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Christian Petzolds "Undine" im Kino
"Mein Film kommt langsam wieder an Land"

Undine ist in der Mythologie die Frau aus dem Wasser, die jeden Mann töten muss, der sie verrät. Christian Petzolds Undine bricht mit dem Mythos und findet nach dem Verrat eine neue Liebe. "Dass der Einsatz der Liebe mal so brutal erhöht wird, hat den Darstellern gut gefallen", sagte Petzold im Dlf.

Christian Petzold im Corsogespräch mit Sigrid Fischer |
Filmstill aus "Undine": Ein Mann und eine Frau in einem Swimmingpool
"Undine kommt aus dem Wasser und verschwindet wieder im Wasser", verrät Christian Petzold über seinen neuen Film (Christian Schulz/Schramm Film)
Zweimal wurde der Kinostart seines neuen Films "Undine" coronabedingt verschoben, nachdem Hauptdarstellerin Paula Beer auf der Berlinale den Silbernen Bär als beste Hauptdarstellerin gewonnen hat. "Kino zu Hause, das ist kein Kino", findet Christian Petzold, deshalb kam es für ihn nicht in Frage, seinen Film als Stream herauszubringen. Auf seiner Promotionstour seien die Kinos ausverkauft, wenn auch mit Lücken in den Reihen wegen der Abstandsregel. Es sei ein schöner Anblick, wieder Menschen im Kino zu sehen, die mit der Popcorntüte in der Hand im Foyer versuchten, miteinander zu sprechen, "Ich glaube, das Kino ist unschlagbar."
Undine komme aus dem Wasser und verschwinde wieder im Wasser, so Petzold. Er habe das Gefühl, dass sein Film in der Zwangspause wie Undine für eine Weile unter Wasser gegangen sei, aber jetzt langsam wieder an Land komme, wo er sich einen Liebhaber suche.
Die Frau aus dem Wasser
Undine ist die Frau aus dem Wasser, die dem Mythos nach durch männliches Begehren Gestalt annimmt und jeden Mann töten muss, der sie verrät. Genau das passiert am Anfang des Films. Aber in Christian Petzolds Version bricht sie mit dieser Vorbestimmung und verliebt sich wieder neu. Die Idee geht zurück auf Ingeborg Bachmanns Geschichte "Undine geht". Die hat für Christian Petzold 60 Jahre später immer noch Bedeutung, weil er z.B. in Interviews oft gefragt wird, ob Paula Beer seine neue Muse sei, denn "Undine" ist nach "Transit" schon sein zweiter Film mit Beer als weiblicher Hauptfigur. "Der Regisseur und seine Muse" - diese Vorstellung zeige doch, dass wir nicht wirklich viel weiter seien als zur Zeit Bachmanns. Dass die Frau sich gegen ihre Musenhaftigkeit als Projektionsfläche zur Wehr setze, das gefalle ihm am Text von Ingeborg Bachmann.
Wir haben noch länger mit Christian Petzold gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs.
Die Unterwasserwelt, die im Film eine Rolle spielt, habe ihn schon immer fasziniert, weil es da unten keine Dialoge gebe, nur Geräusche, einen anderen akustischen Raum, eine andere Art und Weise zu atmen, und Körper, die umeinander herumschwimmen wie in einer Unterwasserchoreografie. Man sage ja, der Mensch kommt aus dem Wasser, "vielleicht ist das eine Ursprungssehnsucht", so Petzold.
Berlinkritik
Auf die Frage, warum "Undine" zwar ein Berlinfilm, aber keine Liebeserklärung an die Stadt ist, sagt Petzold, dass anders als in Köln oder Frankfurt die Liebe zu dieser Stadt nicht von selbst komme. "Man kann Berlin nur lieben, wenn man Arbeit investiert", ist er überzeugt. Man müsse sich die Stadt erlaufen, erlesen und erkunden, dann gebe sie einem etwas zurück. Mit den historischen Exkursen, die Stadthistorikern Undine im Film gibt, wirft der Wahlberliner Petzold auch einen kritischen Blick auf den Umgang der Stadt mit ihrer Geschichte. Er habe zeigen wollen, was in Zukunft geplant ist und was schon gebaut ist. Da sei einiges zerstört worden. Die Mietsituation sei entsetzlich, die Räume seien in Privathand gegeben worden und was damit geschehen sei, das nennt er "grauenhaft". Das wollte er im Film durchklingen lassen. Und Undine, die schon hunderte von Jahren auf der Welt ist, wisse, was da abgeht.