In einer Kleinstadt bei Zürich betreibt die Firma Climeworks eine Pilotanlage, die jährlich 900 Tonnen CO2 aus der Luft fischt und speichert. Eine Anlage also, mit der sich die CO2-Sünden der Vergangenheit quasi wiedergutmachen lassen. Der Ressourcenbedarf aber ist beträchtlich. So werden unter anderem 250 Liter Wasser gebraucht, um eine Tonne CO2 aus der Luft zu filtern, erklärt Professor Felix Creutzig vom Mercator Institut für Klimawandelforschung in Berlin, der eine Lebenszyklus-Analyse von Direct-Air-Capture-Anlagen vorgenommen hat. Die Effizienz ließe sich durch erneuerbare Eergien deutlich steigern. Noch könne der Strombedarf solcher Anlagen sinnvoller eingesetzt, in der Zukunft, in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts könnten solche Anlagen aber wichtig werden.
Sehr große Mengen an CO2 könnten aus der Luft gefiltert werden
Ralf Krauter: Wie funktionieren die Luftfilteranlagen, deren Ressourcenverbrauch Sie sich angeschaut haben?
Felix Creutzig: Das sind Anlagen, die filtern CO2 aus der Luft, indem sie dieses CO2 an chemische Sorptionsstoffe binden. Diese Sorptionsstoffe werden dann wieder freigelassen unter Einwirkung von Hitze und in einem konzentrierten Strom sozusagen abtransportiert, dass sie dann irgendwo gespeichert werden können. Und die Anlagen unterscheiden sich darin, welchen Sorptionsstoff sie nehmen und auch, welche Temperatur gebraucht wird, um die wieder zu lösen vom chemischen Sorptionsstoff, da gibt es die Hochtemperaturanlagen und diejenigen, die auch mit nur 100 bis 120 Grad auskommen.
Krauter: Welche Mengen an CO2 lassen sich denn mit solchen Geräten prinzipiell aus der Luft filtern?
Creutzig: Das Gute an dieser Technologie ist, dass das prinzipiell unlimitiert ist, das heißt, wir können wirklich sehr, sehr große Mengen an CO2 aus der Luft filtern. Das Problem ist natürlich: Das kostet und das hat auch einen gewissen Materialbedarf. Aber es gibt keine prinzipiellen Grenzen von dem, was filterbar ist.
250 Liter Wasser für eine Tonne CO2
Krauter: Sie haben erst mal genau quantifiziert, welche Ressourcen notwendig sind, um zum Beispiel eine Tonne CO2 aus der Luft zu filtern. Was braucht man denn dafür?
Creutzig: Man braucht verschiedene Ressourcen, Metall, Wasser, es entsteht auch eine gewisse Luftverschmutzung. Um mal ein paar Kennzahlen zu nennen, für eine Tonne CO2 braucht man etwa 250 Liter Wasser. Und wichtig ist auch, bei dem Prozess bedarf es ja Energie, da entsteht selbst auch etwas CO2, deswegen kommt von einer Tonne, die aus der Luft gefiltert wird nur – je nach Art und Weise, wie man das macht – nur 700 bis 900 Kilogramm tatsächlich unter der Erde an.
Krauter: Das heißt, wahnsinnig effizient ist die Technologie noch nicht?
Creutzig: Die ist nicht so effizient, es gibt aber die Möglichkeit, das sehr viel effizienter zu machen. Das haben wir untersucht, und die zentrale Option ist natürlich, die Energieversorgung vor allen Dingen auf erneuerbare Energien zu legen mit Solar- und Windenergie sowie die Hitze, die gebraucht wird, zum Beispiel über Wärmepumpen hervorzuholen, damit kann man die Effizienz deutlich steigern. Das ist natürlich eines der wünschenswerten Ziele hier.
Strombedarf kann jetzt sinnvoller eingesetzt werden
Krauter: Sprechen wir über den nicht ganz geringen Strombedarf, den Sie auch erstmals genauer beziffern können. Die Summe von 1.000 Kilowattstunden pro Tonne CO2, das man aus der Luft fischt, steht da in Ihrer Analyse drin. Ist das denn viel oder wenig im Vergleich zu anderen Klimaschutzmaßnahmen?
