Dicke Bücher werde er nicht mehr schreiben, verriet Erich Loest jüngst einem Besucher, denn in seinem Alter lasse das Kurzzeitgedächtnis nach. Und deshalb könne er eine Textstrecke von 400 oder 500 Seiten nicht mehr bewältigen – auf Seite 300 habe er vermutlich vergessen, welche Handlung er auf Seite 13 aufgebaut habe. Trotz aller Mühsale des Alters kam Loest dem Besucher sehr lebendig vor, mit "flinken Augen und einem Jungen-Lächeln". Einer, der in der Gegenwart lebt, obwohl er sich überwiegend mit der deutschen Vergangenheit beschäftigt hat.
"Natürlich, im Wesentlichen schreiben wir schon über das, was gewesen ist, aber es kann ja auch mal sein, dass Dinge wiederkehren – und dann kann alte Literatur, Literatur über alte Zeit, über Nazizeit, über kommunistische Zeit für heute doch nützlich sein, weil die Wiederholung da ist."
Hinter Loests ungezwungen-offener Art zu leben, zu reden und zu schreiben verbirgt sich eine immense Sturheit. Geboren am 24. Februar 1926 im sächsischen Mittweida, vermutet Loest selbst, diese Sturheit sei als seine "Kraft das Erbteil einer unglaublich tüchtigen böhmischen Großmutter und eines unglaublich aufmüpfigen pommerschen Großvaters". Nach Ende des Zweiten Weltkriegs, in dessen Endphase er als sogenannter "Werwolf" teilnehmen musste, und nach kurzer amerikanischer Gefangenschaft wurde er in der DDR Journalist bei der "Leipziger Volkszeitung", trat der SED bei und war – inzwischen freier Schriftsteller – bis zum Volksaufstand am 17. Juni 1953 überzeugter Kommunist.
Dass er nicht spätestens nach dem Ungarn-Aufstand 1956 die DDR verlassen hat, betrachtete er nachträglich als seinen größten Lebensfehler. Sieben Jahre saß er wegen seiner offenen Kritik am SED-Regime im berüchtigten Zuchthaus Bautzen und schlug sich nach der Haftentlassung vorwiegend als unter Pseudonymen schreibender Kriminalromanautor durch. Griff er die realen Verhältnisse an in einem Buch wie "Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene", bekam er sofort wieder Schwierigkeiten und wurde von der Stasi so umfassend bewacht und bedroht, dass er froh war, 1981 in die Bundesrepublik ausreisen zu können. Hier entstand sein literarisches Hauptwerk, mit dem er sich – vom neuen Wohnsitz Bonn-Bad Godesberg aus – auch in die Zustände in Westdeutschland einmischte. Mit dem Zusammenbruch der DDR und der deutschen Wiedervereinigung öffnete sich für ihn sein Thema noch einmal ganz neu: Er wurde der Chronist der gesamtdeutschen Geschichte. Und seine Bücher – Romane wie "Völkerschlachtdenkmal" oder "Nikolaikirche" – fanden auch viele Leser, denn sie waren angelegt als "Lese-Bücher für jedermann". Loest wollte keine neue Sprache erfinden, jonglierte nicht mit Raum- und Zeitebenen, sondern erzählte schnörkellos.
"Am glücklichsten bin ich dann, wenn ich finde: Ich habe was gefunden, was noch keiner gefunden hat. Meine Leser sind politisch wache Menschen, sie müssen Interesse für die Geschichte haben und manchmal müssen sie auch ein paar Vorkenntnisse mitbringen – sie müssen schon ungefähr wissen, wer Bebel war, wenn sie über die 'Völkerschlacht' lesen."
Bis auf die sieben Jahre im Zuchthaus Bautzen verging nach 1945 fast kein Tag, an dem Erich Loest nicht geschrieben hat. Auch im hohen Alter sitzt er jeden Morgen am Schreibtisch, wenn er auch keine Romane mehr schreibt, sondern nur noch Tagebuch führt. Ein buntes Werk: Neben den frühen Kriminalromanen und den geschichtlichen Romanen schrieb er auch Erzählungen, ein Buch über Karl May gehört ebenso dazu wie Arbeiten für den Rundfunk und fürs Fernsehen. Er hat neulich eine Bilanz gezogen und kam auf 60 Buchtitel, 3000 Lesungen, über 1000 Zeitungsartikel, 20 Preise und 10 Filme. Natürlich gehört zu diesem Werk auch eine Autobiografie - "Durch die Erde ein Riss" – darin ist nachzulesen, welch weiten Weg Loest zurückgelegt hat, von der Kindheit zwischen den Weltkriegen, der Hitler-Jugend und der DDR-Zeit, die mit der Inhaftierung zur "gemordeten Zeit" wurde, bis zum konfliktreichen und vergangenheitslastigen Leben im wiedervereinigten Deutschland. Als er relativ spät nach der Wiedervereinigung Bonn in Richtung seiner sächsischen Heimat wieder verließ und sich in Leipzig niederließ, war der Kreis geschlossen:
"Es wäre am Rhein für mich sehr schön gewesen, sehr schön ruhig, sehr komfortabel, ein wenig langweilig aber auch. Und hier in Leipzig, es gibt immer was zu tun, es gibt immer jemanden, den ich ärgern kann, es gibt auch manchmal Leute, denen ich eine Freude machen kann. Ich habe viel Interesse an dieser Stadt und es ist spannend für mich in dieser Stadt."
