Dirk Müller: Am Telefon ist nun der amerikanische Politikwissenschaftler Andrew Denison, der als bekennender Anhänger der Demokraten fast auch immer Demokraten gewählt hat. Guten Tag!
Andrew Denison: Ja, so ist es.
Müller: Herr Denison, ist es jetzt passiert? Müssen Sie jetzt etwa für Hillary Clinton stimmen?
Denison: Es ist so, dass ich schon lange Probleme mit ihr hatte, und je stärker Trump wurde, desto mehr wollte ich sie gern haben und habe auch gehofft, sie wird Gravitas finden. Ich denke, sie hat das gefunden in ihrem historischen Erfolg auch, dass sie das geschafft hat.
Müller: Hört sich jetzt ein bisschen so an, als dass Sie sie wählen, weil Sie Donald Trump verhindern müssen.
Denison: Das ist sicher wichtig. Ich muss auch sagen, Herr Müller: Als ich gehört habe, trotz meiner Skepsis gegenüber dieser Frau, dass sie die Nominierung hat, hatte ich ein Gefühl der patriotischen Euphorie. Denn dieses Land, worauf ich stolz bin ist, dass es immer wieder versucht, untrennbar Freiheit und Gerechtigkeit für alle, wie Hillary Clinton auch gestern zitiert hat, dass dieses Land immer wieder versucht, das zu schaffen. Und es ist historisch wie ein schwarzer Präsident, dass eine Frau wahrscheinlich wenigstens die demokratische Nominierung hat.
Das heißt, ich denke anderen geht es auch so. Sie haben viele Fragen gegenüber Hillary Clinton, aber jetzt, wenn sie das geschafft hat, diesen historischen Moment, das wird sicher bei den Meinungsumfragen auch eine größere Unterstützung zeigen.
Stärke und Durchsetzungsvermögen von größter Bedeutung
Müller: Aber ist das inzwischen in Amerika schon ein Qualitätskriterium, dass man historische Momente erreicht hat? Die Bilanz beispielsweise bei Barack Obama sieht ja sehr, sehr gemischt aus. Jetzt kommt Hillary Clinton als erste Frau auch historisch. Reicht das schon aus, um zu sagen, na ja, gut, dann ist sie auch die Richtige?
Denison: Es reicht nicht aus. Es ist nebenbei interessant. Natürlich ist der Kampf, der ihr bevorsteht, ein sehr wichtiger, weil noch nie hat Amerika so einen Kandidaten wie Donald Trump gehabt. Und vielleicht muss man sagen, diese Frau, keiner hat härter gearbeitet für diese Nominierung als sie, weil leider es so ist, dass Frauen oft viel härter arbeiten müssen, um das gleiche zu erreichen wie Männer.
Aber diese Stärke, dieses Durchsetzungsvermögen ist natürlich von größter Bedeutung, wenn sie gegen Trump jetzt auftreten wird. Und Herr Müller, ich würde sagen, Hillary Clinton kann sehr gut im Angriff sein, und das haben wir in den letzten zwei Reden gesehen.
Nur bisher hat sie immer Probleme auch gerade als eine Frau, dieses aggressive Profil zu zeigen, weil das oft falsch ankam. Aber gegenüber Trump, da kann sie die Boxerhandschuhe abnehmen, und ich denke wirklich in die Offensive gehen und gleichzeitig für Einheit und unzertrennbar - Freiheit und Gleichheit für alle stehen, wie sie das tut, also eine gewisse Aufhebung des Widerspruchs in diesem Kontext.
Einen Platz gefunden, den sie nutzen kann
Müller: Aber kann es denn sein, weil wir haben ja auch häufiger an dieser Stelle, auch wir beide darüber geredet und Sie hatten immer diese Skepsis gegenüber Hillary Clinton, haben Sie eben ja auch eingeräumt. Jetzt sagen einige, auch Sie haben das in den Tenor jetzt gebracht, sie ist ein bisschen besser geworden, was in Deutschland schwer nachzuvollziehen ist. Ist sie wirklich jetzt besser geworden im Wahlkampf? Wie auch immer, wir können das nicht beurteilen und bewerten. Wir wollen ja, dass Sie das für uns tun. Aber kann es sein, dass Sie eine Frau ist und trotzdem nicht gut?
Denison: Ja, natürlich kann das auch sein. Und wir haben die Schwächen von Hillary Clinton gut diskutiert und analysiert. Aber viele Beobachter in Amerika sagen, sie hat in der letzten Woche auch mit zwei Reden in San Diego über Sicherheitspolitik und jetzt gestern Abend in Brooklyn über ihren Sieg und ihr Vorhaben gezeigt, dass sie eine neue Figur gezeigt hat und dass sie vielleicht ihre Stimme gefunden hat. Ihre Schwäche ist natürlich, dass sie keine natürliche Stimme hat, aber in diesem Kontext und mit diesem Gegner hat sie vielleicht einen Platz gefunden, den sie wirklich nutzen kann, um nicht nur die Demokraten zu einigen, sondern eventuell auch die Republikaner so zu erledigen, dass sie sich modernisieren müssen, nicht grand old party, sondern eine neue republikanische Partei, die Frauen, die Minderheiten, die Jugendliche ansprechen kann.
