Claudia Pechstein hat einen sehr langen Atem. Inzwischen ist die Eisschnellläuferin 42 Jahre alt, ihre Dopingsperre ist seit fast vier Jahren abgelaufen und noch immer dreht sie nicht nur im Eis-Oval ihre Kreise, sondern lässt auch keinen Gerichtssaal aus, in dem sie um ihre Reputation als saubere Athletin streiten könnte.
Im Frühjahr 2009 wurde sie aufgrund auffälliger Blutwerte von der Internationalen Eisschnelllauf-Union ISU für zwei Jahre gesperrt. Einen positiven Dopingtest gab es nicht. Pechstein erklärte ihre schwankenden Werte mit einer angeborenen Anomalie. Die Klagen gegen ihre Sperre hat sie in allen Instanzen verloren.
Pechstein wird jedoch nicht müde weiter zu prozessieren. Jetzt geht es um hohe Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen, fast viereinhalb Millionen Euro. Die will sie vor einem ordentlichen deutschen Gericht erstreiten. In der ersten Instanz scheiterte sie damit. Allerdings hatte das damalige Urteil eine für den organisierten Sport äußerst unangenehme Nebenwirkung: Das Gericht befand die Schiedsklausel für ungültig. Heißt: wenn Athleten – um an den bedeutenden Wettkämpfen teilnehmen zu können – die sogenannte Athletenvereinbarung unterschreiben, dann verpflichten sie sich sportliche Streitfälle nur vor Sportgerichten auszutragen und nicht vor ordentlichen Gerichten. Diese Entscheidung treffen die Athleten nun aber nicht wirklich freiwillig, weshalb das Münchner Landgericht sie auch für unwirksam erklärte.
Es droht Unsicherheit
Die Berufungsinstanz, das Oberlandesgericht München, hat heute angedeutet, dass sie diesen Aspekt stützt. Mehr sogar noch: es hat gegen den Internationalen Sportgerichtshof CAS gewettert. Dessen Richter würden mehrheitlich von Verbänden und nicht von Sportlern benannt, wodurch ein Ungleichgewicht zu Lasten der Sportler bestehe.
Wenn das Oberlandesgericht sein Urteil Mitte Januar fällt, wird die Sache aber gleich weitergereicht werden an den Bundesgerichtshof. Auf den kommt dann eine Prüfung des gesamten Konstrukts Sportgerichtsbarkeit zu. Diese Entwicklung dürfte dem Deutschen Olympischen Sportbund alles andere als recht sein. Athleten, die sich den Gerichtsweg aussuchen können, wenn sie z.B. wegen Dopings gesperrt werden. Da droht ein Klage-Wirrwarr und Unsicherheit vor allem im Umgang mit Dopingsündern. Die versuchen bei einer Sperre im Zweifelsfall durch alle Instanzen Schadenersatz zu erstreiten.
Über die Frage, ob Claudia Pechstein nun gedopt hat oder nicht, ist heute übrigens kein Wort verloren worden. Das wird frühestens in ein, eineinhalb Jahren vor Gericht nochmal erörtert. Fraglich allerdings, ob es überhaupt noch einen unabhängigen Sachverständigen gibt, den ein Gericht dazu noch befragen könnte. Die Wahrheit werden wir in dieser Sache wohl nie erfahren, unbestritten aber: Claudia Pechstein hat einen langen Atem.