Aufgeschrieben in Ruinen - nun also sind die Fernsehleute des Irak-Krieges auch mit Gedrucktem auf dem Markt. Und in weiser Selbstbescheidung nennen sie ihre Erzeugnisse "Tagebuch". Denn mehr, in der Tat, war so schnell wohl auch nicht drin. Wer allerdings grundlegend neue Erkenntnisse und Einsichten, die über die Tagesberichte hinausgehen, erwartet hat, der wird dann doch enttäuscht. Allerdings: Alle vier Autoren beweisen den Mut zur Subjektivität, auch zu unausgewogener Beurteilung dessen, was sie gesehen, gehört und vor allem empfunden haben. All diese Bücher können und wollen ganz gewiss keine literarischen Glanzleistungen sein, gut lesbar sind sie indessen schon.
Gerhard Kromschröder, gewissermaßen ein alter Haudegen der Kriegsberichterstattung in Wort und Bild, vor allem für den STERN, liefert vor allem visuelle Eindrücke. Allesamt Bilder, die man schon zu kennen glaubt, die indessen bei genauerem Hinsehen Details offenbaren, die den Irak-Krieg zumindest künstlerisch als "Operation Absurdistan" entlarven. Kromschröder bedient sich dabei sehr oft der Ablichtung der Bilder von US-amerikanischen und britischen Fernsehgesellschaften, wie etwa CNN und BBC. Und der Effekt ist verblüffend. Was wir als TV-Konsumenten in diesem beschleunigten Informationszeitalter praktisch nur noch clipartig konsumieren, wird als im Wortsinne festgehaltenes Bild eine eindrucksvolle Dokumentation individuellen Leidens in der Kampfzone. In ihrer professionellen Unvollkommenheit überschreiten die Fotos bisweilen die Grenze zur künstlerischen Darstellung. Abstrahierende Dokumente mit sehr konkreten Aussagen: Krieg und Frieden, Militärs und Zivil. Kromschröder arbeitet mit diesen Gegensätzen. Sein ergänzender Text verrät seine Nähe zum Geschehen und auch vor allem zu den Kolleginnen und Kollegen.
Den zweiten Tag berichtet Christoph Maria Fröhder nun für die ARD aus Bagdad. Er ist vor Ort: Rauch dringt noch aus einem zusammengebombten Haus. Mit bloßen Händen graben Männer in den Trümmern. Sie ziehen eine Frau aus dem Schutt, Tragen sie triumphierend auf einer Bahre weg. Sie wird, so der Kommentar, wohl überleben. Wenigstens eine.
Jener Christoph Maria Fröhder, ja, das ist der Reporter, der sich mit seinem Kamerateam für die ARD direkt hineinbegeben hat in die Häuser und auf die Straßen der Leidenden, sieht sich im Gegensatz zu den anderen nicht als Kriegs-, sondern als Krisenreporter. Er war nicht einer der sog. Embedded-Journalists, die gewissermaßen im Huckepack und voll unter Kontrolle mit den Truppen durch die Wüste zogen, sondern der in Bagdad die Bombardierungen, die Plünderungen, den Tod von Kollegen, auch das Leiden der Bürger von Bagdad in den Bombennächten und danach geschildert hat. Sein Tagebuch ist thematisch und nicht chronologisch aufgebaut, und so ist dieses ganz gewiss das nachdenklichste und auch positionierteste unter den vier Veröffentlichungen.
Für Europa bleibt die Erkenntnis, dass man auch für einen nicht gewollten Krieg und seine Zerstörungen bezahlen muss. Jede Verweigerung würde die europäischen Handelsbeziehungen zum Irak weiter verschlechtern. Die USA haben schon angekündigt, sie würden die Vereinten Nationen einbeziehen. Wer nach dem politischen und moralischen Desaster die UN stärken will, muss ihre Aufbaukonzeption zwangsläufig unterstützen.
Das detaillierteste und auch in seiner Aufmachung kurzatmig spannendste Buch hat die RTL-Reporterin Antonia Rados vorgelegt, Was sie schreibt, rechtfertigt in der Tat den Untertitel "Live aus Bagdad". Geradezu minutiös schildert sie chronologisch die Zeit vom 24. Januar bis zum 12. April, also ziemlich genau das entscheidende Vierteljahr des Krieges mit seiner deprimierenden Vorphase. Im Gegensatz zu Fröhder hat ihr Buch einige allerdings eher nichtssagende Fotos, die noch dann am interessantesten wirken, wenn sich die Autorin selbst hat ablichten lassen. Und im Gegensatz zu Fröhder, aber das war gewiss auch nicht beabsichtigt, mangelt es an Analyse und Bewertung. Antonia Rados schafft es, ihr Publikum noch einmal in diese Zeit hineinzuziehen. Leseprobe vom 12. April nach Einstellung der Kampfhandlungen.
