CCS-Technologie
Mit CO2-Speicherung gegen den Klimawandel?

Wer das Klima schützen will, muss Treibhausgase reduzieren. Mit Hilfe der CCS-Technologie kann CO2 aus der Luft gefiltert und unterirdisch gespeichert werden. Die Technologie ist umstritten, aber wieder gefragt. Welchen Beitrag kann sie leisten?

    Verschmutzte Luft mit weißem Rauch strömt aus einem Industrieschornstein.
    Der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid soll in Deutschland deutlich reduziert werden. Zugleich wird darüber nachgedacht, wie man CO2 am besten einlagern kann. (picture alliance / Zoonar / GRAZVYDAS JANUSKA)
    Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Um das zu erreichen, muss vor allem der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) reduziert werden. Doch inzwischen wird auch verstärkt über Methoden diskutiert, mit denen CO2 unterirdisch gelagert werden kann - über sogenannte CCS-Verfahren (Carbon dioxide capture and storage).

    Wie funktioniert die CCS-Technologie?

    Die Grundidee ist einfach: CO2 soll eingelagert werden, statt in der Atmosphäre das Klima anzuheizen. Dafür muss das CO2 zuerst eingefangen werden. Die meisten Pläne gehen dabei davon aus, dass das CO2 aus Abgasen großer Industrieanlagen oder Kraftwerke gefiltert wird. Mit dem CSS-Verfahren können industrielle Prozesse klimaneutral werden, obwohl CO2 dabei anfällt. Kohlenstoffdioxid kann über Filteranlagen auch direkt aus der Luft abgeschieden werden.
    Zum Einlagern eignen sich oft genau die Orte, aus denen vorher fossile Energie gefördert wurde: die ehemaligen Lagerstätten von Öl und Gas. Erschöpfte Lagerstätten haben über Jahrmillionen Gase zurückgehalten und gelten daher als sichere Speicheroption. Je tiefer die Speicher in der Erde liegen, desto effektiver kann man das CO2 lagern, weil der Tiefendruck das Volumen des Gases erheblich verkleinert. Ab einer Tiefe von 800 Metern gibt es allerdings kaum noch Effizienzgewinne.
    Zu den Speichern müsste das CO2 transportiert werden. Die dafür nötige Infrastruktur könnte der heutigen Infrastruktur für Öl ähneln – nur in umgekehrter Richtung.
    Forscher arbeiten zudem daran, gasförmiges CO2 in festen Kohlenstoff umzuwandeln. Diesen könnte man deutlich leichter lagern oder auch als Baustoff verwenden. Eine Idee ist, ihn als Ersatz für den immer knapper werdenden Sand bei der Zementherstellung zu nutzen. Dann wäre der Kohlenstoff langfristig in Gebäuden gespeichert. Festen Kohlenstoff herzustellen ist allerdings nach heutigem Wissensstand sehr energieintensiv.

    Warum wurde CO2-Speicherung noch vor wenigen Jahren deutlich abgelehnt?

    Der Fokus beim Klimaschutz müsse darauf liegen, den CO2-Ausstoß zu senken, betont Jessica Strefler, die beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung das Carbon Management Team leitet. Davon dürfe CO2-Speicherung nicht ablenken. Die Sorge vor Ablenkung war einer der zentralen Gründe, warum die ersten Versuche zu CO2-Abscheidung und -Einlagerung in Deutschland abgelehnt wurden.
    Dabei spielte auch eine Rolle, wer diese Versuche angestoßen hatte: Alle vor etwa zehn Jahren geplanten CCS-Projekte hatten Energiekonzerne initiiert, die damit ihre Kohlekraftwerke klimafreundlich machen und ihr Überleben sichern wollten, statt den Umstieg auf erneuerbare Energien zu forcieren. „Im Land will das niemand haben“, fasste Robert Habeck im Jahr 2012 die Stimmung zusammen. Damals war der Grünen-Politiker Umweltminister in Schleswig-Holstein.
    Daneben sind mit der CCS-Technologie Risiken verbunden, die nach Einschätzung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) aber geringfügig sind.
    Es kann durch Löcher zu Freisetzungen von CO2 kommen, die zum einen das eigentliche Ziel torpedieren, weil das CO2 dann wieder in die Atmosphäre eintritt. Zum anderen kann ein solcher Austritt zu einer hohen CO2-Konzentration in der Luft führen, die sich gesundheitsschädlich auswirken würde. Im Regelfall würde sich das CO2 aber nach Einschätzung der BGR schnell mit der Umgebungsluft vermischen und auf ein ungefährliches Maß verdünnen. Forscher arbeiten zudem an neuen Wegen, solche Lücken zu schließen.
    Die BGR schätzt auch die Erdbebenrisiken als gering ein. Die CO2-Verpressung sorge zwar für Spannungsänderungen im Untergrund, dadurch sei aber nur mit kaum spürbaren Mikrobeben zu rechnen.
    Auch Risiken für das Trinkwasser seien gut vermeidbar. Theoretisch könne das CO2 zwar Salzwasser aus tiefen Schichten in das Süßwasser drücken, dieses Risiko könne aber über eine gute Standorterkundung kontrolliert werden. Eine Lagerung auf Hoher See sei bezüglich dieser Risiken grundlegend vorteilhafter, meint Klaus Wallmann vom Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

    Warum setzt auch die Bundesregierung jetzt auf CCS?

