Reza Aslan hat Ärger mit einem älteren Asketen. Der droht, Aslan den Kopf abzuschneiden, wenn er nicht aufhört, so viele Fragen zu stellen. Reza Aslan ist US-amerikanischer Religionswissenschaftler und Medienprofi. Er ist als TV-Experte gefragt und produziert selbst Fernsehserien. Er hat zwei Bestseller geschrieben, einen über den Islam, einen über Jesus.
Hier ist Aslan als Reporter unterwegs für seine CNN-Doku-Serie "Believer" – Glaubender. Der Privatsender CNN befasst sich immer wieder mit Religionsthemen. In der ersten Folge von "Believer" besucht Reza Aslan die Aghori, eine Hindu-Gemeinschaft in Indien. Er erklärt:
"Es ist eine kleine asketische Bewegung. Sie stellen ihren Glauben unter Beweis, indem sie sich selbst verunreinigen. Sie reiben sich mit der Asche von Toten ein. Sie essen verrottende Leichen. Sie trinken ihren eigenen Urin."
Isst der CNN-Reporter Menschenhirn?
Reza Aslans Anspruch ist es, Religionen nicht nur vorzustellen, sondern mitzumachen. Also scheint er, mit dem Asketen menschliches Gehirn zu essen. Zumindest sagt Aslans Übersetzer, der rötliche Brocken, den Aslan sich in den Mund steckt, sei Menschenhirn. Überprüfen kann der Zuschauer das natürlich nicht. Danach droht der Aghori-Asket, den Reporter mit seinen Fäkalien bewerfen. So weit geht das Mitmachen dann aber doch nicht. Aslan rennt davon.
Aslan: "Pretty sure that is not the Aghori I was looking for."
In Indien den Fäkalien gerade noch entkommen, trifft Aslan zuhause in den USA ein Shitstorm. Die einen empören sich, dass CNN ein "Kannibalen-Sender" sei. Andere kritisieren, Aslan stelle den Hinduismus klischeehaft dar. Eine Gruppe Hindus demonstriert vor einem CNN-Büro in Chicago. Tatsächlich wollten Aslan und CNN offenbar einen skandalträchtigen Auftakt für ihre "Believer"-Reihe im Fernsehen.
"Ein großes Tabu in Indien"
Aber Skandal hin, Skandal her, Aslan macht klar: Bei den Aghori handelt es sich um eine Minderheit unter den Hindus. Die Aghori wollen mit den strengen hinduistischen Reinheitsregeln brechen – und zwar radikal. Das hat Folgen in der indischen Gesellschaft – positive Folgen. Denn auch andere Hindus überdenken ihre Vorstellungen von Reinheit, erklärt Aslan:
"Sie kümmern sich um die Schwachen, Hungrigen und Armen. Sie fassen Kranke und Unberührbare an. Ein großes Tabu in Indien. Sie machen das, weil sie glauben, dass Gott in jedem Menschen lebt. Nichts kann die Menschen von Gott trennen. Das ist eine schöne Idee."
Reza Aslan hat selbst eine bewegte religiöse Biografie. Er wuchs in einer schiitischen Familie auf, schloss sich als Jugendlicher evangelikalen Christen an und konvertierte als Student zurück zum Islam. Da fühle er sich jetzt am meisten mit der Mystik verbunden, dem Sufismus.
Kosmopolitische Religiosität
Für Reza Aslan scheinen die unterschiedlichen Religionen letztlich auf dieselbe Wahrheit zu verweisen. Er verkörpert eine liberale, kosmopolitische Religiosität. Mit dieser blickt er in den sechs Folgen von "Believer" auf sechs kleinere Religionsgemeinschaften – manche würden sagen "Sekten". Auch auf Scientology.
Aslan: "Scientology ist wahrscheinlich die erfolgreichste neue amerikanische Religion der letzten hundert Jahre. Sie hat sich auf der ganzen Welt verbreitet."
In Deutschland wird kaum noch über Scientology geredet. Was ganz und gar unvorstellbar ist hierzulande: Scientology als Religion ernst zu nehmen. Reza Aslan aber tut das. Er will zeigen, dass Scientology nicht immer gleich Scientology sei, indem er eine Abspaltung im israelischen Haifa besucht.
Scientology eine "große Religion der Welt"?
Aslan verschweigt nicht, dass Scientology vorgeworfen wird, Druck auf seine Mitglieder auszuüben und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Er kommt aber zu dem Fazit – für europäische Ohren vielleicht etwas überraschend:
"Wenn die Scientology-Kirche lernt, weniger Kontrolle auf ihre Mitglieder auszuüben, könnte sie in hundert Jahren eine der großen Religionen der Welt sein."
Auf seiner interreligiösen Weltreise besucht Reza Aslan auch Vodoo-Anhänger in Haiti – und in Mexiko den vermeintlichen Todeskult um Santa Muerte. Er tanzt mit ultraorthodoxen Juden in Jerusalem. Und im Dorf Cinderland auf Hawaii trifft er einen Mann, der aussieht, wie man sich Jesus vorstellt – und der sich auch JeZus nennt, allerdings in der Mitte mit Z geschrieben. JeZus hält sich für einen Propheten und hat viele Anhänger, erklärt Aslan:
"In Cinderland leben sehr verschiedene Menschen. Die meisten sind jung und fortschrittlich. Es gibt mehr Männer als Frauen."
"Eine Sekte ist nicht automatisch böse"
JeZus prophezeit, das Ende der Welt, das Jüngste Gericht, stehe unmittelbar bevor. Deshalb bauen er und seine Anhänger eine neue Arche. Ein Sturm wird kommen, sagt ein junger Mann, der sich JeZus angeschlossen hat:
"I believe in JeZuses prophecies. A storm is coming. We must prepare."
Das mag für viele Menschen absurd klingen – doch Reza Aslan nimmt es ernst. Seine CNN-Serie "Believer" setzt offensichtlich auf Sensation und Unterhaltung, indem sie sich sechs kuriose Religionsgemeinschaften ausgesucht hat. Aber Aslan arbeitet ganz ernsthaft heraus, warum diese Menschen glauben, was sie glauben, und was ihnen ihr Glaube gibt. Und er setzt sich dafür ein, auch diejenigen religiösen Gruppen zu respektieren, die oft als Sekten abgewertet werden:
"Drei Dinge sollte man über Sekten wissen. Erstens: Eine Sekte ist nicht automatisch böse. Zweitens: Es gibt kaum Unterschiede zwischen einer Religion und einer Sekte. Die meisten großen Religionen der Welt haben als Sekten begonnen. Drittens: Man sollte Sekten nach dem beurteilen, was sie tun. Wenn sie Gutes in der Welt bewirken, dann ist das toll. Wenn sie Schlechtes bewirken, dann ist das ein Problem."