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Abstreiten als Taktik
Vor 25 Jahren kam die Clinton-Lewinsky-Affäre ans Licht

Der Präsident und die Praktikantin: Die Affäre zwischen Bill Clinton und Monica Lewinsky war das Thema des Jahres 1998 in den USA. Clintons Umgang damit gilt als Blaupause für spätere Skandale. Doch die #metoo-Bewegung hat Sichtweisen verändert.

Von Nicole Markwald |
Monica Lewinsky, Kenneth Starr und Bill Clinton (v.l.)
Drei Akteure und eine Geschichte: Monica Lewinsky, Kenneth Starr und Bill Clinton (v.l.) (picture-alliance / dpa / epa AFP)
Am 26. Januar 1998 wendet sich US-Präsident Bill Clinton an die Bürger seines Landes. Er wirkt verhalten, umklammert mit der linken Hand die Ecke seines Redepults und hebt wiederholt den Zeigefinger, um seine knappe Aussage zu unterstreichen: "I did not have sexual relations with that woman, Ms. Lewinsky. I never told anybody to lie, not a single time, never. These allegations are false and I need to go back to work for the American people."

Clinton will eine Sache klarstellen: Er habe keine sexuelle Beziehung zu dieser Frau, Miss Lewinsky, gehabt. Zudem habe er niemanden gebeten zu lügen, nicht ein einziges Mal, niemals. Der Präsident weist die Anschuldigungen, die damals gegen ihn erhoben werden, als falsch zurück. "Diese Frau", Monica Lewinsky, ist eine ehemalige Praktikantin im Weißen Haus.
Unter Applaus verlässt der damals 51-Jährige den Raum im Weißen Haus, ihm folgt in einem senffarbenen Kostüm seine Frau Hillary Clinton. Sie verteidigt ihren Mann am Tag darauf in einem Fernsehinterview beim Sender NBC. Diese Angriffe seitens der Republikaner seien Teil einer fortlaufenden politischen Kampagne gegen ihren Mann, so Hillary Clinton: "From my perspective this is part of a continuing political campaign against my husband."   

Die Klage von Paula Jones

Was die First Lady "politische Kampagne" nennt, beginnt vier Jahre zuvor und mündet in einem der größten Skandale in der jüngeren US-amerikanischen Geschichte. Demokrat Bill Clinton hat gut die Hälfte seiner ersten Amtszeit hinter sich, als die ehemalige Staatsangestellte Paula Jones 1994 Klage gegen ihn einreicht. Der Vorwurf: Er habe sie Jahre zuvor während seiner Zeit als Gouverneur von Arkansas in einem Hotel sexuell belästigt. Ohne die Klage von Paula Jones wäre der Name Monica Lewinsky wohl nie weltbekannt geworden. Denn ihren Anwälten gelingt es, den amtierenden Präsidenten im Januar 1998 zu einer Vernehmung vorzuladen. Dabei befragen sie ihn auch zu seinem Verhältnis zu Lewinsky, von dem sie durch eine Kollegin Lewinskys wussten. Clinton leugnet – unter Eid.

Das lässt Kenneth Starr aufhorchen. Der Republikaner ist Sonderermittler bei Untersuchungen gegen Bill Clinton in einem ganz anderen Fall. Es geht unter anderem um eine fehlgeschlagene Immobilienfinanzierung in Arkansas in den 80er-Jahren und eine mögliche Verstrickung des Ehepaars Clinton darin, auch bekannt als Whitewater Affäre.
Kenneth Starr 1997, Sonderermittler in der Whitewater-Affäre
Kenneth Starr 1997, Sonderermittler in der Whitewater-Affäre (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Nick Ut)
Von Versuchen der Einflussnahme ist die Rede, von Interessenkonflikten der Clintons und von Bemühungen des Weißen Hauses, in die Untersuchungen der Affäre einzugreifen. Hillary und Bill Clinton haftet der Ruf an, es mit Moral und Ethik nicht allzu genau zu nehmen.

Nach der Aussage Clintons im Fall Paula Jones fragt sich Starr: Lügt der Präsident? Hat er andere, wie beispielsweise Lewinsky, zum Meineid angestiftet? Denn auch Lewinsky hatte eine Vorladung von den Anwälten von Paula Jones erhalten und bei der Vernehmung eine sexuelle Beziehung mit dem Präsidenten bestritten. Starr weitet seine Ermittlungen aus und schließt Untersuchungen zu der Affäre Lewinsky mit ein.

