Archiv

Christliche YouTuber
Die Sinnfluencer

Sie geben keine Schminktipps, sondern reden über Enthaltsamkeit vor der Ehe. Die meisten christlichen Youtuber vertreten auf ihren Kanälen ein konservatives Weltbild. Jetzt startet die Evangelische Kirche in Deutschland ein "Sinnfluencer"-Netzwerk - es soll mehr Vielfalt bringen.

Von Brigitte Baetz |
Die Youtuberin Jana Highholder sitzt auf einem gelben Sofa und wird von einer Kamera gefilmt.
Youtuberin im Auftrag der EKD: Jana Highholder (imago/ Jörn Neumann)
Die Anmutung ist die, die man von vielen YouTube-Influencer-Videos kennt: ein funktional-modern eingerichtetes Zimmer, eine sympathische junge Frau mit glattem langem Haar – und einer Botschaft.
"Der Vers 'Macht Euch keine Sorgen, denn Gott sorgt für Euch' ist ein super-cooler Vers, den kann man in der Bibel unterstreichen, kann ihn vielleicht als Quote irgendwo auf seinem Pinterest-Account oder Instagram-Account posten und der tut einfach ganz gut. 'Macht Euch keine Sorgen, denn Gott sorgt für Euch' ist einfach schön anzuhören."
Einstehen für konservativen Lebensstil
Lisa Stowasser alias LiMarie ist christliche Influencerin und Mitbegründerin der Global Video Church, einer Gemeinschaft von freikirchlich orientierten Christen. "Living the Christian Lifestyle", heißt ihr Claim – sie propagiert einen konservativen christlichen Lebensstil, inklusive Enthaltsamkeit vor der Ehe und der Ablehnung von Homosexualität.
Mit ihrem Kanal spielt LiMarie zwar nicht in der ersten Liga der YouTuber mit, was die Abrufzahlen betrifft, nimmt aber in der kleinen deutschsprachigen Community der christlichen YouTuber einen Spitzenplatz ein. Wenn es besonders privat wird - Stichwort: Kein Sex vor der Ehe - belohnt der Zuschauer einen Clip schon mal mit Abrufen im sechsstelligen Bereich. Von solchen Zahlen kann eine andere YouTuberin im christlichen Auftrag allerdings nur träumen.
"Hallo, ich bin Jana übrigens, Hallo, ich bin Jana, Jana, Hi. Was ich tue, ist Glauben öffentlich leben."
"Der Mann ist die Stimme nach außen"
Mit Jana Highholder, Studentin und Poetry-Slammerin, versucht die Evangelische Kirche in Deutschland seit 2018 via YouTube junge Menschen zu erreichen. Doch mehr als acht- bis zehntausend Abrufe sind bislang eher selten. Dabei wird Janas Kanal professionell von Mediakraft Networks betreut, der Vermarktungsfirma, die in YouTubes Anfangszeiten Szenegrößen wie LeFloid und die Lochis unter Vertrag hatte.
Die Clips sind wirklich äußerst professionell inszeniert, vermitteln weniger Wohnzimmer- als eher Fernsehstudio-Atmosphäre. Doch das stets positive Auftreten und die frische Aufmachung kontrastieren mit einem unmodernen Frauenbild, das die blondgelockte Jana sehr eloquent vertritt, hier zum Beispiel in der Diskussion mit der evangelischen Pfarrerin und Publizistin Hanna Jacobs:
"Das mag eine konservative Haltung sein und dennoch wünsche ich mir einen Mann, der Entscheidungen nach außen trägt. Und das heißt nicht, dass mein Mann diese Entscheidung gefällt hat, sondern dass wir zuhause auf Augenhöhe, ebenerdig, miteinander gesprochen haben, Pros und Cons abgewägt haben, (….) aber der Mann ist für mich die Stimme, die es nach außen trägt." - "Wow, das ist ja eine sehr pointierte und - ja - seltene Haltung."
Protestantische Vielfalt bei YouTube
Und eine Haltung, die nicht jedem in der evangelischen Kirche in Deutschland behagt. Eben jene Hanna Jacobs etwa schrieb in "Christ und Welt", der Beilage der Wochenzeitung "Die Zeit", dass Jana theologisch weit weg sei vom evangelischen Mainstream. Um zu zeigen, dass der Protestantismus mehr umfasst als allein konservatives Gedankengut, geht nun ab morgen das evangelische Content-Netzwerk YEET online. Die Buchstaben stehen für YouTube und "Einfach evangelisch". Jörg Bollmann, Direktor des Gemeinschaftswerks der evangelischen Publizistik:
"Die Ausweitung ist eine Reaktion darauf, dass wir eine protestantische Vielfalt haben und immer schon hatten. Und dass ein Frömmigkeitsstil, der sich auf YouTube darstellt in der Person von Jana, dass dieser Frömmigkeitsstil von anderen, die der evangelischen Kirche nahestehen und die evangelisch glauben, dass der kritisiert wird, ist ja nicht überraschend. Auch ein queeres Ehepaar wird von einigen Christinnen und Christen kritisiert werden."
Und ein solches wird in Zukunft die evangelische Kirche auch offiziell auf YouTube vertreten: Ellen und Stefanie Radtke, ein niedersächsisches Pfarrerinnen-Ehepaar. Wie fast alle anderen Pfarrer und Theologen, deren Clips auf Yeet gebündelt werden sollen, haben die beiden geistlichen Frauen schon einen eigenen YouTube-Kanal. "Anders amen" heißt er und dort behandeln sie z.B. Geschlechter-Stereotype aus dem Konfirmationsunterricht.
Begrenzte finanzielle Mittel
"Heute nehmen wir Euch mit auf unsere Jugendarbeit, also in das, was wir klassischerweise freitags so tun." - "Klar, denn wir haben keine Freunde, deshalb chillen wir mit der Jugend."
Wir fassen zusammen, das, was es schon gibt, sagt Jörg Bollmann vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik: "Wir unterstützen in Sachen Marketing, wir unterstützen in Sachen Social Media, wir helfen bei der Format-Entwicklung. Wir werten das User-Interesse aus, wir schauen, wo geht das User-Interesse hin. Wo kann man noch ein bisschen nachjustieren."
Allzu viel Geld, das macht Bollmann auch klar, könne man allerdings nicht in das neue Content-Netzwerk pumpen. Das habe man bei Jana als Pilotprojekt gemeinsam mit der Agentur Mediakraft noch leisten können. Verzehnfachen aber könne man diese Anstrengungen nicht.