Als Umweltminister von Schleswig-Holstein hat Robert Habeck die sogenannte CCS-Technologie selbst noch strikt abgelehnt. Nun will der Grünen-Politiker als Bundeswirtschaftsminister in der Nordsee ein Endlager für bestimmte Kohlendioxid-Emissionen einrichten. Das heißt: Wo das klimaschädliche Erdöl und Gas ursprünglich herkam, soll das Kohlendioxid jetzt zurück, unter die Erde.
Das sehen Eckpunkte einer „Carbon Management Strategie" vor. Sie soll den rechtlichen Rahmen dafür bieten, Kohlendioxid dauerhaft im Meeresboden zu speichern und Grundlage für den Aufbau einer Kohlendioxid-Infrastruktur werden. Dazu sind Investitionen in Milliardenhöhe nötig. Der Vorstoß ist umstritten.
Wie ist die Ausgangslage in Deutschland?
Ab 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Das heißt: Keine weiteren Treibhausgase mehr emittieren - entweder durch Vermeidung oder durch deren Abbau bzw. Speicherung. Gelingen soll das zum Beispiel mit Hilfe von klimafreundlich hergestelltem Wasserstoff. Kohlenstoffdioxid-Emissionen sollen so vor allem in Industrie und Verkehr deutlich verringert werden. Doch es gibt auch Industriebereiche, die nicht so einfach klimaneutral umgebaut werden können. Dazu zählen zum Beispiel Zement- und Stahlwerke oder Müllverbrennungsanlagen.
Die sogenannte CCS-Technologie ermöglicht, Kohlendioxid in tiefliegenden geologischen Gesteinsschichten zu speichern (engl. Carbon Capture and Storage). Das seit 2012 geltende Kohlendioxid-Speichergesetz verbietet bisher diese Technologie in Deutschland. Norwegen wendet das Verfahren nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums schon seit 1996 erfolgreich im Meer an. Auch in Dänemark, den Niederlanden und Großbritannien gebe es entsprechende Projekte, die miteinander koordiniert werden könnten. In Dänemark wird die Verpressung von CO2 auch an Land geplant.
Was sehen die Eckpunkte der "Carbon Management Strategie" vor?
Für die Industriebereiche, wo es schwer ist, Alternativen zu fossilen Energieträgern zu finden, hat sich die Bundesregierung auf Eckpunkte für eine „Carbon Management Strategie" verständigt. Demmach soll Kohlendioxid in Zukunft grenzüberschreitend gehandelt, transportiert und unterirdisch verpresst werden dürfen. Bisher war das rechtlich nicht möglich.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begründet das so: „Es wäre unehrlich, wenn man in Deutschland sagt, wir halten diese Technik für sicher, aber wir schließen aus, dass sie in Deutschland genutzt wird.“ Also soll auch im deutschen Meeresboden nach geeigneten Standorten gesucht werden dürfen. Ausgeschlossen bleiben sollen Meeresschutzgebiete. An Land bleibt die Verpressung verboten.
Abgase tief im Meeresboden verpressen
Ein Industriezweig, für den die Kohlendioxidspeicherung wichtig wird, ist die Zementherstellung. Dominik von Achten, Vorstandsvorsitzender von Heidelberg Materials, sagt dennoch: „Bevor wir CCS machen, müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen, die CO2-Emissionen zu reduzieren.“ Denn CCS-Technologie ist energieintensiv und teuer.
Ursprünglich hatte die Bundesregierung geplant, die Technologie nur für Sektoren möglich zu machen, wo Emissionen als unvermeidbar gelten. Nun soll sie jedoch auch im Stromsektor erlaubt werden. Bei Gaskraftwerken soll CCS möglich sein, aber nicht staatlich gefördert werden. Die Bundesregierung will außerdem die notwendigen Gesetzesänderungen beraten, um ein Pipeline-Netz für den Transport aufzubauen.
Durch dieses Pipeline-Netz soll künftig das Kohlendioxid zur Lagerstätte transportiert werden. Dort wird es dann über eine Pumpe etwa zwei Kilometer tief unter den Meeresboden verpresst; vor allem in gut durchlässige Sandsteinformationen. Darüber müssen sich sogenannte Deckschichten befinden, die verhindern, dass das Kohlendioxid aufsteigt. Meist bestehen diese aus Ton.
FDP-Klimaexperte Olaf in der Beek befürwortet die Pläne der Bundesregierung. Er geht davon aus, dass die sogenannte CCS-Technik in Deutschland innerhalb der kommenden acht bis zehn Jahre eingeführt werden kann. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion Lukas Köhler spricht von einem "historischen Meilenstein für technologieoffenen Klimaschutz".
Was sagen Klimaforscher zur CCS-Technologie?