Michael Isikoff und seine Recherchen

Im Januar 1998 arbeitet der Journalist Michael Isikoff für das Magazin "Newsweek". Seit Monaten recherchiert auch er dem Gerücht hinterher, dass US-Präsident Clinton eine Affäre habe. Isikoff lernt Linda Tripp kennen, die zur Schlüsselfigur des Skandals wird. In einem Podcast der Politik-Webseite "Politico" erinnert er sich so an die Zeit: "Es war verrückt und irgendwie betäubend. Durch unglaubliche Umstände hatte ich von der Beziehung Clintons zu Lewinsky erfahren. Seit Monaten sprach ich mit Linda Tripp. Sie erzählte mir alles – nicht nur von den nächtlichen Telefonaten und heimlichen Treffen der beiden."
Michael Isikoff, Newsweek-Reporter, aufgenommen am 23.1.1998 im Newsweek-Büro in Washington, während er von Radio France-Journalisten zur angeblichen Affäre des US-Präsidenten Bill Clinton mit Monica Lewinsky interviewt wird.
Michael Isikoff, Newsweek-Reporter, aufgenommen am 23.1.1998 im Newsweek-Büro in Washington, während er von Radio France-Journalisten zur angeblichen Affäre des US-Präsidenten Bill Clinton mit Monica Lewinsky interviewt wird. (picture-alliance / dpa / AFP Frazza)
Im Juni 1995 startet Monica Lewinsky ihr unbezahltes Praktikum, ab November haben sie und Clinton eine Affäre. Er ist 49, sie 22 Jahre alt. 18 Monate dauert die ungleiche Beziehung. Sie treffen sich heimlich zu Gesprächen, tauschen Geschenke aus, haben Telefonsex. Zehn Mal kommt es zu sexuellen Handlungen zwischen den beiden in der Nähe des Oval Office, im Machtzentrum der USA. Vom West Wing Fellatio wird später die Rede sein, von Zigarren als Sexspielzeug und einem spermabefleckten blauen Kleid der Marke GAP. Sämtliche Details sind bekannt, weil Linda Tripp sie verrät.

Linda Tripp bringt den Stein ins Rollen

Tripp ist damals Ende 40, eine eher unscheinbare Angestellte im Verteidigungsministerium. Von Clinton hält sie wenig: Sie hadert mit seiner Politik, zweifelt nach einer Zurückstufung an ihrer eigenen Karriere im öffentlichen Dienst, ist misstrauisch, als der ehemalige Clinton-Berater Vince Foster tot aufgefunden wird – obwohl alles auf Suizid hinweist. Als Lewinsky nach ihrer Zeit im Weißen Haus im April 1996 einen Job im Pentagon antritt, freundet sie sich mit der älteren Kollegin an. Die unglücklich verliebte Monica Lewinsky vertraut ihrer falschen Freundin alles an – und die nutzt die Informationen und versucht, Clinton damit zu Fall zu bringen. Weil sie auch überlegt, ein Buch über die Affäre zu schreiben, zeichnet Tripp auf Anraten einer Verlegerin über drei Monate lang Telefonate mit Lewinsky auf. Darauf zu hören: Eine verliebte junge Frau, die sich Rat bei ihrer älteren Freundin holt. Ein Ausschnitt: „I can‘t take it anymore“, sagte Lewinsky. "I know. I know", sagt Tripp. Lewinsky: "I just can‘t. I just can‘t." Tripp: "Oh my God." Lewinsky: "It‘s just too much for one person."
Monica Lewinskys einstige Freundin Linda Tripp gibt am 29.7.1998 vor dem Bundesgerichtshof in Washington eine Pressekonferenz.
Monica Lewinskys einstige Freundin Linda Tripp gibt am 29.7.1998 vor dem Bundesgerichtshof in Washington eine Pressekonferenz. Sie hatte mit heimlichen Tonbandaufzeichnungen von Äußerungen der Ex-Praktikantin über die angebliche Affäre den Stein ins Rollen gebracht. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / KHUE BUI)
Tripp stirbt im April 2020. Eines ihrer sehr seltenen Interviews gewährt sie 2017 den Machern des Podcasts "Slow Burn": "Es wurde und wird immer von einer Affäre gesprochen. Von diesem Begriff ausgehend nimmt man an, dass es eine Beziehung war – romantisch, physisch oder was auch immer. Aber das ist weit von der Wahrheit entfernt! Es war eine Reihe von Treffen, um mit einem jungen Mädchen ein Bedürfnis zu befriedigen und sie dann eiskalt zu entsorgen."

