Es ist eine herzliche Begrüßung zwischen dem katholischen Priester Alexander Miskita William und Yusuf Yaro, dem Vorsitzenden des muslimischen Rates in Mubi. Eine Stadt mit knapp 100.000 Einwohnern im Nordosten Nigerias. Beide Männer sind hier groß geworden. Jetzt umarmen sie sich und schütteln sich lange die Hände, bevor sie über eine gemeinsame Veranstaltung sprechen wollen. Für Yusuf Yaro ist es selbstverständlich, regelmäßig auf das Gelände der Sankt-Andreas-Kirche zu kommen:
"Ich bin hier als Vorsitzender des muslimischen Rates. Hier besuche ich meinen christlichen Bruder. Wir besuchen uns immer gegenseitig, egal, was passiert. Das wichtigste für uns ist doch das friedliche Zusammenleben. In unserer Gemeinschaft finden wir Familien, in denen der eine Bruder ein Christ und der andere Bruder ein Muslim ist."
Christen und Muslime lebten zusammen
Es ist ein recht optimistisches Bild, das Yaro zeichnet. Mit diesem Religionsverständnis ist auch Priester Alexander Miskita William aufgewachsen:
"In der Gegend, in der ich groß geworden bin, lebten überall Muslime. Es gab nur zwei christliche Familien. Aber in dieser Zeit gab es überhaupt keine Unterschiede. Wir haben uns sogar jeden Abend getroffen und zusammen gegessen. Das war eine sehr angenehme Atmosphäre."
Das ist jetzt 30 bis 40 Jahre her. Von dieser Atmosphäre ist heute im Nordosten Nigerias nicht mehr viel zu spüren. Grund dafür ist die islamistische Terrorgruppe Boko Haram, die auch Mubi für einige Monate besetzt hatte. Vor zweieinhalb Jahren war das. Christen flohen nach Yola, die Hauptstadt des Bundesstaates Adamawa. Heute sind viele zwar zurück, doch oft quält sie eine Fragen: Welche Muslime haben bei der Besatzung mit Boko Haram kollaboriert? Wer hat es freiwillig getan? Wer wurde dazu gezwungen? Priester Alexander Miskita William:
"Einige Muslime haben die Stadt nicht verlassen, während andere – vor allem Christen – um ihr Leben gerannt sind. Wer geblieben ist, hat gesehen, was passiert ist. Auf irgendeine Art haben sie kooperiert. Wir wissen über Boko Haram schließlich: Wenn sie in eine Stadt kommen, muss man ihrer Auslegung der Religion folgen. Wer geblieben ist, muss mit ihnen einverstanden gewesen sein."
Gegenseitiger Austausch ist unabdingbar
Es ist ein Vorwurf, der überall im Nordosten zu hören ist. Dort kehrt der Alltag langsam wieder zurück. Geschäfte, Märkte und Wohnhäuser werden wieder aufgebaut. Doch über die Gräueltaten der Terroristen wird meist geschwiegen: Sie ermordeten seit dem Jahr 2009 mehr als 20.000 Menschen, entführten Frauen und Kinder, vergewaltigten sie und missbrauchten sie als Selbstmordattentäter. Das schürt enormes Misstrauen zwischen den Religionen. Eine der wenigen Organisationen, die das ändern will, ist Carefronting mit Sitz in Kaduna. Überall im Nordosten versucht sie, Menschen wieder zusammen zu bringen. Maji Peterx organisiert und begleitet diese Treffen:
"Diese Spannungen gibt es zwischen Gruppen, die geblieben sind und den Rückkehrern. Besonders schlimm ist es, wenn man keine Möglichkeit für Gespräche hat. Menschen kommen zurück und haben bestimmte Vorstellungen in ihren Köpfen, die aus Erzählungen von anderen stammen. Wichtig ist es, einen Ort des Austauschs zu schaffen. Nur so können sie lernen, sich zu verstehen und in die Zukunft zu blicken."
Genau das wollen in Mubi nun der katholische Priester und der Vorsitzende des muslimischen Rates schaffen. Bisher haben sie dafür weder eine Organisation gegründet, noch bekommen sie Spenden. Stattdessen fangen sie auf kleiner Ebene an und wollen im Moment vor allem gemeinsam in ihrer Heimatstadt Mubi präsent sein, sagt der Priester:
"Wann immer es ein Treffen gibt, dann informiert er mich. Wir fahren zusammen hin. Das hilft sehr, um die Beziehung zwischen Christen und Muslimen zu stärken. Wenn die Menschen uns gemeinsam in einem Auto sehen, dann wissen sie: Zu einem gewissen Grad ist der Frieden zurück."
"Religiöse Trennung muss verhindert werden"
Erste Veranstaltungen mit Imamen, Priestern und Predigern, die in Nigeria wichtige Meinungsführer sind, gab es schon. Gespräche über Vergebung und Versöhnung standen dabei im Vordergrund. Yusuf Yaro würde das gerne ausweiten:
"Wenn uns die Regierung unterstützt, könnten wir viel mehr bewirken. Es könnte auch eine private Organisation sein, die helfen kann. Dann könnten wir mehr Menschen als jetzt erreichen. Dann könnten wir in Kirchen, Moscheen, auf Marktplätze, sogar in Krankenhäuser gehen, um Menschen über das friedliche Zusammenleben aufzuklären."
Für Mubi, die einstmals so friedliche Stadt mit den gemischten Wohnvierteln, befürchtet Priester Alexander Miskita William aber eine andere Entwicklung. Mubi könnte sich künftig zu einer Stadt entwickeln, in der Christen und Muslime getrennt voneinander leben. Er fordert deshalb:
"Die Regierung muss ernsthaft etwas dagegen unternehmen, wenn Menschen aufgrund dieser Erfahrung entscheiden: Sie wollen dort leben, wo ihre Glaubensgemeinschaft die Mehrheit hat. Das ist eine schlechte Entwicklung. Die Stadt Kaduna ist zum Beispiel so. Auch in Mubi gibt es ein paar Anzeichen. Aber wir sprechen uns dagegen aus und sagen: Wo auch immer dein Haus ist, bleib' dort."
Eine praktische Herangehensweisen, die auch Maji Peterx begrüßt. Er glaubt allerdings, dass es in Mubi sehr lange dauern wird, bis Christen und Muslime wieder ohne Angst zusammenleben.
"Vergebung ist keine Handlung, Vergebung ist ein Prozess, der abhängig von den Beteiligten Zeit braucht. Generell habe ich den Eindruck, dass der Grundgedanke von Versöhnung für Menschen wichtig ist. Vergebung ist ein wichtiger Teil davon. Wir sind auf dem richtigen Weg."