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Schädliche Klimagase
Hoffnung auf CO2-Speicherung im Boden

Ob schädliche Nebenwirkungen überwiegen, lässt sich noch nicht absehen: Trotzdem soll klimaschädliches CO2 auch in Deutschland aus der Luft gefiltert und dann gespeichert werden. Ohne die Technik sind die Klimaziele womöglich nicht mehr zu erreichen.

Von Manuel Waltz | 16.01.2023
Abgaswolken des Kohlekraftwerk RWE-Power Gersteinwerk bei Werne, 04.02.2015, Luftbild, , exhaust gas clouds of coal-fired power plant RWE Power Gersteinwerk in Werne, 04.02.2015, aerial view
Dem Ausstoß der jährlichen CO2-Gigatonnen in Deutschland kann nach Ansicht von Forschern nur durch eine Kombination von CO2-Reduktion, Dekarbonisierung und dem Ausbau Erneuerbarer Energien entgegengewirkt werden (dpa/blickwinkel/H. Blossey)
„Hier geht jetzt gerade die CO2-Abtrennung an, was man hört. Das müsste jetzt der Kompressor sein, der das CO2 komprimiert, um es zwischen zu speichern.“
Neele Uhlenbruck steht vor einem quadratischen, weißen Kasten – etwa anderthalb Meter hoch – mit einer Art Trichter an der linken Seite. Hier wird Luft angesaugt, um das darin enthaltene CO2 abzutrennen. Dieser Kasten oder vielmehr die Technik, die darin verbaut ist, soll dabei helfen, das Klima auf der Erde zu retten, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
„Da ist eine Oberfläche drin. Darauf wird das CO2 aus der Luft abgefangen, die Luft geht hinten mit weniger CO2 raus. Und wenn diese Oberfläche mit CO2 quasi voll ist, dann gibt es einen Sensor da drin, der das merkt und umschaltet, dass dann keine neue Luft mehr kommt, sondern, ja, diese Oberfläche wieder von CO2 gereinigt wird. Und durch das Loslösen von CO2, von der Oberfläche, auf der fast nur CO2 drauf ist, von den Molekülen her, kriegt man dann dieses reine CO2.“
Neele Uhlenbruck forscht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) über das Abscheiden und Speichern von klimaschädlichem CO2. Ziel ist, die Emissionen zu senken und das Klimaziel zu erreichen.
Neele Uhlenbruck forscht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) über das Abscheiden und Speichern von klimaschädlichem CO2. Ziel ist, die Emissionen zu senken und das Klimaziel zu erreichen. (Manuel Waltz/Deutschlandradio)

Umstrittenes Verfahren, um den Klimawandel aufzuhalten

Neele Uhlenbruck arbeitet am Karlsruher Institut für Technologie, kurz KIT. Sie untersucht, wie sich das CO2 aus der Luft entnehmen lässt, um dadurch den Klimawandel aufzuhalten. Der Kasten vor ihr stammt von der Firma Climeworks aus der Schweiz. Nach eigenen Angaben das erste Unternehmen, das eine kommerzielle Anlage zur CO2-Abscheidung aus der Luft errichtet hat. Weitere werden gerade gebaut. Nicht-kommerzielle Anlagen bestehen ebenfalls schon.
„Jetzt hat er gerade vorher diese Desorption gemacht, jetzt kommt nicht mehr neues CO2 nach, jetzt wird's komprimiert, um es dann zu speichern.“
Wenn man der Luft CO2 entzieht und es speichert, dann spricht man von „negativen Emissionen“. Lange war dieses Thema Tabu, gerade in Deutschland. Der Weltklimarat der Vereinten Nationen geht aber schon länger davon aus, dass das 1,5-Grad Ziel ohne negative Emissionen nicht mehr zu erreichen ist. Mittlerweile setzt auch die Bundesregierung darauf. Und auf eine anschließende Speicherung des CO2, das sogenannte Carbon Capture and Storage, CCS. Die Weiternutzung des Kohlenstoffs wird als Carbon Capture and Utilization, kurz CCU bezeichnet. Auf Deutschlandfunk-Anfrage schreibt das grün geführte Bundes-Wirtschafts- und Klimaschutzministerium dazu:
„Zentral ist und bleibt für den Klimaschutz die Dekarbonisierung, das heißt der Ausstieg aus den fossilen Energien insgesamt. […]. Eine Erkenntnis der […] ausgewerteten Studien ist jedoch, dass auch flankierend der Einsatz von CCS und CCU für die Erreichung der deutschen Klimaschutzziele notwendig ist. Die Studien gehen davon aus, dass trotz der zahlreichen Klimaschutzmaßnahmen bereits ab 2030 zusätzlich eine CO2-Abscheidung […] im Megatonnen-Maßstab notwendig sein wird, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen.“