Auf den Bändern ist auch zu hören, wie Tripp Lewinsky manipuliert und dirigiert – auf der Suche nach belastenden Informationen gegen Clinton. Später erklärt sie: "Wenn ich zurückdenke: Ich habe keine Ahnung, was ich damals erwartete. Es gab keinen Masterplan. Ich habe ganz nach Bauchgefühl gehandelt. Ich hatte Angst, habe mich schuldig gefühlt, dass ich Monica manipuliert habe. Aber ich wusste tief in meiner Seele, dass sie davon profitieren würde, dass er nicht länger in der Lage sein würde, andere zu verletzen."

Rund 20 Stunden Gesprächsmaterial landen auf dem Rekorder – und letztlich beim Sonderermittler Ken Starr. Als Journalist Michael Isikoff davon hört, ist ihm klar: Dem politischen Washington steht ein Erdbeben bevor. "Ich wusste, Washington würde explodieren. Egal, wie man es betrachtet: Es war eine Monster-Story, die genauso viel über Ken Starr und Auswüchse strafrechtlicher Verfolgung aussagt wie über die Fahrlässigkeit und Verlogenheit eines Präsidenten. Es war das Fesselndste und Nervenaufreibendste, was ich je erlebt habe."

Isikoff ist damals nur einer der Journalisten in Washington, die der Affäre auf der Spur sind – mit dem Vorteil, dass er wie Sonderermittler Starr den Inhalt der Tonaufnahmen Tripps kennt. Trotzdem bekommt sein Arbeitgeber "Newsweek" kalte Füße und entscheidet sich gegen die Veröffentlichung der brisanten Vorwürfe. Daraus macht die neuartige Nachrichtenwebseite "Drudge Report" eine Schlagzeile und überrumpelt die traditionellen Blätter.

Ab dem 21. Januar 1998 berichten die großen Fernsehsender von der Affäre. Die Bilder von der dunkelhaarigen Praktikantin mit der schwarzen Baskenmütze gehen um die Welt. Videos tauchen auf, die offizielle Termine im Weißen Haus zeigen, bei denen Lewinsky anwesend ist, Clinton anlächelt, die Hände schüttelt.
US-Präsident Bill Clinton und die Praktikantin Monica Lewinsky bei einer Weihnachtsfeier im Weißen Haus (undatierte Aufnahme)
US-Präsident Bill Clinton und die Praktikantin Monica Lewinsky bei einer Weihnachtsfeier im Weißen Haus (undatierte Aufnahme). Dieses Foto gab Sonderermittler Kenneth Starr am 21.9.1998 zusammen mit dem Video-Verhör des Präsidenten für die Öffentlichkeit frei. (picture-alliance / dpa / Consolidated)
In einer Dokumentation des Senders A&E versucht Lewinsky Jahre später, das Charisma Bill Clintons zu erklären. "Ich habe es nicht verstanden, bis ich ihn das erste Mal persönlich erlebt habe. Es hat mich beeindruckt, wie er jeden, der da war, in Besitz nehmen konnte. Nicht nur junge Frauen oder ältere Frauen, auch Männer, Homosexuelle – in seiner Nähe trat bei jedem ein Glanz in die Augen. Ich muss schon über mein jüngeres Ich schmunzeln, aber so ging‘s los."          

Nach Bekanntwerden der Affäre dominiert das Thema fast das ganze Jahr lang die Nachrichten. Das hat auch mit der Reaktion Clintons zu tun. Denn der bestreitet hartnäckig die Vorwürfe. Der Präsident verneint auch, Lewinsky zur Lüge angestiftet zu haben, wie im Interview mit dem Sender PBS. "That is not true. I did not ask anyone to tell anything other than the truth, there is no improper relationship and I intend to cooperate with this inquiry."