Der Klimaökonom Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sagt, ohne CCS werde es schwierig, die Klimaziele zu erreichen. Er sieht kein Problem darin, auch Gaskraftwerke einzubeziehen. Wenn der Emissionshandel weiterentwickelt werde, könne Kohlendioxid, das bei der Förderung von Gas entsteht, mit in die Bepreisung einbezogen werden.
CCS als "sehr sichere" Methode
Für "sehr sicher" hält die Methode Klaus Wallmann, Professor für Marine Geosysteme am GEOMAR - Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Vorausgesetzt die Endlagerstätten werden klug ausgewählt und der Prozess gut kontrolliert und überwacht. Er und sein Team haben sich zwei bestehende Kohlendioxid-Speicher im Meer vor Norwegen angeschaut. Dort wird schon länger Kohlendioxid unter dem Meeresboden verpresst. Ausdringendes Gas habe er nicht feststellen können. Allerdings gebe es im Umfeld der Speicher einige Erdgas-Lecks. Alte Bohrlöcher bildeten das Risiko. In der deutschen Nordsee gibt es davon laut Wallmann aber nur wenige.
Die größte Gefahr, dass Kohlendioxid ausdringt, ist während des Verpressens, erklärt Wallmann. Währenddessen steigt der Druck an. Nach ungefähr zehn Jahren, wenn der Speicher geschlossen ist, sinkt der Druck laut dem Wissenschaftler wieder. 99 Prozent der gespeicherten Gase könnten auf Dauer im Boden gehalten werden. Der ökologische Schaden am Meeresboden sei nur auf kleine Flächen begrenzt, so Wallmann. Eine Gefahr fürs Trinkwasser bestehe nur bei der unterirdischen Lagerung an Land. Bei der Verpressung könnte salzreiches Wasser aufsteigen und Grundwasserleiter versalzen.
Welche Kritik gibt es an CCS?
Ein breites Bündnis von Umweltverbänden, darunter WWF, NABU und BUND kritisiert die neue Strategie der Bundesregierung, auch CCS-gestützte Gaskraftwerke ermöglichen zu wollen: „Mit ihrer Entscheidung öffnet die Bundesregierung die Büchse der Pandora und zieht die Abhängigkeit von fossilem Erdgas für die Energieerzeugung unnötig in die Länge. So wird das Erreichen der Klimaneutralität massiv gefährdet.“ Der größte Kritikpunkt der Umweltverbände ist also: Wir machen es uns zu leicht. Statt Kohlendioxid zu reduzieren, lagern wir es ein.
"Wir wissen zu wenig über den Meeresboden"
Die Umweltorganisation Greenpeace und BUND befürchten außerdem weitreichende Klima- und Umweltschäden. Sie kritisieren die Wahl der Lagerstätten. Das Endlager im Meeresboden dauerhaft dicht hielten, sei wissenschaftlich nicht erwiesen. Sascha Müller-Kraenner, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, bereitet Sorgen, dass die Umweltverträglichkeit von CCS nicht sorgfältig geprüft worden sei: „Vielleicht löst es Reaktionen unter dem Meer aus mit verheerenden ökologischen Folgen. Wir wissen über unseren Meeresboden noch viel zu wenig und insofern ist es ein Risiko.“
Müller-Kraenner ist der Meinung, Deutschland sollte in der Energieproduktion auf 100 Prozent erneuerbare Energien setzen. Vor allem weil die sicheren Speichermöglichkeiten für Kohlendioxid begrenzt seien. Die deutsche Nordsee sei schon vielfach „überbucht“, durch Fischerei, Windkraft, Tourismus und Naturschutzgebiete. Auch die internationale Energieagentur empfiehlt CCS lediglich für unvermeidbare Emissionen, vor allem aber wegen des hohen Energieverbrauchs.
Kohlendioxid-Müll als Geschäftsmodell
Der Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid warnt, der grenzüberschreitende Handel mit Kohlendioxid-Müll fördere ein neues Geschäftsmodell. „Je mehr Kohlendioxid entsteht, umso mehr Geld lässt sich verdienen“, so Smid.
Kritik an Habecks Plänen kommt auch aus seiner eigenen Partei. Grünen-Bundestagsabgeordnete Lisa-Badum sagte der „Süddeutschen Zeitung“, CCS in der Energiewirtschaft sähen die Beschlüsse der Grünen-Fraktion nicht vor. Die Grünen hatten die Technik eigentlich immer strikt abgelehnt. Erst auf ihrem Parteitag Ende November 2023 entschieden sie sich dafür. Allerdings nur für unvermeidbare Emissionen. "CCS bei Gaskraftwerken lehnt die grüne Bundestagsfraktion ab", betonte Badum. Auch die klimapolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer, sagte der SZ, CCS-Verfahren müssten bei fossilen Kraftwerken ausgeschlossen werden.
mfied