Potsdam-Institut hält Einhalten der Klimaziele 2030 für möglich

Jessica Strefler leitet beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung das Carbon Management Team. Sie geht anders als die Regierung davon aus, dass die Klimaziele 2030 sehr wohl durch CO2-Einsparungen erreicht werden können. Entscheidend ist aber für sie das Jahr 2045. Dann soll die Bundesrepublik klimaneutral sein. Im Zentrum ihrer Überlegungen stehen sogenannte „unvermeidbare Restemissionen“, aus der Landwirtschaft oder vom Bau beispielsweise. Das deckt sich mit den Annahmen des Weltklimarat-Berichts. Wenn Bauern ihre Äcker mit Stickstoff düngen, dann entsteht dabei Lachgas, ein Klimagas wie CO2. Darauf könne man nicht völlig verzichten, müsse also diese Emissionen ausgleichen, so Strefler.
„Die Schwierigkeit ist nur, dass wir, wenn wir wirklich auf Netto-Null-Emissionen wollen, dass wir dafür die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre brauchen. Und dadurch, dass wir nur noch 23 Jahre Zeit haben, müssen wir eben jetzt damit anfangen, diese ganzen Optionen zu erforschen und umzusetzen und aufzubauen“.

Die Gesellschaft muss ihren CO2-Ausstoß massiv reduzieren

Noch steht man ganz am Anfang was technische negative Emissionen betrifft. Die wenigen bestehenden Anlagen arbeiten noch in relativ kleinem Maßstab. Sie müssen weiterentwickelt, wesentlich effizienter gemacht und für einen großflächigen Einsatz aufgebaut werden. Entscheidend aber sei, sagt die Wissenschaftlerin, dass alle, dass die gesamte Gesellschaft ihren CO2-Ausstoß massiv reduziere. Das sei das Wichtigste beim Klimaschutz – nicht die CO2-Abscheidung.
„Es darf uns auf keinen Fall von der Vermeidung von Emissionen ablenken. Also wir reden da wirklich von fünf bis zehn Prozent Ausgleich von Emissionen, das heißt 90 bis 95 Prozent der Anstrengung kommen aus der Vermeidung. Also da muss natürlich der Hauptfokus drauflegen.“

Beim Klimaschutz keine Zeit verlieren

Das Problem bei negativen Emissionen mit technischen Mitteln ist, dass dazu riesige und teure Anlagen nötig sind. Sie müssen gebaut und dann betrieben werden – mit den damit verbundenen Klima- und Umweltschäden und einem gigantischen Energieaufwand. Zudem besteht die Gefahr einer falschen Signalwirkung: Vor der Erwartung, dass man das Klima auf technischem Weg retten kann, warnt auch Fritz Mielert, Umweltreferent beim Naturschutzbund BUND in Stuttgart.
„Es gibt bei jeder technischen Lösung, die erst mal in der Ferne steht, einen psychologischen Moment, dass man sagt: Okay, ich kann mich etwas ausruhen. Ich muss mich jetzt nicht anstrengen. Klimaschutz ist aber nicht ohne immense Anstrengungen in jedem gesellschaftlichen wirtschaftlichen Bereich möglich. Das heißt, wenn wir es uns konkret angucken: Eine Hoffnung ist ja, dass man nicht so weit kommen muss in der Bauwirtschaft. Das heißt, man kann weiter Zement herstellen. Wir können weiter auf Beton setzen und kann dann einfach diese Emissionen, die da draus aus dem chemischen Prozess entstehen, dann binden, dauerhaft binden. Und dass das, da drauf setzen ganz viele Zweige der Gesellschaft, dass sie sagen okay, ich muss es ja nicht tun. Ich kann später meine Emissionen einfach dauerhaft binden. Und das verhindert natürlich jegliche grundlegende Weiterentwicklung in Sachen Klimaschutz. Das ist eigentlich ein ganz wichtiger Moment, der hier mitschwingt. Deshalb ist es sehr schädlich, jetzt sehr stark über diese negativen Emissionen zu reden.“

