Archiv

Christoph Kähler alias Zwanie Jonson
"Ich bin kein Shouter"

Der Hamburger Christoph Kähler alias Zwanie Jonson hat für Die Fantastischen Vier, Fettes Brot oder Wolf Maahn Schlagzeug gespielt – inzwischen wird er genauso für den verträumten Westcoast-Pop gefeiert, den er auch auf seinem neuen Soloalbum zelebriert.

Christoph Kähler im Corsogespräch mit Bernd Lechler |
    Fettes Brot bei einem Auftritt auf dem Hurricane Festival 2006 - im Hintergrund spielt Zwanie Jonson Schlagzeug (Bild: imago stock&people)
    Zwanie Jonson spielte lange Zeit in der Band von Fettes Brot - hier bei einem Auftritt 2006 auf dem Hurricane Festival (imago stock&people )
    Bernd Lechler: Zwanie Jonson heißt zivil Christoph Kähler, ist Hamburger, seit Jahrzehnten erfolgreicher Schlagzeuger - im Studio und auf der Bühne – für Acts von Wolf Maahn bis zu den Fantastischen Vier, hat als Produzent etwa das letzte Album von NDW-Ikone Andreas Dorau betreut. Aber er schreibt und singt und produziert auch eigene Lieder. Elf davon, "Eleven Songs For A Girl", bilden sein neues, sein drittes Soloalbum. Das klingt schwer nach den 70er Jahren, Westcoast-Pop, Easy-Listening, ein bisschen Disco – ich musste an Al Stewart denken, der hatte auch so eine erzählerische Art zu singen. Woher kommt Ihre Liebe zu dieser Ära, Zwanie Jonson?
    Christoph Kähler: Ich komme sehr vom amerikanischen Soul, also ich habe Marvin Gaye, Smokey Robinson, vergöttert und dadurch auch das Instrumentarium so, was mir sehr gut gefällt. Ob es "Roads" ist und so Geigen, Streicher, die Art Schlagzeug zu spielen, mit Sechzehntel-Beats so. Und alles andere liegt wahrscheinlich auch an meinem Alter, weil ich in der Zeit sozusagen auch jung war und das mich sehr beeinflusst hat, ja.
    "Nicht als Wunscherfüller für andere"
    Lechler: Man darf ja diese Musik sozusagen seit einiger Zeit wieder machen. Es gibt auch eine neue … oder eine Compilation-Reihe "Too Slow To Disco", die auch diesen Stil feiert. Es gab aber auch Zeiten, da hätte man damit als gestrig und harmlos und oberflächlich gegolten. Haben Sie das selber dann auch irgendwann so richtig wiederentdeckt oder fanden Sie diese 70er-Sachen in den 90ern auch gut?
    Kähler: Auch gut, immer! Also ich bin da überhaupt nicht festgelegt – ich habe natürlich auch Grunge und 90er Jahre Kram, ich höre alles. Aber das, was ich persönlich dann ausbrüte, mal nicht als Wunscherfüller für andere, sondern wirklich nur für mich – oder eben mit Kumpels, die da mal dabei sind – da mache ich mir überhaupt keine Gedanken über Stilrichtungen. Da drücke ich mich einfach selber aus.
    "Da wird alles fröhlich vermixt"
    Lechler: Aber nicken Sie, wenn man sagt, das ist 70er beeinflusst?
    Kähler: Auch!
    Lechler: Oder ist das jetzt eher der journalistische Blick darauf?
    Kähler: Nicke ich auch, aber ich sehe genauso 80er drin und 90er, wie bei Homer Wells zum Beispiel. Diese Art des Schlagzeuges kann auch ein bisschen Oasis-like sein, wie das begleitet wird, das erinnert mich dann auch da dran. Wo ich dann denke: Das ist ja jetzt eher Oasis, obwohl es nicht dieser Gesang ist, aber jetzt vom Playback her. Da wird alles fröhlich vermixt, finde ich.
    "Ein bisschen Erfüllung"
    Lechler: Sie haben dieses Wort Wunscherfüller gerade gesagt – war das immer so auch Ihr Nebenfeld, das Sie brauchten um nicht nur der Wunscherfüller für andere zu sein am Schlagzeug?