    Der Weltklimarat der Vereinten Nationen geht schon länger davon aus, dass das 1,5-Grad Ziel ohne CO2-Abscheidung und -Speicherung nicht mehr zu erreichen ist. In Deutschland wurde die CSS-Technologie lange abgelehnt und bisher erlaubt das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) keine CO2-Endlagerung an Land oder im Meer. Das könnte sich aber bald ändern.
    Ein zentraler Grund für das Umdenken: Die Klimakrise spitzt sich zu. „Wir haben die Zeit nicht mehr, wir haben zu lange gepennt und die Emissionen eben nicht reduziert“, sagt Andreas Oschlies vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
    Auch Robert Habeck, heute Bundesminister für Wirtschaft und Klima, hat seine Haltung zu CCS an die Zustände im Jahr 2023 angepasst: Man müsse mit den Möglichkeiten arbeiten, die man zur Verfügung habe. In Anbetracht der zugespitzten Lage sei CO2 im Boden besser als CO2 in der Luft, so der Grünen-Politiker.
    Auf Deutschlandfunk-Anfrage schreibt das von Habeck geführte Bundeswirtschaftsministerium, dass CCS für das Erreichen der Klimaziele schlicht notwendig sei. Studien zeigten, dass man bereits ab 2030 CO2-Abscheidungen im Megatonnen-Bereich brauche, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen.
    Robert Habeck (r, Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, im dichten Schneetreiben beim norwegischen Unternehmen Norcem
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck besuchte im Januar bei seiner Norwegen-Reise auch das Unternehmen Norcem, wo er sich über CO2-Speicherung informierte (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Wichtig dabei: Mit CCS sollen nicht die Emissionen von Kohlekraftwerken abgefangen werden, es geht stattdessen um Emissionen, die als unvermeidbar gelten. Dabei wird beispielsweise über Abgase geredet, die in der Landwirtschaft, in Zementfabriken oder bei der Müllverbrennung anfallen.
    Die Bundesregierung hat den Prozess zu einer Carbon-Management-Strategie angestoßen, in der auch definiert werden soll, was genau schwer beziehungsweise nicht vermeidbare Emissionen sind. Die Carbon-Management-Strategie soll zudem Grundlage für den Aufbau einer CO2-Infrastruktur werden: Investitionen in Milliardenhöhe sind dazu nötig.
    Welchen Beitrag kann CCS gegen den Klimawandel leisten?
    CCS kann nur eine Ergänzung sein, darüber besteht in Politik und Wissenschaft große Einigkeit. Auch das Bundesministerium für Klima und Wirtschaft betont, dass die Vermeidung von CO2-Emissionen und der Umstieg auf erneuerbare Energieträger immer Vorrang haben sollen. Es werde allerdings bereits in CO2-Speicherung investiert, zahlreiche technisch machbare Methoden der CO2-Vermeidung aber nicht umgesetzt, sagte die Klimatologin Friederike Otto im Deutschlandfunk. „Solange das weiterhin so besteht, ist Kohlenstoffspeicherung bloß eine Ausrede.“
    Bis 2030 muss Deutschland seinen jährlichen CO2-Ausstoß ungefähr halbieren, etwa 300 Millionen Tonnen müssen pro Jahr weniger ausgestoßen werden. CCS-Technologie ist nur für die als unvermeidbar geltenden Emissionen eingeplant. Denn durch diese wird eine völlig emissionsfreie Wirtschaft auch in Zukunft nicht möglich sein. Unvermeidbare CO2-Emissionen, die zum Beispiel in der Müllverbrennung entstehen, sollen dann direkt an der Quelle abgeschieden, aufbereitet, komprimiert und zu einer Speicherstätte transportiert werden.
    Die jährliche Menge der unvermeidbaren CO2-Emissionen in Deutschland wird auf circa 60 Millionen Tonnen geschätzt, das entspricht weniger als einem Zehntel der deutschen Gesamtemissionen. Diese Menge zu erreichen, ist ein anspruchsvolles Ziel. Ab 2050 plant Deutschland, insgesamt mehr CO2 zu binden als freizusetzen. Um das zu schaffen, müssen Methoden für negative Emissionen umgesetzt werden, mit denen CO2 der Atmosphäre entzogen wird.
    Wenn man die CCS-Technologie bei Kraftwerken verwendet, die mit Biomasse - also Holz, Pflanzen oder Gräsern - betrieben werden, können dadurch negative Emissionen erzeugt werden. Denn die Pflanzen nehmen beim Wachstum CO2 aus der Atmosphäre auf, und dieses CO2 wird dann nach der Verbrennung abgefangen. Damit würde der Atmosphäre CO2 entzogen. Das Verfahren wird Bioenergy with carbon capture and storage, kurz BECCS, genannt.
    Man kann aber auch mit chemischen Filtern das Kohlenstoffdioxid ohne den Umweg Biomasse direkt aus der Luft holen: Direct air capture and storage, kurz DACS. Auch hier würde man negative Emissionen erzielen. Der Weg zu solchen negativen Emissionen in relevanter Dimension ist aber noch weit.

