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Club-Gründer Dimitri Hegemann
"Der Techno wird Detroit retten"

Dimitri Hegemann hat einen der berühmtesten Techno-Clubs der Welt gegründet: den inzwischen wiederbelebten "Tresor" in Berlin. Nun will er in Detroit das Gelände der ehemaligen Packard-Werke zum Leben erwecken - mit Beats und Bed & Breakfast.

Dimitri Hegemann im Gespräch mit Fabian Elsäßer |
    Der "Tresor"-Gründer Dimitri Hegemann
    Der "Tresor"-Gründer Dimitri Hegemann geht nach Detroit, um dort einen Techno-Club zu eröffnen. (Marie Staggat)
    Fabian Elsäßer: Wir sind jetzt telefonisch mit ihm verbunden, hallo Herr Hegemann!
    Dimitri Hegemann: Ja, hallo nach Köln!
    Elsäßer: Herr Hegemann, wieso ausgerechnet Detroit und wieso ausgerechnet die Packard-Werke?
    Hegemann: Also Detroit deshalb, weil da habe ich noch eine Rechnung offen. Detroit-Techno hat und damals, als die Mauer fiel, den richtigen musikalischen Impuls nach Berlin geliefert. Also ich bin so ein bisschen Schuld an dieser Musikform und hab sie nach Berlin geholt, aber es war am richtigen Ort zur richtigen Zeit das Signal zum Aufbruch, also ein Thema, das die Kids aus Ost- und Westberlin zusammenführte. Und es war nicht nur die Musik, sondern auch die Räume, die Verbindung, die Kombination der Party, das 'Togetherness' sage ich mal, in dunklen Räumen die neue Freiheit zu feiern. Also Detroit lieferte den Soundtrack, die Musik, und jetzt nach 25 Jahren habe ich gedacht, wir könnten mal den Deckel bezahlen und ihnen, den Detroitern, die jetzt Hilfe brauchen, etwas über Strukturen erzählen. Und zwar die Geschichte, wie Berlin sich entwickelt hat, zu seinem Vorteil.
    "Wir brauchen einen Leuchtturm"
    Elsäßer: Wie wurde das aufgenommen, dass jetzt ausgerechnet ein Berliner sozusagen Kulturimperialismus in die andere Richtung betreibt, den Spieß umdreht, oder wie sie sagen 'einen Deckel bezahlen', das ist ja eigentlich nett gemeint, wie wurde das aufgenommen? Was waren da so die Reaktionen?
    Hegemann: Ja, Kulturimperialismus, das würde ich mal nicht nennen, aber die waren ... Im Grunde bin ich da nicht einmarschiert, so ein Konquistador, sondern ich bin seit 25 Jahren mit Detroit eng verbunden, mit den kreativen Köpfen dort. Nicht nur mit den Musikern, sondern ich habe auch die Stadt beobachtet. Ich habe also eine Beziehung zu der Stadt, die mich sehr fasziniert hat. Ich habe irgendwann ja auch festgestellt, dass ich eine Leidenschaft habe für Raumforschung, also für Ruinen, und vor allem meine Mission ist eher so das Wandeln dieser Ruinen in Kulturräume und Detroit bietet vieles davon. Detroit, habe ich festgestellt, hat das Problem, dass zu wenig Leute dort sind und ich habe überlegt, was kann man eigentlich tun? Ich bin dann zu dem Schluss gekommen, es ist nicht die Shoppingmall und auch nicht das fehlende Kasino, sondern wir brauchen einen Leuchtturm. Wir brauchen eine Geschichte, die ähnlich an die von Berlin angedockt wird, weil Detroit hat eine unglaubliche Musikgeschichte, sehr viele Trümpfe, von Motown, von Iggy Pop, von Madonna, von Eminem und natürlich auch Detroit Techno und das wird gar nicht ausreichend gewürdigt. Wenn man sich mal überlegt, dass Detroit Techno den Impuls setzte für die größte Jugendbewegung des letzten Jahrhunderts, also die Bewegung für elektronische Musik, und dann feststellt, dass die Mitglieder im Council das überhaupt nicht wissen, dann wundert man sich schon. Also die für mich wirklich wichtigsten DJs kommen aus dieser Stadt, aus Motor City. Aber es gibt keinen guten Club dort.
    Elsäßer: Das wollte ich nämlich gerade fragen. Also es gibt keine Szene, an die sie anknüpfen können zurzeit.
