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Christoph Plathe, Theo Sommer: Der bunte Kontinent

Bei unserer heute letzten Buchvorstellung geht es um Afrika, um den "schwarzen Kontinent". Mit rund 30 Millionen Quadratkilometern macht er ein Fünftel der Landfläche der Erde aus, beherbergt über 700 Millionen Einwohner. Viel wissen die Europäer nicht über ihren Nachbar-Erdteil. Die Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul beklagte kürzlich, an Afrika interessierten uns meistens nur Katastrophen und Folklore. Der schwarze Kontinent ist aber sehr viel bunter und vielfältiger. Christoph Plate und Theo Sommer haben ihr Buch daher auch "Der bunte Kontinent" genannt. Es soll einen neuen Blick auf Afrika ermöglichen. Ob dies gelungen ist, schildert Gaby Mayr:

Gaby Mayr | 28.05.2001
    Eigentlich war es eine gute Idee! Afrika sollte dem deutschen Publikum einmal anders präsentiert werden. Nicht als Kontinent der Krankheiten, Kriege und Katastrophen. Sondern in all seiner Vielfalt. Als "Der Bunte Kontinent" - so der Titel des Buches:

    Diese Vielfalt, die kleinen Hoffnungen, der Versuch, den abgeschriebenen Sozialfall zu konsolidieren, will dieses Buch illustrieren

    Also haben sich die beiden Herausgeber ans Werk gemacht: Christoph Plate, Afrika-Korrespondent für Hörfunk und Zeitungen in Nairobi, und Theo Sommer, ehemaliger Herausgeber der Wochenzeitung Die Zeit und jetzt Editor at Large, wie er sich nennt. Sommer ist außerdem ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Deutschen Welthungerhilfe - seine Hilfsorganisation hat das Buchprojekt auf den Weg gebracht. Fast 40 Autoren haben die Herausgeber versammelt. Das Themenspektrum reicht von A wie Architektur über P wie Palmschnaps bis W wie Weisheit der Alten. Doch trotz des reichhaltigen Angebotes wirkt "Der bunte Kontinent" über weite Strecken seltsam unbelebt. -- Wenn der renommierte Afrikakorrespondent einer großen überregionalen Tageszeitung übers Wetter schreibt und dabei in rasendem Tempo mehrfach den Kontinent durcheilt, dass einem beim Lesen ganz schwindlig wird, weiß man am Ende der sieben Seiten, dass es in Afrika eine Menge Wetter gibt, und zwar ganz schön heftiges. Aber die Fakten sind blutleer, nichts bleibt im Gedächtnis haften.

    Ermüdend statt erhellend sind solche Überblicksartikel. Da werden afrikanische Schriftsteller aufgelistet und Religionen, historische Verkehrswege und Sprachgruppen. "Spannende Lektüre" will Der bunte Kontinent sein und "Nachschlagewerk" zugleich. Der Spagat misslingt. Denn Aufzählungen sind nicht spannend, und als Fachliteratur zum Nachlesen sind die meisten Beiträge zu unpräzise.

    Auch das Versprechen der Herausgeber, einen "neuen Blick" auf Afrika zu werfen, gerät bisweilen in Vergessenheit. Statt dessen sattsam bekannte Klischees: Gleich in mehreren Beiträgen muss das Hollywoodepos Jenseits von Afrika herhalten, um das Faszinierende des Kontinents zu illustrieren. Dabei hat der Streifen mit den US-Stars Meryl Streep und Robert Redford so viel mit Afrika zu tun wie Micky Maus mit dem Kölner Dom. Altbekannt auch der Blick des wohlmeinenden, aber gestrengen Wohltäters auf den südlichen Erdteil:

    Es gibt also Hoffnung für Afrika - Grund genug für uns, nicht in dem Bemühen nachzulassen, dem Nachbarkontinent im Süden aus seiner Misere, seiner Schlusslichtposition herauszuhelfen.... Wenn Afrika sich helfen lassen will, wird ihm geholfen werden

    Von solcher Onkelhaftigkeit ist es nicht weit zu Artikeln wie dem des US-Amerikaners Alan Donovan, der vor Jahrzehnten als Entwicklungshelfer nach Afrika kam und dort blieb, Mitbegründer der Galerie African Heritage in Nairobi wurde und über die Anfänge von Mode und Models nach westlichem Muster in Kenia schreibt - über eine Welt also, in der Frauen schön sind und nur einen Vornamen haben, und Männer bekannt sind und auch einen Nachnamen besitzen:

    Das berühmteste aus Afrika stammende Model ist zweifellos Iman. Ihr Name ist ein Synonym für afrikanische Schönheit und Afrika selbst. Ihren ersten Auftritt hatte Iman bei der African Heritage Night in der Massai Lodge bei Nairobi. Peter Beard, der bekannte amerikanische Fotograf, war sofort von ihrer stolzen Eleganz begeistert und bat darum, sie in den Trachten und mit dem Schmuck des African Heritage fotografieren zu dürfen

    Vielleicht ist das ja ein Grund für die Schwächen des Buches: Die Zusammensetzung der Autoren.