    Kähler: Genau. Ich habe nach dem Zivi – hat man damals noch gemacht – mich sehr früh entschlossen: Ich werde Musikant! Autodidaktisch, ich mache das einfach. Habe dann gejobbt und so weiter und dann eben auch in Bands gespielt und da auch das Handwerk Schlagzeug gelernt sozusagen. Auch wirklich in Country-Bands um Geld zu verdienen. Und nur Schlagzeug üben und der beste Drummer der Welt werden – das kann ganz schön einsam und trist sein. So im Bunker zu sitzen und da sich alles rauf zu schaffen. Das habe ich eher live gemacht und mit Bands im Raum und habe dann über Vier-Spur-, Acht-Spur-Rechner angefangen, zu schreiben. Und das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Und da ich Gitarre spielte, schon immer auch, na, dann spielt man auch gleichzeitig Bass schnell und Klavier, das ist auch nicht so schwer. Jedenfalls Akkorde, Akkordklavier also. Alles, was darüber hinausgeht oder schwierig ist, da hat man ja auch Freunde und Gäste, die willkommen sind, da was drauf zu spielen. Aber das war wirklich … ist dann eben der Ausgleich und so ein bisschen die Erfüllung.
    "Ich wollte Aufbruchsstimmung erzeugen"
    Lechler: Über die Muckerseite sprechen wir gleich noch. Ich würde gerne noch über die Texte reden auf dem neuen Album. Die haben auch so eine 70er Unschuld, finde ich. Bei "You Have A Girl" zum Beispiel – dieser Titel schon! Und dann hält er sie im Arm, auf dem Fluss funkeln die Lichter: "Never Have Felt Like This Before". Spielen Sie da mit Genre-Klischees auch? Oder greifen Sie da auf so eine Tradition zurück? Oder ist das einfach Ihre Art, zu texten?
    Kähler: Das ist meine Art, zu texten. Übrigens heißt der Song: "You Have A Girlfriend". Das habe ich jetzt schon so oft gelesen, dass das "You Have A Girl" heißt, aber "Girlfriend". Aber egal. Nee, das ist einfach, das sind dann auch Erlebnisse, am Hafen zu sitzen mit jemandem. Das schreibe ich einfach so runter. Und es ist natürlich einfach und sehr persönlich. Und da wollte ich einfach so eine Aufbruchsstimmung, so eine jugendliche, erzeugen. Das war jetzt auch nicht unbedingt nur ich. Also das vermische ich immer, also ich denke mich auch rein in einen 23-Jährigen – oder ich weiß ja auch noch, wie das war! Diese absolute Liebe, die erste, und dieser Aufbruch. Vielleicht dass es so einen 70er-Jahre-Klang hat, liegt wahrscheinlich daran, dass ich sehr viel gehört habe, aus der Zeit. Vielleicht auch das, ja.
    Lechler: Und das ist auch ironiefrei?
    Kähler: Nicht ganz, nö. Es ist jetzt nicht todernst. Also wenn ein 51-Jähriger so einen Song singt, ist ja auch ein bisschen lustig, finde ich.
    Vom Dorfmucker zur festen Größe
    Lechler: Um noch mal klarzustellen, mit wem wir es zu tun haben: Für wen haben Sie als Schlagzeuger noch mal alles gearbeitet? Ein kurzer historischer Abriss?
    Kähler: Historischer Abriss. Also lange für Wolf Maahn, also ganz früher so kleine, regionale Bands natürlich zum Geld verdienen, aber lange für Wolf. Und davor aber Die Fantastischen Vier, vier Jahre, so von 1996 bis 2000 ungefähr. Fettes Brot danach, das sind so die Größeren. Aber auch Nils Koppruch, Liga der gewöhnlichen Gentlemen …
    Lechler: Helen Schneider auch, glaube ich, ne?
    Kähler: Mit Helen Schneider war ich jetzt fünf Jahre mit den Kammerspielen auf Tour als Schlagzeuger und Darsteller in dem Stück "Der Ghetto Swinger", was auch ganz toll war, eine tolle Erfahrung war. Und da war ich in dieser Swing-Band. Es ging um Coco Schumann, den Swing-Gitarristen, der so drei KZs überlebt hat. Und da haben wir als siebenköpfiges Ensemble gespielt – und da habe ich mit Helen zusammengespielt, das war großartig!
    "Hamburger Verbundenheit"
    Lechler: Welcher Job war denn überhaupt besonders erfüllend?