Wälder und Moore als natürliche CO2-Speicher reichen nicht aus

Fritz Mielert, der BUND und auch viele andere Umweltverbände setzen deshalb auf natürliche negative CO2-Emissionen durch Aufforstung oder etwa das Wiederverwässern von Mooren. Wenn auf einer Fläche, die bisher nicht bewaldet war, in großem Maßstab Bäume gepflanzt werden und ein Wald entsteht, dann nehmen die Bäume beim Wachstum CO2 auf, das sie im Holz binden. Sie entziehen es der Atmosphäre und speichern es. Auch ein Moor bindet CO2. Moore werden wie auch Wald als „natürliche Senke“ bezeichnet.
„Wir haben die natürlichen Senken bisher nicht ausgeschöpft. Da gibt es großes Potenzial. Und ich habe natürlich dort auch immer eine Win-win-Situation. Das heißt, ich kann sowohl die zweite große Krise dann adressieren, das heißt, den Schwund der Artenvielfalt als auch dann die Klimakrise bekämpfen.“

Finanzierung großflächiger Aufforstungen schnell umsetzen

Denn Moore und Wälder sind neben ihrer Eigenschaft als CO2-Speicher auch noch Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Es gibt verschiedene Studien, wie viel CO2 dort gespeichert werden kann. Die Ergebnisse gehen allerdings sehr weit auseinander, ein Zeichen dafür, wie unsicher die Berechnungen bisher sind. Sie reichen von 0,5 bis 12 Gigatonnen CO2 pro Jahr, wobei der weltweite Jahresausstoß im Moment bei etwa 40 Gigatonnen liegt. Im besten Fall könnten sie also knapp ein Drittel der Emissionen aufnehmen, im schlechtesten Fall aber nur ein Achtzigstel. Doch in jedem Fall müsse man diese natürlichen Möglichkeiten nutzen, fordert Jessica Strefler vom Potsdam Institut, und jetzt sehr schnell Anreizsysteme entwickeln, um beispielsweise eine großflächige Aufforstung zu finanzieren.
„Die haben Potenzial. Das sind auch wichtige Optionen, denn die sind meistens sehr schnell umsetzbar. Das heißt, wir brauchen da keine große technologische Entwicklung. Die sind auch eher günstig von den ökonomischen Kosten her. Sie haben einen geringen Energiebedarf und möglicherweise je nach dem, wenn es gut gemacht ist, können Sie auch Zusatznutzen haben für landwirtschaftliche Erträge, für die Bodenqualität oder für die Biodiversität. Von daher sind die auf jeden Fall sehr wichtig. Der Nachteil ist nur, dass sie eben auch begrenzt sind, also entweder durch den Flächenbedarf, wenn wir jetzt an die Aufforstung denken oder durch physische Limitierungen also Sättigungseffekte zum Beispiel. Wenn wir an die Erhöhung des Boden-Kohlenstoffs denken, die kann man nicht bis in alle Ewigkeit erhöhen, da gibt es eben Grenzen, Sättigungen.“

