Armin Schuster (CDU), Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, sagte im Deutschlandfunk, er sei zwar gegen den gezielten Aufbau einer Gegenspionage gegen westliche Bündnispartner. Ein automatisches Löschen des Beifangs hielte er jedoch für "zu brav". Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes solle die abgefangenen Nachrichten vorgelegt bekommen und dann im Einzelfall entscheiden, ob sie vernichtet werden oder nicht.
Schuster vermutet außerdem, die USA könnten ein vitales Interesse daran haben, medial gegen die Enthüllungen in Deutschland vorzugehen. Deshalb sei es wichtig, zu wissen, ob die nun entdeckten Mitschnitte des Clinton-Telefonats auch auf der Datei waren, die der mutmaßliche amerikanische Spion im BND an die Amerikaner versendet habe. Dieser ist nach derzeitigen Vermutungen auch für die Vernichtung der Telefonmitschnitte beim BND zuständig gewesen.
Zu den Berichten über eine gezielte Überwachung des Nato-Bündnispartners Türkei erklärte Schuster, er wäre überrascht, wenn der Nachrichtendienst dort keine Aufklärung betreibe. Das Land habe eine extrem wichtige geostrategische Lage und es gehe möglicherweise um die Sicherheit Deutschlands. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte gemeldet, die Türkei werde im weiterhin gültigen Auftragsprofil der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 als offizielles Aufklärungsziel genannt.
Das Interview in kompletter Länge:
Bettina Klein: Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste ist der CDU-Abgeordnete Armin Schuster, er ist zugleich Obmann seiner Partei im Innenausschuss. Ich grüße Sie, Herr Schuster!
Armin Schuster: Guten Morgen!
Klein: Abhören unter Freunden geht gar nicht, das berühmte Zitat der Bundeskanzlerin. Demnach ist Hillary Clinton keine Freundin und John Kerry kein Freund, oder wie verstehen wir das?
Schuster: Also ich würde, wenn es um Nachrichtendienste, den Begriff Freunde sowieso am liebsten vermeiden. Der Begriff Partner gefällt mir viel besser, was aber nicht bedeutet, dass ich davon ausgehe, dass der BND gezielt die USA ausspäht. Ich sage mal, eine Gegenspionage gezielt gegen die USA zu betreiben, würde beim BND ... ein Potenzial würde man dort benötigen, das gibt's dort gar nicht.
Klein: Bleiben wir bei den bekannt gewordenen Fällen gerade. Es heißt ja auch, das sei nur zufällig abgehört worden, sogenannter Beifang. Und bis vor einem Jahr wurde das aber nicht etwa ungelesen vernichtet, wie es wohl jetzt üblich ist, sondern es wurde dem BND-Präsidenten auf den Schreibtisch gelegt. Vor diesem Hintergrund: Wie glaubwürdig ist eigentlich die Empörung der Bundesregierung über die Aktivitäten, die wir hierzulande gesehen hatten?
Schuster: Also das finde ich schon glaubwürdig, weil ja genau das, was jetzt in dem Fall bewiesen wird, immer wieder auch unsere Antworten waren. In Deutschland werden Nachrichten oder zufällig aufgenommene Ergebnisse sofort vernichtet. Die Idee, dass das durch den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes entschieden wird, hielt ich übrigens für gut, angesichts dessen, was wir in den letzten Monaten erfahren haben, was gegen uns läuft. Also ich muss ganz ehrlich sagen, dass wir jetzt automatisch vernichten, ohne dass irgendjemand etwas sieht, das erscheint mir angesichts des letzten Jahres eher zu brav.
Klein: Also bis vor einem Jahr war es ja so Praxis, es wurde nicht vernichtet, sondern es wurde gelesen. Und das halten Sie für angemessen und das sollte Ihrer Meinung nach auch weiter so geschehen?
Schuster: Wenn der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, wie er es in diesem Fall wohl getan hat, diese Nachricht vorgelegt bekommt und dann entscheidet, wer ist das überhaupt, der mir da vorgelegt wird, was steht da drin, und jetzt wird vernichtet, halte ich das für richtig. Ein automatisiertes Vernichten, das müssen Sie mal in den Kontext stellen zu der Diskussion, die wir gerade haben, brauchen wir eine Gegenspionage. Ich bin gegen den Aufbau einer Gegenspionage gegen unsere westlichen Partner, aber das ist das andere Extrem, dass alle Nachrichten, die aufgenommen werden, quasi roboterhaft vernichtet werden. Wir werden angegriffen. Und dann würde ich bei einem solchen Beifang hinschauen und dann die Entscheidung fällen. Dass der Präsident des BND in diesem Fall nahezu immer die Entscheidung fällt, bei Partnern, Schrägstrich Freunden wird vernichtet, ist klar, aber er sollte es tun.
Klein: Aber ich verstehe Sie schon so, dass man a) nicht von Freunden, sondern von Partnern sprechen sollte, und b) dann eben auch realistisch genug sein sollte, dass es möglicherweise eben auch von Interesse für deutsche Geheimdienste sein könnte, was Politiker aus Partnerstaaten am Telefon sagen und dass das gut auch mitgeschnitten werden sollte.
Schuster: Ja, das ist. Wenn der Präsident einer obersten Bundesbehörde in dem Land, der für Nachrichtendienst zuständig ist, diese Entscheidung fällt, der Mann ist seriös ausgesucht, dann halte ich das für absolut rechtsstaatlich und richtig.