Ähnlich wie Antonia Rados hat auch Stephan Kloss, im Dienste des Mitteldeutschen Rundfunks stehend, als ARD-Kriegsreporter im Irak eher berichtet als analysiert, wenngleich er auch Reflexionen ankündigt. Sie fallen jedoch relativ dünn aus. Dennoch ist auch dieses Buch als Ergänzung für das ganze Bild von eigenem Wert. Kloss schildert auch, wie die anderen, die täglichen kollegialen Kooperationen sowohl unter den Journalisten vor Ort als auch mit den jeweiligen Heimatredaktionen. Ein insgesamt guter Einblick in die mediale Verarbeitung des Krieges. Selbstkritisch schließt Kloss mit folgenden Worten:
Den jederzeit umfassend informierten furchtlosen Kriegsreporter gibt es nicht. Berichterstatter, die aus Krisen berichten, können höchstens einen kleinen Ausschnitt der Kriegswirklichkeit beschreiben. Und das sollte immer nach dem Grundsatz geschehen: Was habe ich mit eigenen Augen gesehen?
Es ist schön, dass niemand der Autoren auch nur annähernd behauptet, die ganze Wahrheit zu kennen oder erkannt zu haben. Ihr subjektives Erleben verrät indessen sehr viel über die objektive Wirklichkeit ferngelenkter Kriege. Das erste Kriegsopfer ist die Wahrheit. Nach der Lektüre dieser vier Bücher darf man auch sagen: "Die Wahrheit ist ein unbekannter Soldat." Sein Grab liegt nicht nur im Irak.
Tagebücher von den Kriegsreportern im Irak: Christoph Maria Fröhder hat seine Erinnerungen " Ein Bild vom Krieg - Meine Tage in Bagdad" überschrieben, Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg, 175 Seiten, 14,90 Euro. Antonia RadosTagebuch einer Kriegs-Reporterin trägt den Titel "Live aus Bagdad" und ist im Münchener Heyne Verlag erschienen. 208 Seiten, 12,-- Euro. Stephan Kloss kommt im Frankfurter Fischer Verlag eher sachlich daher: " Mein Bagdad-Tagebuch - Als Kriegsreporter im Brennpunkt Irak" 174 Seiten, 12,-- Euro. Gerhard Kromschröder schließlich hat sich für "Bilder aus Bagdad - Mein Tagebuch" entschieden. Europa Verlag, Hamburg, 159 Seiten, 19,90 Euro.
Gerhard Kromschröder, gewissermaßen ein alter Haudegen der Kriegsberichterstattung in Wort und Bild, vor allem für den STERN, liefert vor allem visuelle Eindrücke. Allesamt Bilder, die man schon zu kennen glaubt, die indessen bei genauerem Hinsehen Details offenbaren, die den Irak-Krieg zumindest künstlerisch als "Operation Absurdistan" entlarven. Kromschröder bedient sich dabei sehr oft der Ablichtung der Bilder von US-amerikanischen und britischen Fernsehgesellschaften, wie etwa CNN und BBC. Und der Effekt ist verblüffend. Was wir als TV-Konsumenten in diesem beschleunigten Informationszeitalter praktisch nur noch clipartig konsumieren, wird als im Wortsinne festgehaltenes Bild eine eindrucksvolle Dokumentation individuellen Leidens in der Kampfzone. In ihrer professionellen Unvollkommenheit überschreiten die Fotos bisweilen die Grenze zur künstlerischen Darstellung. Abstrahierende Dokumente mit sehr konkreten Aussagen: Krieg und Frieden, Militärs und Zivil. Kromschröder arbeitet mit diesen Gegensätzen. Sein ergänzender Text verrät seine Nähe zum Geschehen und auch vor allem zu den Kolleginnen und Kollegen.
Den zweiten Tag berichtet Christoph Maria Fröhder nun für die ARD aus Bagdad. Er ist vor Ort: Rauch dringt noch aus einem zusammengebombten Haus. Mit bloßen Händen graben Männer in den Trümmern. Sie ziehen eine Frau aus dem Schutt, Tragen sie triumphierend auf einer Bahre weg. Sie wird, so der Kommentar, wohl überleben. Wenigstens eine.
