem verehrt sie weiterhin jeden Tag ihre Ahnen. Noch sehr gut erinnert sie sich daran, wie sie das erste Mal mit dem Christentum in Berührung kam.
Angst, Kontakt zu Vorfahren zu verlieren
"Es ist eine lange Geschichte. Nachdem ich geheiratet hatte, begegnete ich in meiner neuen Umgebung einigen sehr netten Leuten. Die waren Christen. Ich wusste das zuerst nicht, aber ich fragte mich: Warum sind diese Leute so nett? Später hatten meine beiden Söhne dann die Gelegenheit, auf eine christliche Schule zu gehen. Dort fand jeden Freitag eine Art Bibelstunde für Eltern statt. Als ich das erste Mal in der Bibel las, war ich beeindruckt: Es eröffnete sich mir eine neue Welt."
Doch bis sich Haruko Kasugaya dazu entschied, selbst Christin zu werden, verging eine lange Zeit. Viele Jahre haderte sie mit dem Gedanken zu konvertieren. Schließlich besuchte sie einen Vorbereitungskurs, und nach einem Jahr ließ sich taufen.
Viele Japaner tun sich bei dem Gedanken, ihre Religion zu wechseln, vor allem deshalb schwer, weil sie fürchten, sie würden damit den Kontakt zu ihren Vorfahren verlieren. Bis vor einigen Jahrzehnten war es tatsächlich so: Wer sich hatte taufen lassen, dem verbot die Kirche, weiterhin buddhistische Rituale zu praktizieren, wie die Verehrung der Ahnen. Man hielt es für Götzendienst, sagt der Jesuitenpater Heinz Hamm. Er lebt seit mehr als 50 Jahren in Japan und lehrt als Professor an der Sophia-Universität in Tokio.
Kirche verbot Ahnenverehrung
"Das heißt, dass früher Japaner, die Christen wurden, abschwören mussten. Ich hab das noch gesehen, ich war fassungslos. Da gibt‘s Formeln, wo sie diesem Götzendienst abschwören – das ist heute alles unverständlich. Die Forderung, dass man der japanischen Tradition abschwört, also die Ahnen nicht mehr so verehren darf, wie man das bisher getan hat, ist für jeden Japaner, der nicht seinen Verstand verloren hat und der ein gutes Gewissen hat, eine unmögliche, arrogante Zumutung."
Nach traditionell japanischer Vorstellung ist das Haus, die Gemeinschaft des Hauses das Wichtigste. Und der älteste Sohn hat die heilige Pflicht, das Haus zu pflegen: die Zukunft des Hauses, indem er einen Erben zeugt, und die Geschichte des Hauses, indem er die Ahnen verehrt, die im Butsudan gegenwärtig sind und weiterleben. Die Verbindung zu den Vorfahren wegen der Taufe zu kappen, war für viele Japaner lange Zeit undenkbar. So kam es, dass sich manch einer erst im hohen Alter durchrang, Christ zu werden.
"Ich kenne einige ältere Japaner, die sich erst auf dem Totenbett haben taufen lassen, weil sie dann nicht mehr verantwortlich waren für die Pflege des Hauses", sagt Hamm.
"Das ist etwas ganz anderes als das Christentum"
Haruko Kasugayas Ehemann ist ältester Sohn. Deshalb kam nach dem Tod seiner Eltern vor einigen Jahren der Butsudan der Familie in das Haus des Ehepaares. Wie alle Ehefrauen in Japan ist auch Haruko Kasugaya bei ihrer Heirat ins Familienregister ihres Mannes eingetragen worden. Das heißt, seit der Heirat sind seine Ahnen auch ihre Ahnen. Bei der Taufe hatte Haruko Kasugaya zwar nicht dem Ahnenkult abschwören müssen – aber als der Butsudan eines Tages in ihr Haus gebracht werden sollte, war ihr doch unbehaglich zumute.
"Ich war sehr beunruhigt, als der Butsudan in unser Haus kam. Ich fragte unseren Pfarrer, ob das okay sei oder nicht. Aber er antwortete: Es ist okay, die Ahnenverehrung ist etwas ganz anderes als das Christentum: Die buddhistischen Rituale seien dazu da, die Ahnen zu respektieren – das Christentum hingegen, um Gott die Ehre zu erweisen. Das sei etwas vollkommen anderes. Und deshalb, so sagte der Pfarrer, sei es kein Problem, den Butsudan im Haus zu haben. Als ich das hörte, war ich sehr erleichtert."
Wie viele andere Japaner, die sich haben taufen lassen, hat auch Haruko Kasugaya für sich einen Weg gefunden: Im Erdgeschoss ihrer Wohnung, am Butsudan, verehrt sie morgens und abends ihre Ahnen. In der oberen Etage jedoch, im Schlafzimmer, hat sie ein Marienbild sowie ein Bild von Jesus aufgehängt. Dort kniet sie jeden Abend vor dem Schlafengehen nieder und betet. Jeden Tag gelingt es Haruko Kasugaya aufs Neue, Christentum und japanische buddhistische Traditionen miteinander in Einklang zu bringen.