Manfred Kloiber: Youtube – die Videoplattform – ist ja zurzeit in Deutschland in aller Munde, spätestens seitdem sich rund 90 Youtuber politisch zusammengetan haben und wegen der Klimapolitik der Regierung ihre umstrittene Wahlempfehlung zur Europawahl abgaben. Einen ganz anderen Zusammenhang zwischen Videoplattformen wie Youtube oder anderen und dem Klimawandel stellen britische Forscher her. Sie haben sich den Effekt angeschaut, den solche Plattformen auf den CO2-Ausstoß haben und wie man ihn verringern könnte. Darüber sprach ich mit Dr. Daniel Schien von der Universität Bristol.
Daniel Schien: Zuerst einmal ist wichtig, festzustellen, dass alle Geräte, die darin involviert sind, Youtube-Dienste bereitzustellen, Strom verbrauchen. Das beinhaltet die Endgeräte wie zum Beispiel Smartphones, PCs oder Fernseher, aber auch Netzwerkgeräte und Server in Rechenzentren. Und der Strom wird in jedem Land durch die Verbrennung von mehr oder weniger viel fossilen Brennstoffen erzeugt. Und ein Teil unserer Forschung besteht darin, den Stromverbrauch für Internetdienste abzuschätzen und dann eine Art eine Abschätzung zu liefern, wie viele Treibhausgasemissionen bei der Nutzung dieser Dienste angefallen ist. Weltweit trägt die Informationstechnik ungefähr drei Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen bei.
Das ist nicht Youtube, sondern alles, was an Informationstechnik genutzt wird. Und das ist ungefähr so viel, wie der weltweite Luftfahrtverkehr. Es ist aber sehr wichtig, hervorzuheben, dass die Informationstechnik von einer viel größeren Anzahl von Menschen genutzt wird. Fast die Hälfte der Erdbevölkerung hat Internetzugang, während nur ungefähr fünf Prozent der Weltbevölkerung schon mal in einem Flugzeug gesessen hat. Das heißt, wir verbringen auch mehr Zeit mit Informationstechnik als in der Luft.
Großteil der CO2-Emissionen durch Betrieb der Mobilfunknetze
Kloiber: Sie haben jetzt ganz konkret auch untersucht, wie es denn mit den CO2-Emissionen bei der Videoplattform Youtube aussieht. Was ist dabei herausgekommen?
Schien: Da haben wir ganz genau ein Modell erzeugt, was den Energieverbrauch für die vielen verschiedenen Gerätekategorien beinhaltet, und von dieser Abschätzung des Energieverbrauchs die Treibhausgasemissionen berechnet. Nach diesem Modell, es ist ein konservatives Modell, ist die Menge der Treibhausgasemissionen für das Jahr 2016 von Youtube mindestens zehn Millionen Tonnen CO2.
Kloiber: Kann man das vergleichen, sodass man eine Vorstellung davon bekommt, wie viel das ist?
Schien: Das ist ein bisschen mehr, als die Treibhausgasemissionen von Frankfurt am Main pro Jahr.
Kloiber: Wenn man jetzt darauf guckt und sich die Ergebnisse anschaut, dann führt das doch unweigerlich zu der Frage, was man tun kann, um die CO2-Emissionen zu reduzieren.
Schien: Für uns war es überraschend, dass der Großteil von diesen zehn Millionen Tonnen CO2 nicht in Rechenzentren anfiel, die haben in letzter Zeit recht viel Aufmerksamkeit bekommen, sondern der Großteil von diesen zehn Millionen Tonnen fällt an beim Betrieb der Mobilfunknetze, also LTE, HSDPA. Das war eine ganz besonders wichtige Erkenntnis bei unserer Arbeit.
"Weniger Daten durch die Netze transportieren"
Kloiber: Dann würde man ja eigentlich sich konkret überlegen, was kann man tun, um den Videokonsum über Mobilfunknetze tatsächlich umweltfreundlicher zu gestalten. Haben Sie diese Überlegung gemacht?
Schien: Wir haben drei konkrete Sachen unternommen in diesem Projekt. Das Erste war eine Abschätzung des Energieverbrauchs, um die CO2-Emissionen. Das Nächste, was wir gemacht haben, war eine Untersuchung von digitalem Abfall. Wir fragen uns, wie können wir Medien nachhaltiger gestalten, damit sie effizienter sind, damit sie für den Benutzer mehr Freude bringen. Und eine konkrete Maßnahme, die der Dienstebereitsteller, also Youtube, unternehmen könnte, wäre, das Datenvolumen in den Netzen zu verringern. Wenn wir weniger Daten durch die Netzte transportieren, dann muss die Infrastruktur weniger stark wachsen, dann ist es möglich, Sendemasten abzuschalten oder runterzufahren. Und dadurch kann Energie eingespart werden.
Kloiber: Welche Empfehlung geben Sie da, denn die Daten zu reduzieren oder die Anzahl der Videos, die geguckt werden, zu reduzieren, ist ja eigentlich nicht im Interesse dieser Plattformen, denn die wollen ja, dass möglichst viele Menschen möglichst viele Videos sehen.
Schien: Das Fazit, das wir ziehen aus dieser Arbeit, ist nicht, dass die Nutzer weniger Youtube schauen sollen. Das Fazit ist, dass Youtube den Dienst anders anbieten kann, sodass wir digitalen Abfall vermeiden können. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der U-Bahn und Sie hören Youtube über die Kopfhörer, aber das Telefon ist in der Tasche, Sie schauen sich die Bilder gar nicht an. Dann ist die Auslieferung dieser Bilddaten an das Telefon eine Art von Abfall, denn da wird ein Dienst erbracht, ohne dass jemand davon Nutzen trägt. Und wenn wir es schaffen, einen Dienst zu erzeugen, der die relevanten Daten, in diesem Fall die Tondaten, ausliefert, aber die Bilddaten zurückhält, dann wird das Datenvolumen in den Netzen geringer – und dadurch können wir Energie sparen.
Kloiber: Angenommen, man würde es jetzt schaffen an diesem konkreten Beispiel Youtube, alle Akteure, die daran beteiligt sind -- die Netzprovider, die Mobilfunkprovider, aber auch die Smartphone-Hersteller –, dazu bekommen Ihrem Ansatz zu folgen und an allen notwendigen Schrauben zu schrauben. Welches Potenzial liegt denn überhaupt darin, die CO2-Emissionen zu senken?
Schien: Alle Zusammenarbeit, die dazu führt, dass wir die Systeme effizienter betreiben, ist wichtig und muss getan werden, um die Treibhausgase zu reduzieren. In unserer Forschung, da analysieren wir eine konkrete Alternative im Design von Youtube, indem wir den Nutzern, die wirklich nur den Ton hören wollen, aber die Bilder nicht sehen, die Möglichkeit bieten, das abzuschalten. Und wenn nur 30 Prozent der Nutzer, die sowieso nur an der Musik interessiert sind, diesen alternativen Dienst nutzen würden, dann könnte das ungefähr zu Treibhausgas-Einsparungen führen von dem Äquivalent von 30.000 Haushalten pro Jahr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.