Sicherstellen, dass CO2 auch wirklich langfristig gebunden ist

Außerdem müsse man sicherstellen, dass das CO2 auch wirklich langfristig gebunden ist. Denn das ist nicht selbstverständlich. Ein Beispiel dafür ist die Aufforstung: Wie kann verhindert werden, dass ein neu gepflanzter Wald – für den staatliche Subventionen gezahlt wurden - wieder gerodet wird? Oder dass ihn Trockenheit oder Insekten so weit schädigen, dass er abstirbt? In diesen Fällen würde das gebundene CO2 wieder freigesetzt. Wegen solcher Risiken und der unklaren Potentiale will Strefler weiter an den technischen Lösungen forschen.
„Wenn wir sagen, wir verzichten auf die technischen Optionen, wir entwickeln die jetzt gar nicht erst, dann nehmen wir Optionen jetzt schon aus dem Spiel, die möglicherweise wichtig sind. Und das halte ich für eine sehr riskante Strategie. Denn dann riskieren wir, unsere Klimaziele zu verfehlen. Es ist eher eine Risikoabwägung.“

Wie eingefangenes CO2 in reinen Kohlenstoff gewandelt wird

Deshalb forschen Wissenschaftlerinnen wie Neele Uhlenbruck am KIT in Karlsruhe daran, wie CO2 aus der Luft abgeschieden und dann vor allem auch gespeichert werden kann.
Sie ist jetzt in das Gebäude gegangen, das direkt an die Direct Air Capture-Anlage anschließt. Das eingefangene CO2 wird hier über mehrere Schritte in unterschiedlichen Anlagen in reinen Kohlenstoff umgewandelt. Uhlenbruck hält ein Glas mit schwarzem Pulver in der Hand.
„So, das ist jetzt ein kleines bisschen von dem Kohlenstoff, den wir Ende November hergestellt haben. Also dieser Kohlenstoff war Mitte November auf jeden Fall noch CO2 in der Luft.“

Das KIT forscht daran, festen Kohlenstoff herzustellen

Diese Anlage in Karlsruhe ist laut Uhlenbruck weltweit einzigartig. Bisher ging es meist darum, das CO2 als Gas zu speichern oder es weiter zu verarbeiten, um es für andere Anwendungen zu nutzen, zur Herstellung alternativer Kraftstoffe zum Beispiel. Jetzt hat sie hier reinen Kohlenstoff aus CO2 hergestellt, den man einfach einlagern kann. Eine Idee ist, ihn als Ersatz für den immer knapper werdenden Sand bei der Zementherstellung zu nutzen. Dann wäre der Kohlenstoff langfristig in Gebäuden gespeichert.
„Wir glauben, dass es einfach so viele Technologien wie möglich geben muss, um das CO2 zu speichern und damit dem Klima zu helfen. Ja, vor dem Hintergrund, dass man eben für verschiedene Orte auf der Welt auch verschiedene Möglichkeiten dann nutzen könnte, gucken wir uns an, wie wir festen Kohlenstoff herstellen, damit man den eben lagern könnte. Wenn ich aus welchen Gründen auch immer CO2 nicht als CO2 lagern kann oder möchte, dann bietet ein Feststoff tendenziell weniger Schwierigkeiten als ein Gas, wenn man es einlagern möchte.“

Norwegen will CO2 unter dem Meer speichern

Der Nachteil: Es braucht viel Energie, um diesen festen Kohlenstoff herzustellen. Wie viel CO2 so aus der Luft entnommen und eingelagert werden kann, ist derzeit völlig unklar. Weiter ist man dagegen mit dem sogenannten CCS, wo das eingefangene CO2 gelagert wird, ohne es umzuwandeln - in den Niederlanden, Island oder Dänemark beispielsweise. Norwegen bereitet den Import von CO2 im großen Maßstab ab 2024 vor. Dort will man es in alten Gaslagerstätten unter dem Meer speichern. Anfang der 2000er Jahre hatte auch Deutschland Anstrengungen unternommen, eine solche Lagerung zum Beispiel in der Lausitz bei den großen Braunkohlekraftwerken aufzubauen. Der Energiekonzern Vattenfall wollte das CO2 dort unterirdisch verpressen. Das Ganze wurde nach erheblichen Protesten aus der Bevölkerung eingestellt, erinnert sich Karin Pittel. Sie leitet das Zentrum für Energie, Klima und Ressourcen am Münchner IFO-Institut.
„Gerade der Einspeicherungsteil, der ist natürlich in Deutschland hochumstritten, wobei man natürlich auch diskutieren kann, woran das gelegen hat. Ich meine, ein Fakt, der da wahrscheinlich eine große Rolle gespielt hat, ist, dass CCS - also quasi das Einfangen und das Einspeichern von CO2 - gerade am Anfang vor allen Dingen im Kontext von Kohle zum Beispiel zur Stromherstellung oder von Erdgas diskutiert wurde. Also, dass man eigentlich das nutzen wollte, damit man die fossilen Energieträger selber weiter nutzt. Auch da, wo es eben eine Option gibt, das über erneuerbare Energien zu ersetzen. Und das hat natürlich eine extrem geringe Akzeptanz.“