    Kähler: Besonders erfüllend war der auf jeden Fall, weil es auch was ganz Anderes und sehr berührend war, mit sehr extremen Proben. Aber ich muss sagen, so vom Gefühl "alle zusammen" und weil man sich kennt, auch eine große Gang war und das sehr aufregend war, waren die vier, fünf Jahre Fettes Brot. Mit einer Riesen-Liveband und Riesen-Festivals und großen Hallen, meine ich. Das ist eine alte Hamburger Verbundenheit, Pinneberg Süd, Schenefeld, das war schon sehr, sehr erfüllend, ja.
    "Ich habe wieder Lust"
    Lechler: Und jetzt aber nicht mehr?
    Kähler: Jetzt sind zu viele andere Sachen gekommen. Und oft überschneiden sich ja Projekte, dann kann man nicht – ich habe mal zwei Jahre so ein bisschen Pause gemacht von Live, weil ich das auch nicht mehr sehen konnte. Aber mich juckt es schon wieder und ich habe wieder Lust auch, gucke mich um. Es kommen auch wieder Anfragen. Das ist auch einfach mal so ein Durchatmen. Und da passt das super, jetzt auch mit der Platte. Und ich habe viel Studioarbeit, produziere auch Bands von klein bis groß, mache ich alles.
    "Das ist ein toller Ausgleich"
    Lechler: Ich meine, dieses Schlagzeuger-Sein für andere, so Dienstleister, Mucker – und dann der Songwriter, auch dieses Introvertierte, was dabei ist, das sind ja fast die entgegengesetzten Pole des Musikerberufs. Sind Sie jemand anders auf der einen oder auf der anderen Seite?
    Kähler: Ich kann auf jeden Fall auch richtig rausgehen auf der Bühne und BAMM, reinknallen. Kommt ja auch auf die Musik an, was man macht. Ob man bei einem Rock-Act spielt oder ein rockiges Stück – oder eben mit Besen ganz leise begleitet. Die Facetten habe ich drauf. Und das bringt mir auch wahnsinnig Spaß, mich da zu verausgaben. Und dann aber auch wieder auf sich gekehrt ein bisschen zur Ruhe kommen. Deswegen sind die Sachen ja auch relativ ruhig. Und da ich ja auch kein Shouter bin – ich komme auch nicht vom Punk – komme ich dann da so auf mich zurück und das genieße ich natürlich wahnsinnig. Und das ist ein toller Ausgleich.
    Lechler: Ich wollte fragen, ob Sie so relaxed sind wie Ihre Lieder?
    Kähler: Bin ich, glaube ich, schon. Aber ich kann auch ganz schön – aggressiv nicht, aber ich kann auch schon aus mir rausgehen ganz schön. Aber ich bin eher ein entspannter Vogel, ja.
    Zwanie Jonson statt Jeans-Bierchen
    Lechler: Was noch mal diese beiden Seiten betrifft – Künstlernamen geben sich ja eher angehende Pop-Stars als Schlagzeuger. Zwanie? Was ist das überhaupt für ein Name?
    Kähler: Ja, das hat mir ein Kumpel, mit dem ich zusammen gewohnt habe damals, Mittzwanziger waren wir, gegeben, weil ich … Wir sind immer in so eine Bar gefahren. Und da reichten 20 Deutsche Mark aus, um eine Schachtel Kippen und ein paar Bier. Und irgendwie hatte ich noch vorher so einen anderen Namen, hatte also einen Spitznamen – ist jetzt egal. Aber irgendwann meinte er: "Eigentlich bist du so eine Art Zwanie Jonson". Und das hat sich dann so einfach verselbstständigt. Das war ich dann. Dann war ich auch für viele Zwanie. Und dann habe ich mit DJ Koze das erste Album gemacht – und da hatten wir überlegt: Ja, Christoph Kähler, klingt ein bisschen nach, weiß ich auch nicht, gerade Abi gemacht. Irgendwie passt das auch nicht so zu meiner Musik. Und dann hatte ich noch zum Beispiel "Jeans-Bierchen" – so wollte ich auch nicht heißen. Und dann – Zwanie Jonson, das passte irgendwie. So ist das passiert.
    Lechler: Gute Entscheidung.
    Kähler: Danke.
    Lechler: Alles Gute mit dem Album und danke fürs Gespräch!
    Kähler: Super, vielen Dank! Hat mich gefreut!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.