Klein: Und für das Parlamentarische Kontrollgremium der Geheimdienste besteht da Ihrer Meinung nach kein Aufklärungsbedarf, wie das etwa der Grünen-Politiker Konstantin von Notz gerade gefordert hat, der sehr empört darüber war, welche Aktivitäten vom BND eigentlich ausgehen?
Schuster: Gut, natürlich müssen wir im PKGR diesen Fall besprechen, nur die Skandalisierungsautomatik der Opposition, da ist man ja praktisch schon immun dagegen. Dass Korte von einem "Staat im Staate" spricht, finde ich infam, ist eine Unverschämtheit, so eine Formulierung über den BND zu erwähnen. Wir müssen im Parlamentarischen Kontrollgremium schon deshalb aufklären, weil ich wissen möchte, was ist denn eigentlich dran, dass das in den Dateien war, der Beamte des BND verraten haben soll. Wir wissen ja auch nicht, was die Amerikaner möchten, das wir erfahren oder was die Öffentlichkeit erfährt, das müssen wir alles im Parlamentarischen Kontrollgremium aufklären. Aber...
Klein: Ich hab noch nicht verstanden, Herr Schuster, was ist die wichtigste, dringendste Frage, die Sie im Parlamentarischen Kontrollgremium geklärt haben möchten?
Schuster: Stimmt es, dass diese Daten auf der Datei waren, die man bei dem Beamten gefunden hat, die er angeblich in die USA gespielt haben soll. Zweitens, wie schätzt der BND das ein, was dort gefunden wurde, was sagt die Generalbundesanwaltschaft, sind das vielleicht Daten, die wir finden sollten?
Klein: Was heißt das?
Schuster: Na, dass zum Beispiel die Amerikaner ein vitales Interesse daran haben könnten, quasi einen medialen Gegenangriff zu fahren gegen das, was in Deutschland gerade an Empörung über deren Verhalten um deren NSA in der Öffentlichkeit stattfindet.
Klein: Ja, also es waren ja offenbar nicht nur amerikanische Politiker, die da zufällig oder nicht abgehört wurden, laut Berichten von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR, da handelte es sich um mehrere Politiker befreundeter Staaten, das ist alles noch nicht ganz im Detail jetzt an die Öffentlichkeit gedrungen. Was aber jetzt auch rausgekommen ist, die Türkei spionieren wir auf jeden Fall aus, obwohl das ein NATO-Partner ist. Ist das in Ordnung Ihrer Meinung nach?
Schuster: Ja, wir wissen ja nicht, was dort aufgeklärt wird – ich will mal den Begriff spionieren vermeiden. Ich glaube, es ist jedem klar, die Türkei hat eine extrem wichtige geostrategische, geomilitärstrategische Lage, zumal als Scharnier zwischen Europa und dem arabischen Raum. Es fallen mir tausend Gründe ein, warum es wichtig ist, zu wissen, was dort passiert.
Klein: Aber so argumentieren die Amerikaner auch mit Blick auf europäische Staaten, wo sie spionieren.
Schuster: Können Sie noch mal wiederholen, das hab ich nicht verstanden!
Klein: So ähnlich argumentieren die Amerikaner ja auch mit Blick auf europäische Staaten, wo sie spionieren, weil sie sagen, das ist von strategischem Interesse und wir müssen einfach sichergehen, dass wir alles wissen, was wir wissen müssen an der Stelle.
Schuster: Nur dass wir, wenn wir jetzt von der Türkei sprechen, ja jetzt nicht unterstellen, dass hier beispielsweise Erdogan ausspioniert wird. Wenn der Bundesnachrichtendienst in der Türkei aufklärt – ich wäre eher verwundert, wenn er es nicht täte, wenn das nicht Aufklärungsziel wäre –, dann kann es um militärische Fragen gehen, dann kann es um die Sicherheit Deutschlands gehen – ich sage mal das Beispiel radikale türkische Gruppen, die viel Einfluss in Deutschland haben. Also ich kann mir unglaublich viele Gründe vorstellen...
Klein: Aber bisher, Herr Schuster, ja, bisher, Herr Schuster, galt aber, EU-Staaten und NATO-Staaten werden nicht flächendeckend überwacht. Nun stellt sich heraus, die Türkei hat man überwacht, aber Sie sagen, da muss es eben auch Ausnahmen geben, Stichwort Staaten sind keine Freunde, sondern sind Partner, die man zur Not auch überwachen muss.
Schuster: Nein, ich. Also ich bin ein Anhänger einer 360-Grad-Spionageabwehr. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Bundesnachrichtendienst Aufklärungsaktivitäten gegen die Türkei gefahren hat, die letztlich der Spionageabwehr in Deutschland dienen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf ja nicht im Ausland arbeiten. Es gibt aber Dinge, die im Ausland passieren, die zu unserem Nachteil im Innern sind. Und wenn man da einen Verdacht hat, dann kann das nur der Bundesnachrichtendienst aufklären und niemand sonst. Und das erwarte ich in dem Falle auch, es geht um die Sicherheit Deutschlands.
Klein: Also offenbar noch einiger Aufklärungsbedarf, auch für die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste im Deutschen Bundestag, und wir sprachen darüber mit dem CDU-Abgeordneten Armin Schuster. Vielen Dank für das Interview, Herr Schuster, schönen Tag noch!
Schuster: Danke schön!
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