Doch die Republikaner treiben ein Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton voran. Die Anschuldigungen lauten auf Meineid und Behinderung der Justiz. Im Zentrum steht Clintons Aussage unter Eid bei der Vernehmung zu den Vorwürfen von Paula Jones, dass er keine Beziehung zu seiner damaligen Praktikantin Monica Lewinsky unterhalte habe.

Erst im August 1998, nach Monaten des Abstreitens, rudert Clinton zurück. Tagsüber hatte der Präsident vor der Grand Jury von Sonderermittler Ken Starr aussagen müssen – und das Verhältnis eingeräumt. Am Abend hält er eine knapp vierminütige Fernsehansprache und gibt eine "unangemessene Beziehung" zu Lewinsky zu, ein Fehler, den allein er zu verantworten habe. "Indeed I did have a relationship with Miss Lewinsky that was not appropriate. In fact, it was wrong. It constituted a critical lapse in judgement and a personal failure on my part for which I am solely and completely responsible."

Allerdings bestreitet er weiter, andere zur Lüge aufgefordert zu haben oder um die Vernichtung von Beweisen gebeten zu haben. Seine Verteidigung: Er habe zwar etwas moralisch Verwerfliches getan, aber nichts Illegales.

Der damalige "Washington Post"-Journalist Peter Baker analysiert Clintons Verhalten rückblickend: "Etwas, was sich andere Politiker von Clinton abgeschaut haben, ist die Lektion: Abstreiten funktioniert. In Clintons Fall hat es für sieben bis acht Monate funktioniert. Er sagt dem Volk: Nein, ich hatte keine sexuelle Beziehung zu dieser Frau, Miss Lewinsky. Und dann erst im August gibt er sie bei einer Befragung durch die Grand Jury doch zu. Aber da war die Öffentlichkeit schon so genervt von der Sache und jeder hatte sich ohnehin ein Urteil gebildet. Sein Geständnis hat niemanden schockiert. Hätte er das Verhältnis gleich eingeräumt, hätte ihn das vielleicht die Präsidentschaft gekostet."

Auch weiterhin gute Zustimmungswerte für Clinton

Sein Kollege John Harris fügt hinzu: "Es gab ihm meiner Meinung nach die Möglichkeit, die Frage zu ändern: auf wessen Seite seid ihr? Ich kannte niemanden, der nicht dachte, dass er diese Affäre hatte. Es war so offensichtlich, so offensichtlich! Aber darum ging es dann gar nicht mehr. Sondern darum, auf welcher Seite man steht: auf der von Bill Clinton? Oder der von Ken Starr?"

Am 11. September 1998 wird unter großem Spektakel der Bericht von Sonderermittler Ken Starr veröffentlicht: 453 Seiten stark, die Blätter füllen einen Karton. Das "Time Magazine" schreibt: "Es wäre besser gewesen, wenn Starr etwas mehr strafrechtliche Diskretion angewendet und nicht im White-House-Kamasutra-Buch geblättert hätte. Was der Präsident getan hat, pendelt zwischen albern und schmutzig. Aber die Untersuchung ist schlimmer – sie macht aus einer privaten Schlamperei einen öffentlichen Schandfleck. Starr hat uns das dreckigste Taschenbuch geliefert, das je auf einer Bestsellerliste gelandet ist."
Sonderermittler Kenneth Starr 1998 hält seinen Bericht über die Clinton-Lewinsky-Affäre in die Kamera.
Die Ermittlungen des Sonderermittlers Kenneth Starr führen zum Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Doug Mills)
Trotz seines Fehlverhaltens genießt Clinton weiterhin hohe Zustimmungswerte. Auch bei den Kongresswahlen im November 1998 können die Republikaner nicht von Clintons Negativschlagzeilen profitieren. Aber sie behaupten ihre knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus. Im Dezember 1998 stimmt das Repräsentantenhaus für eine Amtsenthebung – wegen Falschaussage und vermuteter Beeinflussung Lewinskys.

Doch im Februar 1999 endet das Verfahren in der zweiten Kongresskammer, dem Senat: 45 Stimmen für schuldig des Meineids, 55 dagegen. 50 Stimmen für schuldig der Justizbehinderung, 50 dagegen. Bill Clinton wird freigesprochen.