"Natürlich, im Wesentlichen schreiben wir schon über das, was gewesen ist, aber es kann ja auch mal sein, dass Dinge wiederkehren – und dann kann alte Literatur, Literatur über alte Zeit, über Nazizeit, über kommunistische Zeit für heute doch nützlich sein, weil die Wiederholung da ist."
Hinter Loests ungezwungen-offener Art zu leben, zu reden und zu schreiben verbirgt sich eine immense Sturheit. Geboren am 24. Februar 1926 im sächsischen Mittweida, vermutet Loest selbst, diese Sturheit sei als seine "Kraft das Erbteil einer unglaublich tüchtigen böhmischen Großmutter und eines unglaublich aufmüpfigen pommerschen Großvaters". Nach Ende des Zweiten Weltkriegs, in dessen Endphase er als sogenannter "Werwolf" teilnehmen musste, und nach kurzer amerikanischer Gefangenschaft wurde er in der DDR Journalist bei der "Leipziger Volkszeitung", trat der SED bei und war – inzwischen freier Schriftsteller – bis zum Volksaufstand am 17. Juni 1953 überzeugter Kommunist.
Dass er nicht spätestens nach dem Ungarn-Aufstand 1956 die DDR verlassen hat, betrachtete er nachträglich als seinen größten Lebensfehler. Sieben Jahre saß er wegen seiner offenen Kritik am SED-Regime im berüchtigten Zuchthaus Bautzen und schlug sich nach der Haftentlassung vorwiegend als unter Pseudonymen schreibender Kriminalromanautor durch. Griff er die realen Verhältnisse an in einem Buch wie "Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene", bekam er sofort wieder Schwierigkeiten und wurde von der Stasi so umfassend bewacht und bedroht, dass er froh war, 1981 in die Bundesrepublik ausreisen zu können. Hier entstand sein literarisches Hauptwerk, mit dem er sich – vom neuen Wohnsitz Bonn-Bad Godesberg aus – auch in die Zustände in Westdeutschland einmischte. Mit dem Zusammenbruch der DDR und der deutschen Wiedervereinigung öffnete sich für ihn sein Thema noch einmal ganz neu: Er wurde der Chronist der gesamtdeutschen Geschichte. Und seine Bücher – Romane wie "Völkerschlachtdenkmal" oder "Nikolaikirche" – fanden auch viele Leser, denn sie waren angelegt als "Lese-Bücher für jedermann". Loest wollte keine neue Sprache erfinden, jonglierte nicht mit Raum- und Zeitebenen, sondern erzählte schnörkellos.
"Am glücklichsten bin ich dann, wenn ich finde: Ich habe was gefunden, was noch keiner gefunden hat. Meine Leser sind politisch wache Menschen, sie müssen Interesse für die Geschichte haben und manchmal müssen sie auch ein paar Vorkenntnisse mitbringen – sie müssen schon ungefähr wissen, wer Bebel war, wenn sie über die 'Völkerschlacht' lesen."
Bis auf die sieben Jahre im Zuchthaus Bautzen verging nach 1945 fast kein Tag, an dem Erich Loest nicht geschrieben hat. Auch im hohen Alter sitzt er jeden Morgen am Schreibtisch, wenn er auch keine Romane mehr schreibt, sondern nur noch Tagebuch führt. Ein buntes Werk: Neben den frühen Kriminalromanen und den geschichtlichen Romanen schrieb er auch Erzählungen, ein Buch über Karl May gehört ebenso dazu wie Arbeiten für den Rundfunk und fürs Fernsehen. Er hat neulich eine Bilanz gezogen und kam auf 60 Buchtitel, 3000 Lesungen, über 1000 Zeitungsartikel, 20 Preise und 10 Filme. Natürlich gehört zu diesem Werk auch eine Autobiografie - "Durch die Erde ein Riss" – darin ist nachzulesen, welch weiten Weg Loest zurückgelegt hat, von der Kindheit zwischen den Weltkriegen, der Hitler-Jugend und der DDR-Zeit, die mit der Inhaftierung zur "gemordeten Zeit" wurde, bis zum konfliktreichen und vergangenheitslastigen Leben im wiedervereinigten Deutschland. Als er relativ spät nach der Wiedervereinigung Bonn in Richtung seiner sächsischen Heimat wieder verließ und sich in Leipzig niederließ, war der Kreis geschlossen:
"Es wäre am Rhein für mich sehr schön gewesen, sehr schön ruhig, sehr komfortabel, ein wenig langweilig aber auch. Und hier in Leipzig, es gibt immer was zu tun, es gibt immer jemanden, den ich ärgern kann, es gibt auch manchmal Leute, denen ich eine Freude machen kann. Ich habe viel Interesse an dieser Stadt und es ist spannend für mich in dieser Stadt."