Mehrere Wochen vor ihrer ersten großen Wahlkampfrede war Hillary Clinton unterwegs – auf ihrer sogenannten „Zuhörer-Tour". Sie wollte, so ihre Wahlkampfmanager, zunächst einmal hören, was die Anliegen normaler Amerikaner sind. Das hat einen Grund: Die mittlerweile gutverdienende ehemalige Außenministerin steht, anders als ihr Mann Bill, unter dem Dauerverdacht der Distanziertheit und Abgehobenheit.
Ehrliches Interesse und ehrliche Demut sollten demonstriert werden, bevor sich die Kandidatin auf klassisch-politisches Terrain begab. Allerdings steht die Pflege von Wählerkleingruppen in den wichtigen Vorwahlstaaten wie New Hampshire und Iowa immer auf der politischen Pflichtenliste der Kandidaten.
In New York trat Hillary Clinton auf der "Roosevelt Insel" zu ihrer ersten größeren Rede des Wahlkampfes vor einer Heimspielkulisse an – im Rücken die New Yorker Skyline.
"Wir können nicht tatenlos zusehen, wie die Ungleichheit wächst, die Löhne stagnieren, und der amerikanische Traum sich auflöst."
Hillary Clinton stellte Wirtschaft und Chancengerechtigkeit in den Mittelpunkt. Ihr Appell war deutlich linksgerichteter und auf die Arbeitnehmerschaft gezielter, als man es sonst von ihr gewohnt war – eine Verbeugung vor einer nach links gerückten demokratischen Partei und vor einer durch die Wirtschafts- und Finanzkrise verunsicherten amerikanischen Mittelschicht. Sie wolle nicht nur antreten für investitionsbereite Unternehmer und innovationsfähige Unternehmen, so Hillary Clinton.
"Sondern auch für die Fabrikarbeiter und die Kellnerin, für die Krankenschwester, die Nachtschicht arbeitet, für die Trucker, die Farmer, die Armeeveteranen und für die kleinen Unternehmer, die hohe Risiken eingehen."
Clinton wäre zweitälteste Person im Präsidentenamt
Staatliche Förderung der College-Ausbildung, familienfreundlichere Arbeitszeitregelungen, besseren Zugang zu Kindergärten, bezahlte Krankheitstage, das ist das sozialstaatliche Instrumentarium, das Hillary Clinton aufblättert. Mehrfach sprach sie die Gleichberechtigung homosexueller Paare an und forderte eine neue Einwanderungspolitik. Unübersehbar versucht Hillary Clinton, die Obama-Wählerkoalition zusammenzuhalten.
Offensiv wirbt sie um die Stimmen von Frauen – und setzt sich mit ihrem Alter auseinander. Falls sie gewählt würde, wäre sie mit 69 Jahren bei ihrem Amtsantritt - nach Ronald Reagan - die zweitälteste Person, die je ins Präsidentenamt gekommen wäre. Ein Thema, dass republikanische Gegner nicht explizit ansprechen, aber deutlich durchklingen lassen. Hillary Clinton macht aus dieser Not eine Tugend.
"Ich wäre zwar nicht der jüngste Präsident, aber ich wäre die erste Frau als Präsidentin in der Geschichte der Vereinigten Staaten."