Kritik an der Carbon Management-Strategie der Bundesregierung

Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer sogenannten „Carbon Management-Strategie“. Sie soll unter anderem, regeln, wer überhaupt „unvermeidbare“ Emissionen erzeugt – eine äußerst schwer zu beantwortende Frage, auf die unterschiedliche Akteure sehr unterschiedliche Antworten haben werden. Die Strategie soll hierfür einen rechtlichen Rahmen schaffen und eine mögliche CO2-Infrastruktur vorbereiten. Sie könnte der heutigen Infrastruktur für Öl ähneln - nur in umgekehrter Richtung. Anlagen fangen das CO2 ein, es wird über Pipelines transportiert, gegebenenfalls an Häfen mit speziellen Terminals auf Schiffe gepumpt und dann im Boden verpresst, vermutlich unter dem Meer – Investitionen in Milliardenhöhe wären dazu nötig. Nadja Charaby ist Referentin für Klimapolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Linkspartei nahesteht. In ihren Augen wären all diese Ressourcen an anderen Stellen im Klimaschutz besser aufgehoben.
„Die Frage ist ja eigentlich eher: Warum sind wir jetzt da an diesem Punkt in der Debatte? Der Hintergrund ist ja eine völlig verschleppte Energiewende, der fehlende Ausbau erneuerbarer Energien, keine ernsthaft eingeleitete Verkehrs- oder Mobilitätswende und vor allem keine ernsthafte Debatte über eine gesamtwirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Transformation, weg vom fossilen Wachstum. Und ich glaube, dass mit der Debatte um CCS da die Prioritäten im öffentlichen Diskurs falsch gesetzt werden. Also würde ich eher fragen: Was können wir tun, um die Notwendigkeit von CCS zu vermeiden?“

Akzeptanz für Windkraft, Solar und Tempolimit fördern

Die Bundesregierung aber will wohl schon im Jahr 2030 Millionen Tonnen CO2 abscheiden und speichern, um die Klimaziele einhalten zu können, denn der Ausstieg aus den fossilen Energien läuft bisher zu langsam. Damit würden auch eigentlich vermeidbare Emissionen kompensiert, ein Offenbarungseid meint Charaby. Entlarvend findet sie zum Beispiel, dass in den USA, aber auch in Europa gerade die großen Konzerne der fossilen Industrien viel Geld in die Forschung zu CCS stecken: die Ölkonzerne Shell und Total Energies in den Niederlanden zum Beispiel. Teil der deutschen Carbon Management-Strategie sollen auch Aufklärungskampagnen sein. Damit will man Fehler beim ersten Versuch, CCS zu etablieren, nicht wiederholen und um Akzeptanz für diese Technik in der Bevölkerung werben.
„Und da bin ich jetzt wirklich an einem Punkt, dass ich denke: Wir brauchen an ganz vielen Stellen gesellschaftliche Akzeptanz für richtige Lösungen: für Windkraft, für Solar, für so etwas wie Tempolimit, eine zum Beispiel ziemlich schmerzfrei und einfach umzusetzende Maßnahme. Das kriegt die Bundesregierung nicht hin. Und dann will sie aber so etwas Komplexes wie eine Carbon-Management-Strategie umsetzen? Sorry, ich glaube da nicht so ganz dran.“
Ein Mitglied der Klimaschutz-Protestgruppe "Letzte Generation" steht mit einem Schild mit der Aufschrift "Kein Tempolimit beim Tempolimit" vor dem Bundesverkehrsministerium, wo die Gruppe 500 Tempo-100-Schilder ablegt. Mit der Aktion wollen die Aktivisten erreichen, dass umgehend eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf bundesdeutschen Autobahnen eingerichtet wird, um die CO2-Belastung deutlich zu verringern.
Klimademonstranten wollen umgehend eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf bundesdeutschen Autobahnen, um die CO2-Belastung deutlich zu verringern (pa/dpa/Paul Zinken)