"Es ist schwierig für Bernie Sanders, dieses Flugzeug zu landen"
Müller: Reden wir über den Konkurrenten, der jetzt gegen sie offiziell noch im Rennen ist, weil es gab viel Verwirrung heute Morgen auch hier in der Redaktion, in vielen Redaktionen. Hat sie jetzt schon tatsächlich die Mehrheit erreicht beim Nominierungsparteitag, ganz gleich ob die Superdelegierten …
Denison: Ja, Herr Müller, das habe ich auch gesehen. Aber es ist immer schwierig: die genaue Auszählung und die Delegierten und die komplizierten Regeln und Bernie Sanders will nicht schnell aufgeben, und das war komisch mit der Erklärung von Associated Press, dass sie das gehabt hat, ein bisschen voreilig vielleicht. Aber wenn der Staub sich verzieht, dann, denke ich, haben wir das. Sie hat auf jeden Fall, Herr Müller, eine größere Wahrscheinlichkeit, die demokratische Nominierung zu bekommen, als der Donald Trump, der immer noch wirklich unter Freunden Feinde macht.
Müller: Um das jetzt heute Mittag um 12:21 Uhr im Deutschlandfunk noch mal festzuhalten. Wir können jetzt noch nicht zu 100 Prozent sagen, dass sie es geschafft hat?
Denison: Ja, okay.
Müller: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch?
Denison: Nicht zu 100 Prozent, aber es gibt nie 100 Prozent in Wahlauszählungen. - Es ist so, dass die Auszählung eine Weile dauert, und dann werden wir es wissen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß.
Müller: Die Wahrscheinlichkeit ist groß. - Bernie Sanders, der sagt - und der kennt die Zahlen ja mindestens genauso gut wie wir -, er macht weiter. Er will in Washington antreten, eventuell geht er sogar noch auf den Nominierungsparteitag als Gegenkandidat. Warum macht er das?
Denison: Wenn ich an vor acht Jahren denke und es war an diesem Tag, dass Hillary Clinton gesagt hat, ich mache auch weiter, kurz davor, obwohl sie verloren hat - es dauert eine Weile, bis die Leute wirklich sagen, nicht nur ich will alles tun, um Trump den Sieg zu verhindern, sondern ich werde auch aufgeben. Es ist schwierig, dieses Flugzeug zu landen, sagt man. Die Wahrscheinlichkeit, dass er bis zum Parteitag weiter kandidiert, denke ich, ist gering. Aber er ist ja in Verhandlungen. Er wird mit Barack Obama sich treffen. Und er kann auch seine Tagesordnung, seine politische Agenda gegen die Reichen, mehr Bildung umsonst und anderes in Hillary Clintons Kampagne einfalten.
Er ist aber ein natürlicher Auswuchs von Barack Obama, ein Demokrat, der immer wieder Kompromisse machen musste, und die Fundis - die gibt es ja auch bei den Demokraten, nicht nur die Realos - waren enttäuscht und frustriert mit all diesen faulen Kompromissen und Bernie Sanders hat sie gut angesprochen. Aber im Herbst müssen sie nicht diese Gesinnung, sondern Verantwortungsethik im Kopf haben.
Müller: Amerikanische Spielfilme, die wir gucken, gehen ja meistens gut aus. Das heißt, Hillary Clinton müsste jetzt nur Bernie Sanders zum Vizepräsidenten machen und hätte dann eine Riesenbasis?
Denison: Ja, so einfach ist das nicht. Vielleicht zum Außenminister, wenn wir an Obama und Clinton denken. Es ist immer gut, wenn die Rivalen dann doch zu Partnern werden, so schwierig wie das ist. Die ganze Organisation der beiden Kampagnen muss sich jetzt auch abstimmen, wie sie weiter vorgehen, denn Bernie Sanders hat Listen, die Hillary Clinton haben will.
Müller: Dann reden wir über das große Duell. Mit großer Wahrscheinlichkeit kommt das ja zustande, noch nicht mit hundertprozentiger Genauigkeit und Bestätigung, wie wir gerade festgestellt haben. Also Clinton gegen Trump. Ist das, jetzt heute interpretiert, ein offenes Rennen?
Frauen, Minderheiten, Jugendliche stimmen grundsätzlich für Demokraten
Denison: Ja. Die neuesten Meinungsumfragen haben ein Kopf an Kopf Rennen gezeigt, als Trump die Nominierung bekommen hat und Hillary sie noch nicht bekommen hat. Die demographischen Faktoren, die ich schon erwähnt habe, die Frauen, die Minderheiten, die Jugendlichen, die stimmen grundsätzlich für Demokraten.
Die Republikaner werden es schwierig haben, Wahlbeteiligung in den wichtigsten Bundesstaaten Florida, Ohio, Virginia und anderswo zu bekommen. Aber hey, nichts ist sicher in der Politik und Hillary Clinton weiß, es kann schiefgehen, sie weiß, wie schwer sie arbeiten muss, weil es immer wieder Eindrücke von ihr gibt, die sie sehr schwächen können. Sie kennt die Überraschungen der Politik. Nicht nur das, Herr Müller: Wenn sie einen guten Wahlkampf macht, kann sie diesen Apparat dann beim Regieren benutzen, um gegenüber dem Kongress aufzutreten, und die Gesetzgebung, die sie will, durchzubekommen.
Müller: Vielen Dank an Andrew Denison, amerikanischer Politikwissenschaftler und bekennender Demokrat. Danke für die offenen Worte, Ihnen noch einen schönen Tag.
Denison: Mein Vergnügen!
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