    Die Mehrheit der Autoren dieses Bandes sind Europäer oder Amerikaner oder in Übersee lebende Afrikaner...

    ... schreiben die Herausgeber im Vorwort.

    Das kann kaum überraschen: Viele der Autoren, die auf dem Kontinent leben, sind mit dem täglichen Überleben beschäftigt. Da fehlt die Muße, sich zurückzulehnen, um über Gegenwart und Zukunft nachzudenken

    Das allerdings ist zynisch. Wer in Afrika einen Job hat - und sei es als Journalistin oder Hochschullehrer - verdient tatsächlich schlecht. Umso mehr schätzen Afrikaner europäische Honorare. Afrikanerinnen übrigens auch- aber nur eine einzige kommt zu Wort.

    Bei den unabhängigen, kritischen Zeitungen auf dem Kontinent gibt es Leute, die kenntnisreich und witzig schreiben. Es gibt sie in der Literaturszene und unter Wissenschaftlern. Etliche leben im Exil, andere sind nach Hause zurückgekehrt und wieder andere sind immer in Afrika geblieben. Dass sie fast nicht zu Wort kommen, ist schade.

    Immerhin: Zwischen mäßigen bis ärgerlichen Beiträgen finden sich auch einige wahre Schmuckstücke. Wie Christiane Averbeck den Bogen vom Widerwillen gegen die gemeine Küchenschabe zum Tierschutz in Afrika spannt, wie sie die Verbindung herstellt zwischen afrikanischem Landleben und europäischem Idealismus, das ist einfach gelungen. Oder Daniel Bax, der einen auch für Uneingeweihte verständlichen Pfad in die afrikanische Musikszene bahnt. Den im Musikgeschäft fürs Geldverdienen wichtigen Norden hat er selbstverständlich im Blick. Aber er kehrt zurück nach Afrika - und beweist, dass Europäer nicht zwangsläufig eurozentrisch schreiben müssen:

    Was durch europäische Kanäle gefiltert als Weltmusik im Westen reüssiert, ist aber nicht unbedingt identisch mit dem, was in Afrika immens populär ist. Natürlich hat der Erfolg afrikanischer Musiker im Westen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Musikgeschehen des Kontinents. Aber er spiegelt nur einen Teil der Realität. Denn auch wenn Youssou N´Dour aus dem Senegal stammt und Khaled aus Algerien: von Afrika aus gesehen zählen beide Länder eher zur Peripherie der afrikanischen Musik. Statt dessen galt Kinshasa lange Zeit als die Musikhauptstadt des afrikanischen Kontinents und Kairo als die trend-settende Kapitale des arabischen Pop-Stils

    Unterhaltsam und damit bestens geeignet, dem deutschen Publikum Afrika näher zu bringen, ist der Beitrag von Peter Winkler, in dem er über Desaster schreibt, die sich ereignen können, wenn Afrikaner und Europäer gemeinsam feiern: Europäische Angestellte einer Hilfsorganisation hatten ein Abschiedsfest organisiert und waren enttäuscht, als ihre afrikanischen Gäste sich bereits eine Stunde nach Beginn - eine halbe Stunde nachdem das Buffet eröffnet worden war - auf den Heimweg machten. Die Lösung des Rätsels folgte ein paar Tage später, als die Honoratioren der Stadt ihrerseits die europäischen Gäste mit einem Fest ehrten:

    Mittags sollte die Party steigen. Doch außer den Gästen war um diese Zeit noch niemand da. Die Gastgeber und andere Geladene trafen während der nächsten vier Stunden ein. Getränke wurden ausgeschenkt und Höflichkeiten ausgetauscht. Die ersten Standespersonen setzten zu weitschweifigen Reden an. Die Gäste, mit knurrenden Mägen gegen Ermüdungserscheinungen ankämpfend, erwiderten mit eher kurzen Dankesworten. Dann endlich bat der ranghöchste Gastgeber zu Tisch. Die Schar strömte in den Hof hinaus, wo die Gerichte auf einer langen Tafel lagen, von riesigen Leintüchern gegen die Fliegen abgeschirmt. Während man sich die Hände wusch, lüfteten Frauen die Laken, und Gäste wie Gastgeber machten sich, langsam um den Tisch herumgehend, über die einheimischen Leckereien her. Vielleicht zwanzig Minuten dauerte es, bis der Tisch leergeräumt war. Und dann war Schluss. Gegessen, merkten die Europäer, wird im Sudan am Ende des Fests. Es ist der Höhepunkt, bevor der Vorhang fällt

    Den versprochenen "neuen Blick auf Afrika" liefert das Buch "Der bunte Kontinent" nur in einigen seiner Beiträge. Es wäre schön, wenn es in Zukunft weitere Versuche für einen "neuen Blick" gäbe. Denn die Idee für das Buch war wirklich gut!

    Das von Christph Plate und Theo Sommer herausgegebene Afrika-Buch besprach Gaby Mayr. Sein Titel: Der bunte Kontinent. Ein neuer Blick auf Afrika. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart München. Die 268 Seiten mit zahlreichen Abbildungen kosten 29 Mark 80.