    In welcher Dimension wird CCS bisher angewendet?

    Die Entwicklung der CCS-Technologie steht noch relativ am Anfang - und die wenigen bestehenden Anlagen arbeiten noch in kleinem Maßstab. Sie müssen weiterentwickelt, wesentlich effizienter gemacht und für einen großflächigen Einsatz aufgebaut werden.
    BECCS wird bereits im industriellen Maßstab angewendet. Die größte Anlage dazu steht in Decatur in den USA und filtert jährlich etwa eine Millionen Tonnen CO2 aus der Luft. Deutschland bräuchte also 60 solcher Anlagen, um seine als unvermeidbare geltenden CO2-Emissionen zu kompensieren.
    DACS-Anlagen sind noch energieintensiver als das BECCS-Verfahren und auch noch nicht so weit entwickelt. Bisherige Anlagen sind nicht wirtschaftlich und könnten bei den prognostizierten Preisen für die CO2-Zertifikate auch in Zukunft wohl nicht wirtschaftlich arbeiten.
    Vor einem Gebäude einer isländischen Anlage zur direkten Abscheidung und Speicherung von CO2 aus der Luft stehen zwei Menschen.
    Die weltweit größte Anlage zur direkten CO2-Abscheidung aus der Luft steht in Island. Sie wird vom Schweizer Unternehmen Climeworks betrieben. (imago images / Cover-Images)
    Bisherige Anlagen filtern gerade einmal ein paar Tausend Tonnen aus der Luft, die weltweit größte Pilotanlage in Island strebt an, 4.000 Tonnen Kohlendioxid aus der Luft zu saugen. Damit bei der energieintensiven Methode tatsächlich auch CO2 eingespart wird, arbeitet die Anlage mit Energie aus Geothermie. In den USA ist für 2024 die Fertigstellung einer Anlage geplant, die pro Jahr etwa eine halbe Millionen Tonnen CO2 aus der Luft filtern soll.
    In Europa ist Norwegen Vorreiter bei der CCS-Anwendung. Dort wird CO2-Abscheidung und -Speicherung schon seit mehr als 25 Jahren betrieben. Im Sleipner-Feld in der Nordsee werden pro Jahr mehr als eine Million Tonnen CO2 eingelagert. Zuletzt zogen Großbritannien, Dänemark und die Niederlande nach. Alle planen ihre CCS-Endlager in der Nordsee in erschöpften Gas- und Ölvorkommen. Bis zu acht Millionen Tonnen CO2 will Dänemark jährlich einlagern, das entspricht rund einem Viertel der gesamten Emissionen des Landes.
    Deutschland könnte in seinem Nordseeteil circa 30 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr entsorgen – das entspricht ungefähr der Hälfte der geschätzten sogenannten unvermeidbaren Emissionen hierzulande. Doch die Speicherkapazität wird man so schnell nicht ausreizen können. Die Technologien zum Ein- und Abfangen des CO2 sind noch nicht effizient genug und auch die Infrastruktur für den Transport und die Einlagerung existiert noch nicht. Als erstes bräuchte es in Deutschland eine Legalisierung der Technologie.

    Was wären Alternativen zur unterirdischen CO2-Speicherung?

    Vor allem mehr Anstrengungen zur Vermeidung von CO2-Emissionen. Je stärker und frühzeitiger Emissionen eingespart werden, desto weniger CO2 muss anschließend wieder aufwendig dem Kreislauf entzogen werden.
    Aktuelle Prognosen gehen allerdings davon aus, dass Deutschland negative Emissionen brauchen wird, um seine Klimaziele zu erreichen. Diese können nicht nur über CCS erreicht werden. Auch durch die Aufforstung von Grünflächen oder die Wiedervernässung von Mooren kann dem Kreislauf CO2 entzogen werden.
    Diese Optionen sind auch deshalb attraktiv, weil sie nicht nur dem Klima nützen, sondern auch der Biodiversität. Ihr Potenzial ist aber begrenzt. Sind die Flächen einmal aufgeforstet, kann kein weiteres CO2 gebunden werden. Und auch hier bestehen Risiken für die dauerhafte Speicherung, beispielsweise durch Brände.
    Zur Bindung von CO2 gibt es weitere Ideen: Düngung des Ozeans, damit Mikroorganismen stärker wachsen und CO2 binden, Gesteinsmehl verwittern lassen, das dabei auch CO2 bindet, organische Reste zu Pflanzenkohle verarbeiten. An all diesen Methoden wird geforscht. Der Kenntnisstand über Risiken und Chancen ist dabei aber oft noch rudimentär.
    Quellen: Tomma Schröder, Manuel Waltz, Susanne Lettenbauer, Bundesregierung, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Umweltbundesamt, pto, ckr