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Christliche Miliz
Sie verstehen sich als Soldaten Christi

Im kurdischen Teil des Irak versuchen 70.000 Peschmerga, das Vorrücken der Terrorgruppe IS zu verhindern. An der Front von Mossul kämpft auch eine kleine christliche Miliz gegen den IS. Sie kämpfen um ihr Leben, um ihr Land und für die Zukunft der Christen im Irak.

Von Dirk Planert |
    Ein Kämpfer der Peschmerga steht mit einer Waffe auf einer Straße
    Neben den muslimischen Kurden kämpfen auch Christen gegen die Islamisten des IS (picture alliance / dpa / Mohamed Messara)
    Die Frontlinie liegt etwa 30 Kilometer nördlich vor Mossul inmitten riesiger Rapsfelder. Aus dem satten gelb heraus erhebt sich ein etwa 3 Meter hoher Erdwall, aufgeschüttet mit Baggern, 25 Kilometer lang. Oben drauf liegen Sandsäcke, Soldaten haben das freie Feld davor ständig im Blick, die Kalashnikovs immer entsichert.
    "Es geht darum: Wir gegen IS, sie haben uns unser Land genommen, wir holen es zurück", sagt Markus. Er gehört zu Dwekh Nawsha, übersetzt: die sich opfern. Dwekh Nawsha ist eine christliche Miliz. 200 Männer gehören dazu, unter Waffen sind gerade einmal 50. Eine Handvoll Amerikaner und Briten sind in die Region der Ninive-Ebene gekommen, um die Christenmiliz hier zu unterstützen.
    Christen und Muslime kämpfen gemeinsam an der Front
    Einer der Amerikaner sagte, das sei ein Heiliger Krieg, er sei ein Soldat Christi. "Das ist es nicht. Die Kurden sind alle Moslems und sie kämpfen auch gegen die islamistischen Extremisten des IS", erklärt der Soldat Markus. Christen und Muslime sind vereint im Kampf an der Frontlinie bei Baqufa, um ihr Land gegen Terroristen zu verteidigen. Seine Truppe besteht hauptsächlich aus assyrischen Christen. Stolz erzählt er, dass die Assyrer die Urchristen seien und bis heute einige von ihnen aramäisch sprechen, die Sprache Jesu. Im August vergangenen Jahres hatte der islamische Staat das 500 Seelendorf erobert. Kurz darauf konnten Peschmerga und die Christenmiliz Baqufa zurückerobern. Seitdem wird versucht, die Frontlinie gegen IS zu halten.
    "Ich habe hier drei Männer sterben sehen, und zwei mit sehr viel Blut, verletzt", sagt der Soldat einer Antiterroreinheit der Peschmerga, lädt seine Kalaschnikov durch und sucht ein Ziel auf der anderen Seite des Erdwalls. Der Funk des Feindes ein paar hundert Meter gegenüber wird mitgehört. Mehrere andere Soldaten machen Fotos mit ihren Handys. In wenigen Minuten werden die Bilder bei Facebook zu sehen sein, für über 3000 Follower in den USA und Europa.
    "Das motiviert sie, sie wollen kämpfen für die assyrische christliche Sache im Irak und sie wollen uns verteidigen", sagt Rama. Er ist gerade einmal 18 Jahre alt und Facebook Manager der Dwekh Nawsha. Seit er vor ein paar Stunden zuletzt online war, sind 6 Nachrichten wie diese auf dem Account eingegangen:
    "Ich war in der US Army, ich bin Veteran und möchte wissen, wie ich Euch beitreten kann, könnt ihr mich informieren, wie all das funktioniert?" Grundvoraussetzung sei eine militärische Ausbildung, sagt Rama. Auch die Finanzierung der Truppe laufe über Facebook. Ein PayPal Konto ist hier angegeben. Mit Spenden aus der ganzen Welt werden Waffen auf dem Schwarzmarkt gekauft. Die bisherigen Eingänge reichten für die Ausrüstung der 50 Männer. Amerikanische M16 Sturmgewehre gibt es wenige, umso mehr russische Kalashnikovs und chinesische Nachbauten, die Billigvariante - zielungenau und schnell kaputt.
    "Wir haben nicht genug Waffen. Unsere Waffen sind so alt und nicht stark genug", sagt der Soldat. Daesh, wie die Terrorgruppe IS im Mittleren Osten genannt wird, ist wesentlich besser ausgerüstet. Das hat Soldat Markus oft genug mit eigenen Augen gesehen.
    "Sie haben M16, M4, Kalashnikov, Mörsergranaten, alles. Gestern Nacht haben sie Baqufa wieder angegriffen. Als die Terrorgruppe IS Mossul erobert hat, fielen ihnen amerikanische Waffen in die Hände. Im Wert von 15 Milliarden Dollar, erzählt man sich in Kurdistan. Darunter gepanzerter Humvees, Geländewagen. Mit denen greifen Islamisten nun die Frontlinien an. Es gibt aber kaum panzerbrechende Waffen aufseiten der Peschmerga und der Christenmiliz.
    Nur noch 300.000 Christen im Irak
    Auf einer 150 Kilometer langen Frontlinie um Mossul herum sollen gerade einmal vier deutsche Milan Panzerabwehrsysteme zur Verfügung stehen. Auf dem Schwarzmarkt sollen sie allerdings zu haben sein. Eine deutsches Milan System kostet hier 50.000 Dollar. Jede Rakete noch einmal 3000 Dollar. In der Ferne sind Dushkas zu hören, schwere Flugabwehrwaffen, die meist auf Pick-ups montiert sind.
    Im leer gefegten Baqufa lungern hungrige Hunde durch die Nacht, über der Front kreisen Kampfjets der Alliierten gegen den IS. Deshalb fallen gerade keine Mörsergranaten, sagt einer der Soldaten. IS habe Angst vor den Luftschlägen. Von ehemals 1,5 Millionen Christen leben jetzt noch 300.000 im Irak," sagt der assyrische Priester der Region, Emanuel Youkhana. In Baqufa kämpfen sie deshalb nicht nur um ihr Leben und ihr Land, sondern auch um die Zukunft der Christen im Irak.
    "Jeden Tag verlassen Familien die Gegend nach Istanbul, in die Türkei, Libanon, Jordanien in der Hoffnung sich dort ansiedeln zu können. In ein oder zwei Jahrzehnten müssen wir in Betracht ziehen, dass es im Irak keine Christen mehr geben wird. Als Kirche dürfen wir nicht aufgeben. Unsere Schlacht ist eine Schlacht des Glaubens, um die Hoffnung für die Menschen aufrecht zu erhalten. Die einzigen Waffen, die wir jetzt haben, sollten wir nicht unterschätzen."