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"Christen leicht integrierbar"

Bei der Aufnahme von Irak-Flüchtlingen solle sich Deutschland nach Ansicht des nordrhein-westfälischen Integrationsministers Armin Laschet vor allem auf Christen konzentrieren. Die Bedrohung sei für sie größer als für andere religiöse Gruppen, sagte der CDU-Politiker. Außerdem seien sie am leichtesten integrierbar. Im März werden voraussichtlich die ersten der 2500 Irakflüchtlinge nach Deutschland kommen.

Armin Laschet im Gespräch mit Gerd Breker | 05.02.2009
    Gerd Breker: Am Telefon begrüße ich nun den Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. Guten Tag, Herr Laschet!

    Armin Laschet: Guten Tag!

    Breker: Herr Laschet, Sie waren gerade in Syrien und Jordanien, um sich über das Schicksal der irakischen Flüchtlinge dort zu informieren, insbesondere über das Schicksal der irakischen Christen unter diesen Flüchtlingen. Welche Erkenntnisse konnten Sie mitbringen?

    Laschet: In Syrien leben eine Million bis 1,5 Millionen Flüchtlinge aus dem Irak. 220.000 sind beim Hohen Kommissar für Flüchtlinge registriert worden. In Jordanien leben circa 500.000, so dass wir insgesamt von einer Zahl von zwei Millionen Menschen sprechen, die aus dem Irak geflohen sind.

    Und der Anteil der Christen darunter ist überproportional groß. Sie haben nur drei Prozent der Bevölkerung im Irak ausgemacht, aber sie sind bei den Flüchtlingen wesentlich stärker vertreten, und das liegt daran, dass in manchen Regionen des Iraks die Sicherheit für Schiiten gegeben ist, in anderen Teilen für Sunniten - beides Muslime -, aber dass Christen überall im Irak unter Verfolgung zu leiden haben.

    Breker: Wie kann man den irakischen Christen, die in die angrenzenden Länder geflohen sind, helfen, ohne die verbliebenen Christen im Irak aufzufordern, ebenfalls den Irak zu verlassen?

    Laschet: Das ist eine große Schwierigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland und auch die Europäische Union will natürlich nicht nur Christen helfen, sie will allen Opfern, die traumatisiert sind, die Folteropfer sind, Aufnahme in der Europäischen Union geben. 10.000 Menschen sollen in die Europäische Union kommen, davon 2500 nach Deutschland.

    Ich denke, dass die, die ein individuelles Schicksal erlitten haben - unter den Christen -, diesen besonderen Schutz auch verdienen. Das ist nicht das Signal, dass alle Christen nun den Irak verlassen sollen, aber die, die individuell bedroht worden sind, denen soll geholfen werden.

    Breker: Nur wenn Europa, wenn Deutschland irakische Christen aufnimmt, fördert das nicht das Ausbluten der Christen aus dem Irak?

    Laschet: Das wäre so, wenn wir nun Millionen Menschen aufnehmen würden, aber die geringe Zahl von 2500 ist nun keine, die zum Ausbluten der Christen in der Region führt. Das sind individuell erlittene Schicksale, denen wir helfen wollen, die zum Teil auch Familienangehörige schon in Deutschland haben. Es gibt kaldäische Gemeinden in Deutschland, in die sie hinein könnten, und wo dann auch die Perspektive ist, dass sie sehr schnell integriert werden können. Das ist auch bei uns mit Voraussetzung dafür, wenn wir jemanden aufnehmen.

    Breker: Wie dringend, Herr Laschet, ist denn der Handlungsbedarf? Wie schnell muss das aus Ihrer Sicht und nach den jetzigen Erfahrungen, die Sie gemacht haben, gehen?

    Laschet: Das soll sehr schnell gehen. Der UNHCR macht Vorschläge an die Bundesrepublik Deutschland. Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg werden dann nach den Kriterien, die wir in Deutschland aufgestellt haben, Persönlichkeiten ausgewählt. Es gibt dann Einzelinterviews vor Ort durch Mitarbeiter des BAMF, also des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, und dann kommt das Signal, dass die Ausreise nach Deutschland möglich ist.

    Im März wird aller Voraussicht nach das erste Flugzeug nach Deutschland kommen und dann wird eine Erstaufnahme in Friedland, in dem Grenzdurchgangslager stattfinden, in Niedersachsen, und dann wird verteilt in die Gemeinden in Deutschland.

    Breker: Herr Laschet, wenn wir die Flüchtlinge bei uns aufnehmen, zweifeln wir dann nicht daran, dass der Irak so schnell keine demokratischen Strukturen haben wird, so schnell kein stabiles Land sein wird?

    Laschet: Ich bin nicht sicher, ob das damit verbunden ist. Ich glaube in der Tat, dass es nicht sehr schnell ein stabiles Land sein wird. Bis heute, trotz der Wahlen am letzten Sonntag, rät der Hochkommissar für Flüchtlinge der Vereinten Nationen ab, in den Irak zurückzukehren.

    Aber selbst wenn die Lage einmal wesentlich stabiler ist, werden Menschen, die Morddrohungen erfahren haben, die Angehörige durch Anschläge verloren haben, nicht ohne weiteres zurückkehren. Die brauchen eine Perspektive außerhalb des Irak und die wollen wir gewähren - mehr nicht, aber auch nicht weniger.

    Breker: Wird sich die Lage aus Ihrer Sicht, nach Ihrer Kenntnis, nach dem, was Sie in Syrien und Jordanien erfahren mussten, im Irak bessern, wenn die US-Armee abzieht?

    Laschet: Das ist eine ganz schwierige Prognose. Die Wahrscheinlichkeit ist ja eher geringer, dass dann weniger Sicherheit im Lande ist. Andererseits könnte man dann sagen, es gibt nicht mehr eine Fremde macht, die im Irak steht, und die Iraker selbst könnten nun aus eigener Kraft einen neuen Staat aufbauen. Aber das, was wir im Moment ja erleben, ist ein Kampf von Irakern gegen Iraker, Schiiten gegen Sunniten, und nicht so sehr gegen die amerikanische Armee.

    Insofern ist das schwer zu prophezeien. Die Lage bei den Wahlen am letzten Sonntag war so, dass sie sehr friedlich abgelaufen sind. Sie haben den kurdischen Teil des Iraks, wo heute schon ein hoher Grat an Stabilität gewährleistet ist, aber wann das für den gesamten Irak so sein wird, das kann heute, glaube ich, niemand prophezeien.

    Breker: Und die Christen im Irak, sie werden besonders verfolgt?

    Laschet: Die Christen sind besonders Opfer der Verfolgung im Irak. Deshalb gilt die Priorität der Bundesrepublik Deutschland, den Christen, die im Irak verfolgt werden, zu helfen - zum einen, weil sie die größte Opfergruppe sind, und zum anderen, weil sie am leichtesten integrierbar sind bei uns, sie kommen zu Familienangehörigen, sie kommen in kaldäische Gemeinden. Und ich wünsche mir, dass wir eine Willkommenskultur ausstrahlen, wie wir das vor 30 Jahren mal bei den vietnamesischen Flüchtlingen hatten, dass nämlich die Städte vor Ort sich dies auch zur Aufgabe setzen, hier unmittelbar zu helfen.

    Breker: Der Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, im Deutschlandfunk.