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Clubhouse-App
Themengenerator für Popkultur?

Die Live-Podcast-App Clubhouse erlebt einen Boom - ist sie ein künstlicher Hype-Generator oder ein informatives Tool? Dlf-Redakteur Raphael Smarzoch hat es ausprobiert und eine Diskussionsrunde über den "Shanty-Hype" eröffnet.

Das Logo der neuen Social-Network-App Clubhouse auf einem Smartphone.
Erlebt einen Boom: die App Clubhouse (picture alliance / dpa-tmn | Zacharie Scheurer)
Marcus Bösch, Journalist und spezialisiert auf digitale Themen, und er hätten versucht, einen "Laber-Podcast" zu vermeiden, sagt Raphael Smarzoch. Dazu hätten sie sich im Vorhinein einen Gesprächsplan überlegt, um über das virale Phänomen "Sea Shantys" zu sprechen:
"Marcus Bösch erklärte es aus der TikTok Perspektive, also inwiefern die App die virale Verbreitung der 'Sea Shantys' verstärkt. Und ich blickte aus musikwissenschaftlicher Perspektive auf das Phänomen, ordnete es historisch ein und auch in zeitgenössische Entwicklungen - sei es als Gegengift zur heutigen Isolation, zum Lockdown", erläutert Smarzoch.
Es gab keine geladenen Gäste, der Raum war für jeden offen, der über die App verfügt und nach einiger Zeit hätte es einen regen Austausch gegeben. "Es wurde auf keinen Fall gestritten", betont der Journalist. Man müsse sich das wie ein Podium vorstellen, der Moderator schalte die Redenden frei. Die Redebeiträge seien ergänzend gewesen und hätten dem Gespräch neue Facetten hinzugefügt. "Ich habe sie als sehr produktiv empfunden."

Themengenerator für Popthemen

Im Pop, so Smarzoch, schlummerten schon immer gegenkulturelle Energien. "Daher kann ich mir durchaus vorstellen, dass Clubhouse auch als Themengenerator für Popthemen dienen wird. Weil es eben ein dezentrales Medium ist, das Informationen jenseits der etablierten Medienhäuser generiert. Auch weil diese Informationen ungefiltert vermittelt werden. Darin steckt natürlich auch eine Gefahr, aber auch großes kreatives Potenzial." Als künstlichen Hype-Generator habe er die App bislang nicht wahrgenommen.
Die App werde sehr viel von Rappern genutzt, auch von aufstrebenden Rappern. In gewissen Räumen gebe es "Listening Sessions", wo aufstrebende Rapper Ausschnitte aus ihren unveröffentlichten Songs vorspielten, die dann von den anwesenden Journalistinnen und Journalisten rezensiert würden. Es gehe also sehr viel um Austausch, um Vernetzung.

"Pop hat aber auch immer von Exklusivität gelebt."

Bislang ist Clubhouse relativ exklusiv: Man kommt nur auf Einladung rein - zudem gibt es die App bisher nur fürs iPhone. "Es hat diese Exklusivität. Es ist aber nur noch eine Frage der Zeit, bis die App für alle zugänglich sein wird", glaubt Smarzoch. Schon jetzt rede nicht nur eine elitäre Bubble miteinander. Andererseits habe Pop immer schon von einer Exklusivität gelebt. "Man denke in diesem Kontext etwa an limitierte Veröffentlichungen, die auch nur einer begrenzten Zahl von Menschen zur Verfügung stehen." Und auch der direkten Zugang zu Stars sei nicht allen Menschen möglich. "Ich bin mir da gar nicht so sicher, ob Popkultur so demokratisch und inklusiv ist wie immer behauptet wird", sagt Smarzoch.

"Janusköpfigkeit in der Diskussion um Datenschutz"

Die Kritik an der Datensicherheit - man muss seine Kontakte auf dem Telefon preisgeben - empfindet der Dlf-Redakteur als janusköpfig. Denn wer Accounts auf Social Media Plattformen hat, Google oder andere große Dienste nutzt, müsse auch Daten preisgeben.
Der Hype um Clubhouse werde sicherlich noch anhalten, sobald dann aber alle darauf Zugriff haben eher abflauen. "Und was die 'Sea Shantys' angeht: Nathan Evans, der Mann, mit dem alles losging, der bei TikTok das 'Sea Shanty' "The Wellerman" teilte, das dann viral ging, der hat jetzt einen Vertrag bei Polydor." Maritime Themen erführen aber auch eine kleine Renaissance. Die Sängerin Ashnikko mache glitschigen Tentakel-Pop und im Video zu ihrem Song "Deal with it" inszeniere sie sich als gefährliche Piratin auf einem Schiff.