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Cittaducale
Kunstlager für die Schätze aus Amatrice

Seit den vielen und teilweise schweren Erdbeben in Mittelitalien im vergangenen Jahr versuchen Kunsthistoriker, die in den Ruinen verschütteten Kunstwerke zu retten. Die geborgenen Gegenstände werden in provisorischen Depots untergebracht und wenn möglich restauriert. Es ist eine Herkulesaufgabe.

Von Thomas Migge |
    Madonna-Statuen, die aus zerstörten Kirchen in Amatrice und Accumoli geborgen wurden, stehen in einer Lagerhalle in Cittaducale (Italien).
    Die Halle, in der geborgene Madonna-Statuen aus Amatrice und Accumoli lagern, ist erdbeben- und einbruchssicher. (picture alliance / Alvise Armellini/dpa)
    Campi di Norcia am 27. Oktober 2016: In nur wenigen Sekunden brach in Folge des schweren Erdbebens in der kleinen mittelitalienischen Ortschaft die rund 800 Jahre alte Chiesa di San Salvatore zusammen. Übrig blieben nur einige Mauern und viel Geröll.

    Nachdem die schweren Nachbeben abgeklungen waren, konnte aus der mittelalterlichen Kirche ein Kruzifix gerettet werden, es war nur leicht beschädigt.

    Immer noch sind Feuerwehrleute und Kunsthistoriker in den Abruzzen und den Marken in Kirchen- und Palastruinen unterwegs, um Kircheninventar und Kunstwerke zu retten. Wie vor einigen Tagen in der barocken Kirche Santa Maria in Via in Camerino. Hier wurde ein großes Altarbild des Venezianers Tiepolo gerettet, ein Hauptwerk des venezianischen Meisters. Vorsichtig entfernte man es vom Altar und trug es aus der vom Einsturz gefährdeten Kirche ins Freie.
    Dicht an dicht stehen und liegen die geretteten Kunstwerke
    Das mittelalterliche Kruzifix und das Altarbild von Tiepolo sind jetzt in Sicherheit. Versehen mit von Hand beschriebenen Zetteln - auf denen der Bergungsort, das Datum und eine Kurzbeschreibung verzeichnet sind - lagern sie in einem Kunstdepot bei der umbrischen Kleinstadt Cittaducale, rund eineinhalb Stunden nördlich von Rom.
    Kunsthistorikern Sonia Melidei vom Kulturministerium: "Dieser Ort ist eine enorme Hilfe für uns. Genauso wichtig wie die vielen Hände, die die Kunst aus den Ruinen retten. Hier werden zahllose Kunstwerke bis auf weiteres untergebracht".
    Die junge Frau führt den Besucher durch die ehemalige Fahrzeughalle der Schule der Forstpolizei in Cittaducale. Ein erdbebensicheres und, ebenso wichtig, einbruchssicheres Gebäude am Stadtrand. Dicht an dicht stehen und liegen in diesem Depot, in Regalen bis unter die Decke, rund 3.000 vor allem Sakralkunstwerke. Die Regale sind vollgestopft mit Kunst aber, alles wirkt sehr aufgeräumt. Die Kunst stammt aus den besonders stark von den Erdbeben betroffenen Kommunen Amatrice und Accumoli: Kruzifixe und Gemälde aus verschiedenen Epochen, vor allem aus dem 14. bis 19. Jahrhundert.
    In einem der verschiedenen Gänge zwischen den Meter hohen Regalen arbeitet Kunsthistoriker Luigi Morriconi. "Wir haben auch Fresken und Statuen, besonders sensible Kunstwerke aus Gips. Das hier ist, wenn Sie so wollen, eine Kunstbaustelle".
    Vorrang bei der Restaurierung haben Meisterwerke
    Denn die aus den eingestürzten und in ihrer Statik bedrohten historischen Gebäuden in den Erdbebengebieten geretteten Objekte werden in der Halle bei Cittaducale auch restauriert – soweit das möglich ist. Vorrang haben Meisterwerke - wie etwa das Altarbild des Tiepolo aus Camerino. Die Oberfläche des Ölgemäldes wurde durch herabstürzende Deckenteile der Kirche an einigen Stellen zum Teil schwer beschädigt. In einem notdürftig eingerichteten Laboratorium innerhalb der Lagerhalle versuchen Restaurateure zu retten, was zu retten ist. Wann man mit dieser Arbeit fertig sein wird? Kunsthistoriker Morriconi schüttelt den Kopf: Er weiß es nicht. Kann er auch nicht wissen, denn es kommen immer wieder neue "Patienten" in das Depot nach Cittaducale, so nennt Aniello Gennaro Nasti von der italienischen Kunstschutzpolizei die Kunstschätze. "Eine Bilanz all dieser Arbeit kann noch lange nicht gezogen werden. Wir sind stolz, dass so viele Kunstwerke aus den Ruinen gerettet werden konnten und immer noch gerettet werden. Aber es wird Jahre dauern, bis diese Gegenstände restauriert werden können. Allein im umbrischen Tal Valnerina konnten wir mehr als 5.000 Kunstwerke retten".
    In vier Depots in vier verschiedenen Ortschaften sind derzeit über 16.000 Kunstobjekte mit einem Schätzwert von zirka 50 Millionen Euro untergebracht. Wie lange ist unklar. Werden die schwerbeschädigten Ortschaften wieder aufgebaut? Soll die gerettete Kunst in einen Museum ausgestellt werden? Oder werden die Depots zum dauerhaften Aufenthaltsort für die Kunst? Antworten auf diesen Fragen gibt es im Moment keine.
    Experten zufolge konnten rund 65 Prozent aller wichtigen Kunstwerke im Erdbebengebiet gerettet werden. Andere Kunstobjekte, können nicht geborgen werden – sie befinden sich doch in Bauwerken, die nicht mehr zu retten sind, die einstürzen werden. Immer wieder müsse man sich, so Aniello Gennaro Nasti, für oder gegen die Rettung eines Kunstwerks entscheiden – um das Leben der Kunstretter nicht zu gefährden. Für den Kunstpolizisten eine immer wieder "schreckliche Entscheidung".