Die Grenze zwischen Analyse und Angstmacherei ist fließend, und manchmal weiß man gar nicht, ob es sie überhaupt gibt. Denn im jüngsten Bericht des Club of Rome geht es um nichts weniger als die Zukunft des Planeten oder zumindest die Zukunft menschlichen Lebens auf diesem Planeten.
Da muss man Daten und Analysen zur Kenntnis nehmen, wonach die Weltbevölkerung weiter wächst, sie natürlich mehr Primärenergie, Wasser und Dünger verbraucht und dabei mehr Co2 ausstößt, mehr Stickoxide, mehr Methan. Die Nitratbelastung der Küstengewässer nimmt zu, Meere versauern, Regenwälder schrumpfen, die Oberflächentemperaturen steigen. Alles bekannt, alles schrecklich, alles scheinbar unaufhaltsam.
Menschheit in Gefahr
Die Produkte, Verhaltensweisen und Formen des Wirtschaftens, die nicht nachhaltig sind und den Planeten gefährden, werden in diesem Buch dokumentiert. Federführend verfasst von den beiden Präsidenten des Club of Rome, dem schwedischen Umweltpolitiker Anders Wijkman und dem deutschen Physiker und Politiker Ernst Ulrich von Weizsäcker. Sie schreiben etwa über eine Landwirtschaft, die, würde man externe Kosten wie Treibhausgasemissionen oder Artensterben hinzurechnen, "eigentlich nur noch riesige Verluste einfährt". Oder ein Bevölkerungswachstum, das mehr schade als helfe:
"Politische und religiöse Führer müssen wissen, dass ein starkes Bevölkerungswachstum dazu tendiert, die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder zu schwächen. Der Club of Rome ist von den Ländern beeindruckt, die eine rasche Stabilisierung der Bevölkerung erreicht haben. Sehr hilfreich sind neben der Selbstbestimmung von Frauen eine gute Gesundheitsversorgung für Säuglinge und Kleinkinder sowie eine verlässliche Altersversorgung. Das überwindet die Tradition, Kinderreichtum als Altersvorsorge anzusehen und bei hoher Kindersterblichkeit viele Kinder 'auf Vorrat' zu zeugen."
Die Welt sei nicht mehr leer, sondern voll, schreiben die Autoren. Die Weltbevölkerung habe sich etwa seit 1980 verdreifacht.
Ökonomische Wachstumsgrenze
Und noch schneller sei die Zahl der Rinder, Hühner und Schweine, der Sojabohnen und Maiskolben, der Autos, Häuser, Kühlschränke und Handys gewachsen. Ein "Weiter so" bringe mehr Schaden als Nutzen. Und deshalb müsse sich das Investitionsverhalten ändern:
"Wir müssen in das natürliche Kapital investieren, das nun der knappe Faktor ist. Im Fall der Fischerei, sollten wir den Fang reduzieren, damit sich die Bestände erholen und später wieder höhere Fänge möglich werden."
Von Weizsäcker und Wijkman kommen also wieder zu der These, es gebe eine "ökonomische Wachstumsgrenze". Sie stellen sich damit zum 50-jährigen Bestehen des Club of Rome in die Kontinuität der wegweisenden Studie von 1972. Damals, vor 45 Jahren, hatte der Expertenrat seinen ersten denkwürdigen Bericht zur Lage der Menschheit mit dem Titel "Die Grenzen des Wachstums" vorgelegt.
Aber das Verhältnis zum Wachstum scheint mittlerweile differenzierter, politischer geworden sein. Ernst Ulrich von Weizsäcker weiß:
"Stabilität ist in Ländern wie Ungarn, Belgien oder Thailand sehr viel leichter herzustellen und zu erhalten, wenn es Wachstum gibt."
Gebe es kein Wachstum, dann "kann es sehr rasch zu sozialen Konflikten und zu Katastrophen kommen. Insofern muss man aufpassen. Und man darf auch nicht einfach Anti-Wachstum predigen. Das bringt gar nichts."
Aber natürlich sei das Bruttoinlandsprodukt bloß ein Umsatzmaßstab, nicht ein Glücksmaßstab. Und die Maßstäbe des Zusammenlebens müssten sich ändern.
Eine neue Aufklärung
Darum geht es in einem zweiten Teil des Berichts, der nach der Dokumentation und Kritik an den überhaupt nicht nachhaltigen Trends des Wirtschaftens eine eher philosophische Ausrichtung hat. Er ist mit "Auf dem Weg zu einer neuen Aufklärung" überschrieben.
Die aufklärerischen Denker des 17. und 18. Jahrhunderts, von Descartes und Locke, Leibniz und Rousseau bis Smith und Kant, werden natürlich nicht in die Ecke gestellt, aber sie gehörten im Sinne eines Gleichgewichts relativiert:
"Die Entdeckung der menschlichen Werte des Individualismus, des Privateigentums, des Schutzes gegen staatliches Eindringen gehört zu den wertvollsten Errungenschaften der europäischen Aufklärung. Aber heute sehen wir die öffentlichen Güter weit stärker gefährdet als Privatgüter."
Es geht um Artenvielfalt, um das Wasser, das Klima, auch um solch konkrete Dinge wie eine öffentliche Infrastruktur, die unterfinanziert ist, wenn Unternehmen ihre Gewinne in Steuerparadiese verschieben. Und es geht um Verhaltensweisen und die Möglichkeit, eine Balance zu finden zwischen Geschwindigkeit und Stabilität oder zwischen Gleichheit und Leistungsanreiz.
Änderung ist machbar
Und dann endet das Buch mit vorbildlichen Beispielen, dargestellt auf 200 Seiten: Da wird etwa ein Projekt beschrieben, bei dem Pilze auf der Biomasse von Abfällen aus der Kaffeeproduktion wachsen. Von solchen Abfällen gibt es viel, weil nur 0,2 Prozent der Biomasse einer Kaffeekirsche letztlich in einer Tasse Kaffee landen. Lob gibt es auch für China wegen seines 13. Fünf-Jahres-Plans von 2015, weil der erkennbar darauf abhebe, die Kohlenstoffabhängigkeit Chinas einzudämmen und erneuerbare Energien voranzutreiben.
Die optimistische Botschaft dieser Beispiele: Änderung ist machbar. Der jüngste Bericht des Club of Rome ist weitgehend in wissenschaftlichem Sprachduktus gehalten. Ausführliche Anmerkungen können weiterführen. Sie belegen zugleich die penible Recherche, die nötig ist, um Denkgewohnheiten ins Wanken zu bringen. Das macht der Club of Rome seit 50 Jahren. Und immer noch in alter Frische.
Ernst Ulrich von Weizsäcker, Anders Wijkman u.a.: "Wir sind dran. Club of Rome: Der große Bericht"
Gütersloher Verlagshaus, 400 Seiten, 24,99 Euro.
Gütersloher Verlagshaus, 400 Seiten, 24,99 Euro.