Jibrilla Garba sitzt in einem Klassenzimmer der Mundra Model School in Mubi, einer wichtigen Handelsstadt im Norden Nigerias nahe der kamerunischen Grenze. Gemeinsam mit Fatima Sharfadeen und Nwoah Amos Drambi, die beide 16 Jahre alt sind und hier zu Schule gehen, diskutiert Garba neue Angebote des sogenannten Friedensclubs. Es ist eine Arbeitsgemeinschaft an weiterführenden Schulen, ins Leben gerufen von der christlich-muslimischen Friedensinitiative "Campi". Jibrilla Garba ist Vizepräsident:
"Diese Friedensclubs funktionieren sehr gut. Das meiste, was in der Gesellschaft passiert, geschieht durch Jugendliche. Wir bringen sie zusammen, räumen zusammen mit ihnen auf. Das hilft uns sehr."
"Als sie kamen, waren wir in der Schule"
Beim nächsten Treffen soll der Schulhof aufgeräumt werden. Solche Tage, an denen Straßen, Viertel und Schulen von Dreck befreit werden, sind in Nigeria populär. Ziel ist nicht nur das Aufräumen an sich, sondern etwas gemeinsam zu tun, unabhängig von Religion, Herkunft und ethnischer Zugehörigkeit. In Mubi ist das besonders wichtig, war die Stadt doch im Herbst 2014 von der Terrormiliz Boko Haram besetzt. Es sind Bilder, die Schülerin Fatima nicht vergessen wird.
"Als sie kamen, waren wir gerade in der Schule. In diesem Moment waren aber weder mein Vater, noch meine Mutter in der Stadt. Niemand war zu Hause, nur meine Geschwister und ich. Mir ist es gelungen, sie zum Schulbus zu bringen. Als wir zu Hause waren, hat uns unser Onkel mit dem Auto nach Kamerun gebracht."
Auf keinen Fall will Fatima, dass das noch einmal geschieht. Deshalb macht sie Werbung für den Friedensclub. Ebenso wie Fatimas Mitschüler Nwoah:
"Frieden ist die Grundlage für unsere Gesellschaft. Damit schafft man Einheit und gute Beziehungen untereinander. Deshalb organisieren wir diese Friedensclubs. Auch Schüler müssen harmonisch zusammenleben."
Das Misstrauen sitzt tief
Leicht ist das nicht. Bis heute gibt es im Nordosten Nigerias, wo in den vergangenen zehn Jahren rund 30.000 Menschen durch die Gewalt der Miliz gestorben sind, kaum Psychologen und Therapeuten. Zerstörte Gebäude erinnern an die Besatzung Mubis durch Boko Haram. Auch die E.Y.N.-Kirche an der Polizeikaserne ist noch nicht wieder aufgebaut.
"Die Kirche ist niedergebrannt worden. Man sieht: keine Fenster mehr, kein Dach. Das Mauerwerk hat Risse. Es sieht schlimm aus."
Sagt Pastor Daniel Doyi, Präsident der Friedensinitiative Campi. Bis heute weiß er nicht, wer das Feuer gelegt hat. Die Täter könnten auch Nachbarn sein, die mit Boko Haram kollaboriert haben, freiwillig oder gezwungen. Doyi sagt:
"Warum einige von uns zweifeln: In den Landkreisen Madagali, Michika, Mubi Nord und Mubi Süd sind 337 Kirchen niedergebrannt worden, aber keine Moschee. Deshalb bleiben viele Fragen."
"Das hat absolut nichts mit Religion zu tun"
Allerdings griff Boko Haram auch zwei Moscheen an, Dutzende Menschen starben.
"Das hat absolut nichts mit Religion zu tun. Zu den Kämpfern von Boko Haram gehören auch Heiden, Christen und eben Muslime."
Sagt deshalb Jibrilla Garba, der ebenfalls von der Miliz gejagt wurde. Er ist Moslem.
"Viermal sind sie zu mir nach Hause gekommen. Sie fragten: Wo ist dieser Mann, dieser Jibrilla? Ich war nicht da, weshalb sie ausrichten ließen: Egal, wohin er geht, wir werden ihn umbringen. Deshalb bin ich geflüchtet."
Die Initiative trägt Früchte
Daniel Doyi und Jibrilla Garba treffen sich regelmäßig. Oft im Büro des muslimischen Rates, was vor einiger Zeit noch undenkbar gewesen wäre. Doch nur so könne der Frieden langsam zurückkommen, findet der Pastor. Auf die Regierung jedoch verlässt Doyi sich nicht mehr.
"Nicht ein einziges Mal hat sich die Regierung gemeldet und gesagt: Lasst uns zusammen kommen. Dafür setzen sich nur Organisationen der Zivilgesellschaft ein wie unsere christlich-muslimische Friedensinitiative Campi. Wir haben Imame und Pastoren angesprochen. Gemeinsam diskutieren wir, wie wir unsere Beziehungen verbessern können."
Und Jibrilla Garba ist überzeugt, Boko Haram habe in Mubi keine Chance mehr.
"Nun können sie nicht mehr in Mubi eindringen. Christen und Muslime halten zusammen. Wenn wir jemanden sehen, der fremd ist, dann gehen wir zu den Sicherheitskräften. Christen wie Muslime machen das so. Das wirkt sich auch auf die Wirtschaft aus. Die Lage ist sogar besser als in der Zeit vor Boko Haram."