Jener Christoph Maria Fröhder, ja, das ist der Reporter, der sich mit seinem Kamerateam für die ARD direkt hineinbegeben hat in die Häuser und auf die Straßen der Leidenden, sieht sich im Gegensatz zu den anderen nicht als Kriegs-, sondern als Krisenreporter. Er war nicht einer der sog. Embedded-Journalists, die gewissermaßen im Huckepack und voll unter Kontrolle mit den Truppen durch die Wüste zogen, sondern der in Bagdad die Bombardierungen, die Plünderungen, den Tod von Kollegen, auch das Leiden der Bürger von Bagdad in den Bombennächten und danach geschildert hat. Sein Tagebuch ist thematisch und nicht chronologisch aufgebaut, und so ist dieses ganz gewiss das nachdenklichste und auch positionierteste unter den vier Veröffentlichungen.
Für Europa bleibt die Erkenntnis, dass man auch für einen nicht gewollten Krieg und seine Zerstörungen bezahlen muss. Jede Verweigerung würde die europäischen Handelsbeziehungen zum Irak weiter verschlechtern. Die USA haben schon angekündigt, sie würden die Vereinten Nationen einbeziehen. Wer nach dem politischen und moralischen Desaster die UN stärken will, muss ihre Aufbaukonzeption zwangsläufig unterstützen.
Das detaillierteste und auch in seiner Aufmachung kurzatmig spannendste Buch hat die RTL-Reporterin Antonia Rados vorgelegt, Was sie schreibt, rechtfertigt in der Tat den Untertitel "Live aus Bagdad". Geradezu minutiös schildert sie chronologisch die Zeit vom 24. Januar bis zum 12. April, also ziemlich genau das entscheidende Vierteljahr des Krieges mit seiner deprimierenden Vorphase. Im Gegensatz zu Fröhder hat ihr Buch einige allerdings eher nichtssagende Fotos, die noch dann am interessantesten wirken, wenn sich die Autorin selbst hat ablichten lassen. Und im Gegensatz zu Fröhder, aber das war gewiss auch nicht beabsichtigt, mangelt es an Analyse und Bewertung. Antonia Rados schafft es, ihr Publikum noch einmal in diese Zeit hineinzuziehen. Leseprobe vom 12. April nach Einstellung der Kampfhandlungen.
Ähnlich wie Antonia Rados hat auch Stephan Kloss, im Dienste des Mitteldeutschen Rundfunks stehend, als ARD-Kriegsreporter im Irak eher berichtet als analysiert, wenngleich er auch Reflexionen ankündigt. Sie fallen jedoch relativ dünn aus. Dennoch ist auch dieses Buch als Ergänzung für das ganze Bild von eigenem Wert. Kloss schildert auch, wie die anderen, die täglichen kollegialen Kooperationen sowohl unter den Journalisten vor Ort als auch mit den jeweiligen Heimatredaktionen. Ein insgesamt guter Einblick in die mediale Verarbeitung des Krieges. Selbstkritisch schließt Kloss mit folgenden Worten:
Den jederzeit umfassend informierten furchtlosen Kriegsreporter gibt es nicht. Berichterstatter, die aus Krisen berichten, können höchstens einen kleinen Ausschnitt der Kriegswirklichkeit beschreiben. Und das sollte immer nach dem Grundsatz geschehen: Was habe ich mit eigenen Augen gesehen?
Es ist schön, dass niemand der Autoren auch nur annähernd behauptet, die ganze Wahrheit zu kennen oder erkannt zu haben. Ihr subjektives Erleben verrät indessen sehr viel über die objektive Wirklichkeit ferngelenkter Kriege. Das erste Kriegsopfer ist die Wahrheit. Nach der Lektüre dieser vier Bücher darf man auch sagen: "Die Wahrheit ist ein unbekannter Soldat." Sein Grab liegt nicht nur im Irak.
Tagebücher von den Kriegsreportern im Irak: Christoph Maria Fröhder hat seine Erinnerungen " Ein Bild vom Krieg - Meine Tage in Bagdad" überschrieben, Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg, 175 Seiten, 14,90 Euro. Antonia RadosTagebuch einer Kriegs-Reporterin trägt den Titel "Live aus Bagdad" und ist im Münchener Heyne Verlag erschienen. 208 Seiten, 12,-- Euro. Stephan Kloss kommt im Frankfurter Fischer Verlag eher sachlich daher: " Mein Bagdad-Tagebuch - Als Kriegsreporter im Brennpunkt Irak" 174 Seiten, 12,-- Euro. Gerhard Kromschröder schließlich hat sich für "Bilder aus Bagdad - Mein Tagebuch" entschieden. Europa Verlag, Hamburg, 159 Seiten, 19,90 Euro.