    Hegemann: Also die Szene ist zwar da, aber es gibt die Spielstätten nicht. Wenn du keine Spielstätte, keinen Raum hast, keinen physisch begehbaren Raum, der auch passt, dann funktioniert das nicht. Das ist das eine und das andere ist, dass Berlin wesentlich bessere Rahmenbedingungen hat als Detroit. Stellen Sie sich mal vor, nach dem Mauerfall hätten wir eine Polizeistunde gehabt, eine 2 a.m., wie man in Detroit sagt, also 1.30 Uhr Last Order, dann würde Berlin heute anders aussehen. Also habe ich dem Council, dem Bürgermeister gesagt, eins der wichtigsten Dinge ist, versuch, die Sperrstunde aufzuheben. Halte Detroit 24 Stunden auf. Dann wird sich das selbst verändern. Dann kommen auch die Leute von überall aus Amerika und bringen Ideen mit. Wenn man sich die Geschichte Berlins ansieht, als das 1949 geschah, die Aufhebung der Sperrstunde, da ging es nämlich los. Dann haben die großen Restaurants wieder Bälle veranstaltet, das Filmfestival startete und viele Aktivisten kamen nach Berlin und bauten das, was Berlin so interessant gemacht hat, auf.
    Elsäßer: Denn hier und da gibt es ja schon seit einigen Jahren in Detroit auch Versuche, diese Brachen zu nutzen, also sei es innerstädtische Landwirtschaft, hier und da auch schon Atelierräume, wie groß ist denn der Verfall eigentlich wirklich? Man liest ja und hört auch viel darüber. Statt 1,6 Millionen in den 60ern sind es jetzt noch 700.000. Also wie haben Sie das optisch wahrgenommen?
    Hegemann: Das ist schon manchmal für uns Europäer unglaublich, wenn man in so eine moderne Akropolis hineinfährt und sieht, was da so passiert. Also es ist, wie man sagt, die 'Fascination of Decay', also das hat mich auch sehr überrollt und das hat mich auch irgendwie an die Stadt gebunden. Also ich mag diese Stadt wirklich. Das ist so eine Art Objektliebe, auf der einen Seite. Man sagt, Sie haben Recht, also dieses Urban Gardening, da gibt es 1500 Gärten, ein Haus brennt ab, dann steht es ein Jahr da und dann kommt die Nachbarschaft und baut einen Garten, einen Nutzgarten, den sie auch nutzen. Es gibt sehr tolle Sachen, wo wir viel lernen können von Detroit.
    "Gebt der Jugend ihren Raum"
    Elsäßer: Aber sind überhaupt noch genug Junge da? Da gab es ja riesige Abwanderungswellen. Also hätten Sie überhaupt das Publikum oder müssen Sie wirklich darauf setzen, dass es dann amerikaweit, also USA-weit ...
    Hegemann: Weltweit! Also ja, ich glaube, ich setze auf den weltweiten Tipp 'Move to Detroit!', das würde ich ausprobieren. Ich glaube, wenn ich jetzt einen bestimmten Raum, jetzt nicht der Packard, da komme ich gleich zu, aber sage ich mal den ehemaligen Hauptbahnhof Central Michigan Detroit, nur die Lobby, nutzen könnte für zehn Jahre, das wäre innerhalb von 14 Tagen so populär als Techno Club, weil ich glaube an diese Energie dieser Musik, dass Techno Detroit retten wird.
    Elsäßer: Reden wir da von Zwischennutzungen oder von Dingen, die wirklich bleiben?
    Hegemann: Zwischennutzungen, aber der Club würde bleiben. Ich meine, das, was Berlin immer noch so beliebt macht bei der Jugend in der Welt, sind die Techno Clubs. Das ist die Nacht vor allen Dingen. Ich nenne das mal die 'Night Time Economy'. Die 'Night Time Economy' funktioniert in Detroit nicht und deshalb haben wir dann überlegt, dass wir vielleicht eine bestimmte Zone angehen, die wir bei der Packard Plant im Grunde ansiedeln würden und wo wir verschiedene Module aufbauen. Das heißt ein Hostel, also 100 Betten für Detroit. Es gibt glaube ich nur ein Hostel mit sechs bis sieben Betten noch da. Und dann habe ich überlegt eine Ausstellungsfläche, aber mehr so im Industrial Design. Ich hatte den Bürgermeistern immer geraten, zwei Dinge: Gebt der Jugend ihren Raum, lasst sie mal rumbuzzen. Sagen: 'Gut, das geht, das geht nicht'. Das zweite ist einfach, erlaubt Zwischennutzung. Also Liegenschaften, die der Stadt gehören, gib sie den kreativen Leuten. Biete es wirklich an, anstatt zu warten bis der große Investor kommt und die etwas teure Ground Tax zahlt.
    Elsäßer: Städteplanerische Visionen aus Berlin für Detroit: Dimitri Hegemann hat großes vor mit der Packard Motor Plant, seit Jahrzehnten brachliegende Autofabrik. Herr Hegemann, vielen Dank für das Gespräch.
    Hegemann: Okidoki, bis bald!