Creutzig: Das ist sehr viel. Das ist also das große Problem an dieser Technologie, ansonsten klingt das ja ganz wunderbar. Es hat einen sehr hohen Strombedarf, und hier würde ich auch sagen, diese Technologie sollte diesen Strom nicht jetzt beanspruchen, der ist sehr viel sinnvoller angesetzt, um etwa in Gebäuden Wärmepumpen zu bedienen, um den Transportbereich zu elektrifizieren, da bräuchten wir jetzt die zusätzliche Elektrizität, die wir produzieren. Aber: Wenn wir 2040 tatsächlich diese Maßnahmen auch die normalen, in Anführungsstrichen, Klimaschutzmaßnahmen damit geleistet haben, dann können wir zusätzlich Elektrizität durch zum Beispiel Photovoltaik und Wind dafür benutzen, damit Air-Capture-Anlagen einzusetzen.
"Eine Möglichkeit in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts"
Krauter: Also blicken wir in eine etwas weiter entfernte Zukunft, wo reichlich grüner Strom eben über Solar- oder Windkraft verfügbar ist, dann könnte diese Technik wichtig werden. Welches Potenzial sehen Sie da mittel- und langfristig für Direct Air Capture?
Creutzig: Ich sehe relativ großes Potenzial, unter anderem deswegen, weil es im Vergleich zu einer anderen, sehr oft diskutierten Technologie, nämlich der Bioenergie und Bioenergy with Carbon Capture and Storage, also die Bindung von CO2 durch Verbrennen von Holzmasse zum Beispiel, im Vergleich zu dieser Technologie ist Direct Air Capture sehr wenig landintensiv, es verbraucht viel weniger Landressourcen und ist technologisch weit besser skalierbar, es gibt bessere Lernkurven hier. Deswegen sehe ich wenn überhaupt auch gerade Direct Air Capture als eine Möglichkeit in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts das Klima zu stabilisieren. Da sollte man also schon in diese Richtung gehen.
Jetzt CO2 vermeiden
Krauter: Die Technologie wird ja derzeit schon im größeren Pilotmaßstab erprobt, unter anderem in der Schweiz. Was müsste denn jetzt passieren, damit wir dieses Potenzial, das Sie gerade skizziert haben, in zehn, 20 Jahren, wenn dann hoffentlich reichlich Grünstrom verfügbar, tatsächlich heben können?
Creutzig: Hier müssen wir zweigleisig denken. Ich habe ja vorher argumentiert, dass der Klimaschutz sich jetzt vor allen Dingen auf die herkömmlichen Maßnahmen fokussieren sollte, wirklich CO2 zu vermeiden, das ausgestoßen wird. Gleichzeitig müssen wir aber darüber nachdenken, was dann nach 2040, 2050 passieren sollte, das heißt, wir brauchen jetzt tatsächlich auch Forschungsinitiativen und die Möglichkeit, das auszuprobieren, was auch auf Skalierung funktioniert. Das heißt, wir müssen weiter auch Forschung investieren in vernünftige und effiziente Direct Air Capture.
Forschungsinvestitionen mitdenken
Krauter: Hat das, was Sie jetzt herausgefunden haben, irgendeinen Bezug zur aktuellen Klimakonferenz in Glasgow? Und wenn ja, was wäre die Essenz, die Sie destillieren würden für die Unterhändler dort?
Creutzig: Ein wichtiger Punkt ist, dass einerseits die Klimaziele bis 2040, 2050 ambitioniert gedacht werden – und tatsächlich würde das unabhängig von Direct Air Capture funktionieren –, dass aber gleichzeitig dann über diese Ziele hinaus gedacht wird, das auch Forschungsinvestitionen mitgedacht werden, die dann eben nach 2050 möglicherweise CO2-Emissionen kompensieren und das auch ermöglichen, dass die reicheren Nationen, die auch sehr viele CO2-Schulden aufgebaut haben, ihren Beitrag dann leisten können.
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