Die katholische Schule St. Marien ist eine grüne Oase mitten in Berlin. Sie liegt eingeklemmt zwischen zwei Hauptverkehrsstraßen, aber hier drin merkt man wenig vom hektischen Leben des Stadtteils Neukölln, der sie umgibt. Die Schüler sitzen auf einer grünen Wiese, die Vögel zwitschern.
"Vorhin ist gerade ein Fuchs hier rumgelaufen und ist also durchaus auch schon im Bereich der großen Pause zwischen den Schülern durch."
Seit 15 Jahren schon kümmert sich Hausmeister Lino Schmack um die Füchse, die hier auf dem Schulgelände der Katholischen Schule St. Marien ihre Baue haben. Seit Neuestem interessiert sich dafür sogar das Fernsehen. Die Füchse sind Teil des Wissenschaftsprojekts "Füchse in der Stadt", bei dem interessierte Bürger zusammen mit dem Leibniz-Institut eine Fuchskarte für Berlin anlegen. Citizen Science also, Wissenschaft mit Bürgerbeteiligung.
"Also die Kameras sind mit einem Bewegungsmelder ausgestattet. Die Bilder werden hier unten gespeichert. Und das wird dann ausgewertet. Das ist dann schon erhellend. Weil niemand hatte glaub ich eine Vorstellung wie viele Füchse es in der Stadt gibt."
Die Bürgerwissenschaft hat im letzten Jahr einen enormen Aufschwung erlebt. Mittels Internet und Smartphone suchen Laienforscher nach unentdeckten Galaxien oder Pinguinen am Südpol. Ihnen widmet sich seit Anfang des Jahres das Dialogforum Citizen Science, auf dem in verschiedenen deutschen Städten über Bürgerwissenschaft diskutiert und eine Citizen Science Strategie 2020 entwickelt werden soll. Eine besonders schwierige Frage: Wie soll das Ganze finanziert werden?
"Aus Sicht der DFG, die eben Grundlagenforschung an Hochschulen und Universitäten fördert, sind natürlich die Möglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger selber Geld einzuwerben, relativ beschränkt", sagt Cornelia Lossau, Pressesprecherin der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Berlin.
"Weil halt das durch unser System eigentlich nur geht, wenn sie mit einer etablierten Wissenschaftlerin einem etablierten Wissenschaftler zusammenarbeiten."
Wie kompliziert es bisher war, Geld für ein Forschungsprojekt mit Bürgerbeteiligung zu bekommen, weiß Katrin Vohland. Sie arbeitet am Museum für Naturkunde in Berlin und sie hat das heutige Dialogforum mit organisiert.
"Der Josef Settele, der angefangen hat, dieses Schmetterlingsmonitoring zu machen, das eines der Vorzeigeprojekte ist, hat am Anfang ganz große Schwierigkeiten gehabt, diesen Ansatz letztlich durchzubringen, weil es sehr lang gedauert hat, wirklich zu zeigen, dass man ein Monitoring-System aufbauen kann mit Bürgerinnnen und Bürgern mit Schulungen."
Erarbeitung eines Leitfadens
Deshalb soll jetzt ein Leitfaden erarbeitet werden, um öffentliche Gelder für ein Bürgerwissenschafts-Projekt zu beantragen, quasi ein Art Bewerbungstraining. Jenseits von staatlicher Förderung und Stiftungen gibt es aber auch unkomplizierte Möglichkeiten, sein eigenes Wissenschafts-Projekt zu finanzieren. Zum Beispiel die Internetplattform Sciencestarter, auf der sich Wissenschaftler auch bei kleinen Forschungsprojekten von der Internetgemeinde unterstützen lassen können. Beim Dialogforum geht es nicht nur um Geld. Man will auch herausfinden, was Bürgerwissenschaftler für ihre Arbeit noch brauchen.
"Wollen die wirklich Personal oder machen die das gern in ihrer Freizeit? Sind sie vielleicht eher an Geräten interessiert oder vielleicht auch an Infrastrukturen? Und was zum Teil auch fehlt, ist ein Anerkennungssystem."
Auch etablierte Wissenschaftler müssten im Umgang mit dem Thema Citizen Sicence noch einiges dazulernen.
"Citizen Science ist nicht, billige Daten für die Wissenschaft, das ist sehr viel mehr, sehr viel breiter."
Im besten Fall würden die Wissenschaftler nämlich ihre Forschungsvorhaben den speziellen Fragen der Laien anpassen müssen, wenn sie deren Hilfe benötigten. Das geht aber nur, wenn mehr Arbeitszeit investiert wird und extra Personal. Außerdem müssten die Profi-Wissenschaftler geschult werden für die ungewohnte Situation, direkt mit forschenden Laien in Kontakt zu treten. Die interessanten Nebeneffekte solcher Forschungsprojekte zeigt das Beispiel der katholischen Schule St. Marien in Berlin-Neukölln. Dort sieht man Füchse inzwischen mit ganz anderen Augen:
"Die Schüler haben zumindest gelernt, dass sie keine Angst haben brauchen, dass sie ihnen nichts tun. Ein Mädchen sagte, glaub ich auch, sie konnte sich gar nicht vorstellen, dass sie mit so einem wilden Tier hier so Tür an Tür lebt."