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Christoph Heubner: "Ich sehe Hunde, die an der Leine reißen"
Erinnerung als Verpflichtung

Seit über vier Jahrzehnten sammelt Christoph Heubner die Berichte von Holocaust-Opfern, um sie hineinzutragen in die Literatur und in die Zukunft, wie er sagt. Jetzt hat der Vizepräsident des Internationalen Auschwitzkomitees selbst ein literarisches Werk vorgelegt - drei fiktive und doch wahre Geschichten.

Christoph Heubner im Gespräch mit Angela Gutzeit |
Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner.
Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees (dpa/Jens Büttner)
Der Pfarrerssohn Christoph Heubner kam in jungen Jahren zur Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und leistete dort seinen Zivildienst. Vor allem aber die Begegnung mit dem Dichter Volker von Törne regte ihn dazu an, sich künftig ganz dem Gedenken an die Opfer des Holocaust zu widmen.
Mit Törne veröffentlichte er den Band "Lagebericht. Gedichte und Lieder"; mit dem polnischen Auschwitz-Überlebenden Tadeuz Szymanski die Publikation "Lebenzeichen" über die Lagerkunst von Auschwitz-Häftlingen.
Seit langer Zeit führt der heutige Exekutiv-Vizepräsident auch Besuchergruppen, insbesondere Jugendliche durch das einstige Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und die heutige Gedenkstätte. Er diskutiert mit Schülern über das Versagen der Zivilgesellschaft damals und das Wiedererstarken rechtextremer Kräfte heute.
Die Verantwortung der Nachgeborenen
Zur Literatur ist Heubner, wie er im Gespräch mit Angela Gutzeit erzählt, unter anderem durch die französisch-jüdische Auschwitz-Überlebende und Politikerin Simone Veil gekommen."Sie hat einen Zusammenhang hergestellt, der mir sehr schnell sehr offensichtlich war", so Heubner. "Und zwar, die Fakten anzunehmen, die geschildert worden sind von den Überlebenden und die eigenen Emotionen hinzuzufügen - künstlerisch zu bearbeiten und in neue Zeiten hineinzutragen. Und das habe ich mit meinen Erzählungen versucht."
Das Ergebnis ist das Buch "Ich sehe Hunde, die an der Leine reißen" mit drei Geschichten, in denen die Stimmen vieler Opfer zusammenfließen. Er sei sich der Schwierigkeit der Fiktionalisierung von Opfer-Geschichten durchaus bewusst, meinte Heubner. Das Buch "Stella" von Takis Würger habe gezeigt, was passiert, wenn ein Autor sich davon leiten lasse, das Geschehen "mit Blick auf Sensationen darzustellen".
Christoph Heubner äußert sich zu Beginn des Gesprächs zu seiner Motivation, den Opfern in literarischer Form eine Stimme zu geben.
Christoph Heubner: "Ich sehe Hunde, die an der Leine reißen"
Steidl Verlag, Göttingen. 104 Seiten, 14.80 Euro.
Buchcover: Christoph Heubner: „Ich sehe Hunde, die an der Leine reißen“
Buchcover: Christoph Heubner: „Ich sehe Hunde, die an der Leine reißen“ (Buchcover: Steidl Verlag, Hintergrund: Gerda Bergs)