"We start, everyone in position please."
Das sinfonische Blasorchester, das Streichquartett und der DJ warten schon auf ihren Einsatz. In der anderen Hälfte der Probehalle im Kölner Norden versuchen an die 50 Tänzer ihren Platz zu finden. "Circle, Circle", ruft Stephanie Thiersch, die Choreographin und künstlerische Leiterin des City Dance. Sie rennen los, bilden einen Kreis, formieren sich bis keiner mehr aus der Reihe tanzt.
"Der City Dance ist ein ganztägiger Parcours durch die Stadt, vom rechtsrheinischen ins linksrheinische, mit ungefähr 600 Performern, Musikern, Künstlern."
Und zwölf Stationen: Tanzdemo, Tanztee, Tanzkaraoke, Interventionen im urbanen Raum und der großen "Dance for all" auf dem Bahnhofsvorplatz in Köln, der gerade geprobt wird. "Wir lassen ihn da bewusst enden", sagt Thiersch. Zwischen Selfie-schießenden Touristen, der Polizei, die vor dem Sicherheitsmobil patrouilliert und der Erinnerung an die Silvesternacht, als Köln unrühmlich auf die Landkarte gehoben wurde - als eine Stadt, in der die Polizei Frauen nicht vor sexuellen Übergriffen schützen konnte und die eine noch unrühmlichere Integrationsdebatte führt.
"Es geht uns schon darum, wir bauen einen Score mit 150 Musikern und Tänzern, was besonders ist und dort stattfinden soll, um da noch mal eine andere Wertung zu setzen, den Ort umzuwerten."
Tanz für die Demokratie, wie bei Anna Halprin in den 1970er-Jahren in San Fransisco, die mit dem ersten City Dance auf die Rassenunruhen reagierte.
"Wir versuchen den City Dance in das Heute zu übersetzen, nach Deutschland, nach Köln."
Dabei haben solche Community-Dances oder Massentanzveranstaltungen in Deutschland keine Tradition: "Hier gab es das in den 20er Jahren, diese Arbeiterchor-Bewegung und das wurde durch die Nazi-Zeit unterbrochen", so Thiersch.
Kirsten Maar, die Dramaturgin von City Dance: "Wenn wir heute große Gruppen zusammen tanzen sehen, dann denken wir gleich an Massenchoreografien. Gerade das soll es ja nicht sein, sondern viele Unterschiede in einer Gruppe". "Für uns gab es zwei große Schlagwörter: Toleranz, Vielfalt.", sagt Thiersch.
"Could you go in the position?"
Mitmach Teil für alle
Die Tänzer - heute nur die Profis, nicht älter als Mitte 30, eine internationale Gruppe - proben, wie sie beim großen Abschluss des City Dance die Treppe vom Dom zum Bahnhofsvorplatz herunter schreiten, sich dann formieren, drehen, kreisen, rennen. Maar dazu: "Wir wollten halt nicht so ein 'Ringelrei mit Anfassen' machen, aber die Spiralen und Kreisbewegungen, aus denen jetzt die Tänzer ausscheren und in ihre eigene Sprache übersetzen, wo es immer wieder so eine stolpernde Gegenbewegung gibt." Die Menschenkette bricht, einer tanzt aus der Reihe.
"This is the Flashmob, can you just try it?"
Als großes Endspektakel des dreizehnstündigen Tanz-Performance-Parcours durch Köln. Thiersch dazu: "Das ist der Mitmach-Teil für alle. Das Video dazu kann man im Internet anschauen und lernen." Wer das Video sieht, denkt an den 90er-Jahre Tanz Macarena. Hände nach vorne, Hände umdrehen, Hände überkreuzt an die Schulter. "Das ist eben das, wo alle sofort reagieren können und mitmachen können. Du siehst ja, wie schwierig das schon manchmal ist, und wenn dann noch die 80-jährige Oma dazwischen steht", sagt Maar.
Visionen öffnen
Es ist selbst für die Profis nicht so leicht wie es auf den ersten Blick aussieht - so einfach ist das mit der Vielfalt in der Gemeinschaft nicht. Und vermutlich ist es auch nicht leicht, Demokratie mit Tanz wiederherzustellen, wissen auch die City-Dance-Macher.
"Also wir können mit der Kunst, die wir tun, keine sozialen Probleme lösen, aber Visionen aufmachen: Man kann Dinge versuchen in ein anderes Licht zu setzen", sagt Thiersch. Und gemeinsam den Bahnhofsvorplatz, die Stadt, die Toleranz zurück erobern. Mit dem Erbe aus den USA, das sich heute mit 'Black Lives Matter'-Kundgebungen weiterführt, und nun auch in Deutschland auf die Zerrissenheit reagiert.