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CIA-Folter in Polen
Alte Vorwürfe, neue Erklärungsversuche

Die USA sollen Polen Millionensummen überwiesen haben, um dort foltern zu dürfen. Dass polnische Staatsanwälte Anklage gegen frühere polnische Politiker erheben, scheint nun nicht mehr ausgeschlossen. Doch was tatsächlich geschah, liegt immer noch im Dunkeln.

Von Henryk Jarczyk |
    Was genau in der CIA-Anlage in Polen passierte, behauptet die damalige polnische Staatsführung, wüsste bis heute niemand so richtig. Die Anwälte der mutmaßlichen Terroristen sind da seit Langem einer anderen Ansicht. Unter ihnen auch Mikolaj Pietrzak, Anwalt des in Guantanamo gefangenen gehaltenen Abd Al-Rahim Al-Naziri:
    "Die öffentlich zugänglichen Materialien weisen darauf hin, dass mein Mandant Verhörmethoden unterzogen wurde, die von Amerikanern verharmlosend als erweiterte Befragungstechniken bezeichnet werden. Das waren Folterpraktiken, die auch im Mittelalter in der Zeit der Inquisition angewendet wurden. Kopf unter Wasser halten, Schlagen, hungern lassen. Alles sehr durchdachte Foltermethoden."
    Vorwürfe, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Juli 2014 in mehreren Fällen als bewiesen erachtete. Und polnische Behörden daher auch wegen Beihilfe verurteilte. Die Verantwortlichen von damals weisen indes bis heute jegliche Schuld von sich. Wenn CIA-Agenten in der sogenannten Secret Facility in Norden Polen gefoltert haben sollten, meint der ehemalige polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski, dann bestimmt nicht mit seinem Einverständnis.
    "Wenn es dazu kommen sollte, dass wir uns vor Gericht in Polen verantworten werden müssen, dann gibt es sehr viele Argumente, die man hier zu unseren Gunsten anwenden kann. Unter anderem den im Recht festgelegten Aspekt des übergeordneten Staatsinteresses. Ich erinnere noch einmal daran. Auch die polnische Staatsführung handelte damals nicht willkürlich."
    Je stärker die CIA das Geschehen in Polen abzuschirmen versuchte, so Kwasniewski, umso misstrauischer sei auch die Warschauer Staatsführung gewesen. Dass in der Anlage indes systematisch Menschenrechtverletzungen begangen würden, so der ehemalige polnische Staatspräsident, habe sich damals aber niemand vorstellen können.
    "Heute erweisen sich die Befürchtungen als begründet, aber sie belegen keinesfalls, dass die Amerikaner bewusst in einem solchen Ausmaß gegen geltendes Recht verstoßen haben. Dennoch haben die Aktivitäten der Amerikaner bei uns Unruhe geweckt. Daher auch die Entscheidung der polnischen Staatsführung, diese Aktivitäten bei uns beenden zu lassen."
    Und damit es hier ja keine Missverständnisse gibt, hat der polnische Staatspräsident seinen amerikanischen Amtskollegen höchst persönlich bei einem Besuch im Weißen Haus darüber informiert. Damit – unterstreicht Kwasniewski – habe er indirekt George W. Bush aufgefordert die Anlage in Polen zu schließen. Was 2003 auch geschehen sei. Der amerikanische Präsident scheint über die Haltung der Polen nicht besonders erfreut gewesen zu sein. Er habe – so Kwasniewski – immer wieder die Notwendigkeit des Kampfes gegen den Terror betont. Über die Methoden dieses Kampfes sei allerdings nicht gesprochen worden. Behauptet der ehemalige polnische Staatspräsident:
    "Entscheidungen, die damals getroffen wurden, bezogen sich auf den Kampf gegen den Terrorismus und auf die Zusammenarbeit der Geheimdienste. Aber das Ziel war nicht etwa sadistische Gelüste amerikanischer Agenten zu befriedigen, sondern Informationen zu erhalten, die uns erlauben würden Gefahren vorzubeugen."
    Der damalige polnische Premierminister Leszek Miller – ebenfalls ein Sozialdemokrat – bleibt indes bei seiner ursprünglichen Haltung. Er habe nichts gewusst, behautet Miller und konnte daher auch nichts dagegen unternehmen. Die heutige polnische Regierung ist davon nicht unbedingt überzeugt. Premierministerin Ewa Kopacz hat die zuständigen Behörden jedenfalls angewiesen, die Unterlagen aus den USA unverzüglich anzufordern und diese genau zu prüfen. Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski geht sogar noch einen Schritt weiter und nimmt die gesamte Angelegenheit zum Anlass, um nunmehr entsprechende Korrekturen des eigenen Kontrollsystems einzufordern:
    "Ich sage das, weil ich jetzt höre, wie die damals für den polnischen Staat Verantwortlichen behaupten, dass sie nicht gewusst hätten. Das ist ein ernstes Problem. Man muss über so wichtige Ereignisse informiert sein. Über Vorgänge, die das Meinungsbild über Polen und die Beziehungen zu unserem wichtigen Verbündeten sowie unsere Selbsteinschätzung so sehr beeinflussen."
    Klingt gut, wäre da nicht die Tatsache, dass im kommenden Jahr Präsidentschaftswahlen anstehen. Insofern ist die Stellungnahme von Bronislaw Komorowski wenig überraschend. Weshalb er so deutliche Worte aber nicht schon früher fand, darüber kann man nur spekulieren.