Clintons Umgang mit der Affäre wirkt bis heute nach, sagt Politologe Scott Basinger von der Universität Houston. Er hat sich auf die Forschung von politischen Skandalen spezialisiert: "Es war ein Wegweiser, wo wir damals als Land standen. Bei Skandalen wie der Iran-Contra-Affäre oder Watergate waren sich Politiker beider Parteien einig, dass es ein Fehlverhalten gab, das Konsequenzen haben muss. In Clintons Fall teilte sich die Reaktion schnell nach Parteizugehörigkeit auf – ein erster Hinweis darauf, in welche Richtung sich unser Land bewegen würde."

Auswirkungen auf die politische Kultur in Washington

Susan Glasser, die damals für die "Washington Post" tätig war, sagt 2018 inmitten der turbulenten Präsidentschaft von Donald Trump: "Ich habe immer geglaubt, dass Clintons anfängliches Abstreiten Schlüssel zu seinem politischen Überleben war. Und auch eine Blaupause für künftige Präsidenten, die einen Skandal zu verantworten haben. Auch Donald Trump hat davon gelernt und sich abgeschaut, wie man einen Skandal nicht nur aushält, sondern politisch für sich nutzt."

Doch der Preis ist hoch. Die politische Kultur in Washington wird mit dem Skandal zynischer und spaltender. 

Und Monica Lewinsky? Hillary nennt sie einmal "narzisstische Witzfigur". Für Bill Clinton ist sie "diese Frau". Für den Rest die bekannteste Ex-Praktikantin der Welt, für viele eine Peinlichkeit auf globaler Bühne. Journalistin Susan Glasser erinnert sich: "Es springt rückblickend ins Auge, wie altmodisch und sexistisch alle Frauen in den damaligen Artikeln beschrieben wurden, insbesondere Monica Lewinsky. Ihre Aufrichtigkeit wurde infrage gestellt, alles an ihr wurde seziert: ihr Aussehen, ihre Kleidung, ihre Unreife, ihr Hang, mit Linda Tripp über Sex zu sprechen. Es gab eine tiefsitzende Skepsis gegenüber ihrer Darstellung, mit dem Präsidenten eine sexuelle Beziehung zu haben." Doch am Ende stellte sich heraus, dass sie die ganze Zeit die Wahrheit gesagt hat.

Juliet Williams ist Professorin für Frauen- und Geschlechterforschung an der University of California in Los Angeles. Wie ist heute die Clinton-Lewinsky-Affäre zu deuten, auch angesichts der #metoo-Bewegung, die in der breiten Öffentlichkeit eine Debatte über sexuelle Gewalt und Belästigung losgetreten hat?

"Eine Errungenschaft der Bewegung ist die Erweiterung unserer Sprache. Wie wir über den Missbrauch von Macht reden. Ein Einverständnis bedeutet nicht automatisch, dass beide auf Augenhöhe sind. Speziell im Jobbereich. Geht es um einen Chef oder Vorgesetzten ist uns heute viel klarer, dass es um eine Person mit Macht und eine unterlegene Person geht", sagt Williams.

Lewinsky lebt heute im Norden Kaliforniens. 2018 stellt sie in einem Gastbeitrag für die "Vanity Fair" die Freiwilligkeit ihrer sexuellen Beziehung mit Clinton infrage: "Ich sehe erst jetzt, wie problematisch es war, dass wir beide überhaupt zu dem Punkt kamen, an dem es eine Frage von Einvernehmen war. Der Weg dahin war gepflastert mit dem unangemessenen Missbrauch von Autorität, Posten und Privilegien."

In dem Podcast "Sway" der "New York Times" sagt sie im Oktober 2021 über Bill Clinton:  "Ich finde, er hatte die Möglichkeit als Staatsmann im Ruhestand sich in die #metoo-Debatte einzubringen. Verantwortung zu übernehmen – wenn er sich denn weiterentwickelt hätte. Ich kannte nur einen Teil von ihm und habe das fälschlicherweise für den ganzen Menschen gehalten. Aber ich kenne ihn nicht. Ich habe seit über 20 Jahren nicht mit ihm gesprochen. Ich weiß nicht, wer er heute ist."