Bewerbung privater Firmen für den Aufbau einer CO2-Export-Infrastruktur

Die Bundesregierung arbeitet trotzdem an dieser Carbon-Management Strategie, genauso wie an einem Kohlendioxidspeichergesetz. Auch die EU-Kommission bereitet die CO2-Speicherung bereits konkret vor. Bis Dezember dieses Jahres können sich private Unternehmen für den Aufbau einer CO2-Export-Infrastruktur bewerben, auch in Häfen. Das seien sinnvolle Schritte, findet Roland Dittmeyer, der wie Neele Uhlenbruck in Karlsruhe an der CO2-Abscheidung forscht. Er leitet das Institut für Mikroverfahrenstechnik und versucht den Stromverbrauch von Abscheidungsanlagen zu verringern.
„Bei Air Capture ist es so: Die Kritiker sagen: Ah, viel zu teuer, viel zu viel Energie, brauchen wir nicht. Stimmt aber nicht, werden wir auf jeden Fall brauchen. Und es muss entwickelt werden. Das kann nicht die Anstrengungen ersetzen im Bereich CO2-Emissionsreduktion und muss parallel entwickelt werden. Das schließt sich nicht aus. Wir brauchen beides.“

50 Millionen Tonnen CO2: "Wir kriegen die Menge nicht weg"

Roland Dittmeyer steht vor dem Gebäude, in dem sein Labor untergebracht ist und blickt hinauf aufs Dach. Demnächst will er dort Versuchsanlagen bauen lassen, die neue Labor-Techniken in größerem Maßstab unter realen Bedingungen erproben. Die Menge an CO2, die diese Anlagen dann filtern könnten, ist allerdings, verglichen mit dem heutigen Ausstoß, verschwindend gering. CO2-Reduktion, Dekarbonisierung und der Ausbau Erneuerbarer Energien, alles zusammen sei daher das Mittel der Wahl, sagt Dittmeyer.
„Weil, wir kriegen die Menge nicht weg. Wir kriegen die Menge nicht weg. Also was haben wir denn? Wir emittieren 40 Gigatonnen jetzt. 40, 50 Gigatonnen, also 50 Millionen Tonnen.“
In this September 2021 image provided by Climeworks AG, CEOs Jan Wurzbacher and Christoph Gebald appear in front of an air-scrubbing machine where fans suck air into big, black collection boxes where the carbon dioxide accumulates on a filter at Climeworksâ Orca plant near Reykjavik, Iceland. The Iceland plant is the largest such facility in the world, capturing about 4,000 metric tons of carbon dioxide per year.
Kohlendioxid wird über riesige Ventilatoren in große schwarze Boxen aufgesogen und gefiltert. Die Anlage wird von der Climeworks AG betrieben - nahe der Orca-Anlage bei Reykjavik, die 4.000 Tonnen CO2 pro Jahr abscheiden kann. (pa/AP/Climeworks AG)

Größte Anlage scheidet gerade einmal 4.000 Tonnen CO2 pro Jahr ab

Zum Vergleich: Die derzeit größte betriebene Anlage in Island kann 4.000 Tonnen CO2 pro Jahr abscheiden. Größere Anlagen entstehen gerade in den USA.
„Wenn die gebaut sind, in ein paar Jahren, dann haben wir ein paar Millionen Tonnen. Es ist immer noch ein Faktor-Tausend weg von einer Gigatonne. Da sieht man mal, wo die Latte hängt. Deswegen müssen wird das parallel entwickeln. Und da muss natürlich auch Geld reinfließen. Und das ist keine Ausrede, für mich jedenfalls nicht, die Reduktion zu verlangsamen. Weil wenn ich dann 50 Gigatonnen... kann ich... das ist unvorstellbar meiner Meinung. Es ist ja so schon viel.“