Im März schaut die Sportwelt in den USA traditionell in die Basketball-Hallen der großen Universitäten: Beim sogenannten March Madness Turnier treten die besten Baskeball-Teams aller US-amerikanischen Colleges gegeneinander an. Es ist ein Spektakel, das über Wochen hinweg Millionen von Zuschauern vor die Bildschirme und tausende Fans in die Hallen lockt.
„Die Bedeutung des College-Sports ist absolut riesig“, erklärt Johannes Herber, der Anfang der 2000er für die West Virginia University Basketball gespielt hat und mehrmals beim prestigeträchtigen March-Madness-Turnier dabei war.
Riesige Faszination und ein Riesengeschäft
„Die Kleinstadt, in der die Universität war, hatte nur 50.000 Einwohner, aber wir haben bei unseren Heimspielen 15.000 Zuschauer gehabt. Die Football-Mannschaft hatte 50.000 bis 60.000 Zuschauer. Die Menschen kommen einen Tag vorher in die Stadt, kommen mit ihren Wohnmobilen auf den Parkplatz und fangen schon an zu feiern. Wir wurden nach erfolgreichen Spielen am Flughafen empfangen. Also die Begeisterung für den Sport dort ist riesig.“
Mit der Begeisterung der Fans kommt für die Universitäten in allen Teilen der USA vor allem eins: Viel Geld in die Schulkassen. „College-Sport in den USA ist das große Geschäft“, weiß Sportrechtler Marc Edelman, der sich seit Jahrzehnten intensiv damit beschäftigt.
Eine 18-Milliarden-Dollar-Industrie
„Der gesamte College-Sport-Betrieb repräsentiert eine 18 Milliarden Dollar schwere Industrie, gewisse College-Mannschaften bringen sogar mehr Geld ein, als Teams in den professionellen Ligen. Aber bis heute hat noch keine Universität seine Sportler direkt für ihre Dienstleistungen bezahlt. Für die Arbeit, die sie auf dem Feld oder dem Court leisten. Selbst in Situationen, in denen das Team so viel Geld einbringt, dass sogar die Trainer Millionengehälter erhalten.“
„Das ist schon eigentlich ein Profi-Leben, was man dort führt“, erzählt Johannes Herber. Der Alltag vieler Sportlerinnen und Sportler am College besteht nach der Uni aus stundenlangem Training, mindestens fünf Mal die Woche.
Die Unis argumentieren mit den Stipendien
Aber: „Man bekommt dort keine monetäre Gegenleistung, man bekommt ein Stipendium und das ist auch immer abhängig von der Zugehörigkeit zur Mannschaft. Wenn man aus der Mannschaft fliegt, ist das Stipendium futsch.“
Bisher haben sich die Universitäten aber mit genau dieser Argumentation um eine Bezahlung ihrer Sportlerinnen und Sportler gedrückt: Das Stipendium sei eine Art Entlohnung, die Athleten in erster Linie Studentinnen und Studenten und keine Angestellten.
„Wir bekommen keine Vergütung in irgendeiner Art, obwohl wir dadurch, dass wir dem Team angehören, im Grunde Vollzeit arbeiten.“
Universität nutzt Basketball-Team als Werbung
Cade Haskins spielt aktuell Basketball am Dartmouth College. Eine Universität, die wie Harward oder Yale zur so genannten Ivy League gehört, den acht ältesten und renommiertesten Universitäten in den USA.
„Das Dartmouth Basketball-Team bringt der Universität nicht einmal ansatzweise den Umsatz, wie Teams anderer hochkarätiger Sport-Universitäten, wie zum Beispiel das Football-Team der Ohio State University“, erzählt College-Sport-Experte Marc Edelman.
„Aber trotzdem existiert zum Beispiel ein Fernsehvertrag, all ihre Spiele werden übertragen. Die Universität nutzt das Team als Werbung, um neue Studentinnen und Studenten anzuziehen. Nichtsdestotrotz haben diese Athleten bisher noch nicht einmal Mindestlohn für ihre Arbeit erhalten.“
Dartmouth-Basketballer gründen Gewerkschaft
Auch deshalb haben die Basketballer der Dartmouth Universität jetzt einen historischen Schritt gewagt: In einer Abstimmung hat sich das Team mehrheitlich dazu entschieden, als erstes College-Sportteam überhaupt eine Gewerkschaft zu gründen.
„Das öffnet natürlich die Tür für die Sportler, um durch Verhandlungen weit mehr rauszuschlagen: Nicht nur mehr Gehalt, sondern auch andere Arbeitszeiten oder sogar eine direkte Beteiligung an den Einnahmen.“
Urteil: Sportler sind Angestellte der Universitäten
Möglich gemacht hat das eine Entscheidung des National Labor Relations Board, kurz NLRB. Eine Bundesbehörde, die die Arbeitsbeziehungen zwischen privatwirtschaftlichen Arbeitgebern und deren Arbeitnehmern überwacht. Nach jahrelangen Debatten hatte die regionale Direktorin der NLRB im Februar geurteilt, dass College-Sportlerinnen und -Sportler durch ihre Tätigkeit eine Dienstleistung erbringen und damit Angestellte der Universitäten sind. Ein Meilenstein in der Geschichte des College-Sports, erklärt Marc Edelman.
„Zum ersten Mal kann sich eine Universität nicht einfach hinter den Regeln ihres Gewerbeverbands verstecken, um so ihren Athleten grundlegende Arbeitsrechte zu verweigern.“
"Jeder fühlt sich ausgenutzt von der Ivy League"
Aber Dartmouth ist als private Universität ein Sonderfall. Die meisten anderen erfolgreichen College-Sport Unis sind staatlich - und unterliegen nicht der Aufsicht der NLRB. Deshalb haben die Sportler in Dartmouth einen Hebel, den andere wie die Footballer der staatlichen Ohio State University noch nicht haben. Sportrechts-Experte Marc Edelman glaubt, dass es aber auch hier ein Schlupfloch gibt.
„Weil die Ohio State University zum Beispiel eine von vielen Universitäten ist, die auf sportlicher Ebene in einer privat organisierten Liga spielt, der Big Ten Conference, kann das Argument gelten, dass diese Athleten bei ihrer staatlichen Universität und bei ihrer privat organisierten Liga angestellt sind. Wenn dieses Argument tatsächlich erfolgreich wäre, dann würde das bedeuten, dass auch die Teams der Ohio State University in den Zuständigkeitsbereich der Bundesbehörde NLRB fallen.“
Das National Labor Relations Board wird sich also auch in den nächsten Monaten weiter intensiv mit dieser Grundsatzfrage auseinandersetzen müssen. Das Dartmouth College hat gegen die Entscheidung seiner Basketballer ebenfalls Einspruch eingelegt und will im Ernstfall auch juristisch dagegen vorgehen. Cade Haskins vom Darmouther Basketball-Team ist sich aber sicher, dass der Schritt seiner Mannschaft absolut richtig war. Er erzählt im Interview mit NBC:
„Wir sind nicht die einzigen, die über die Ivy League und unsere Universitäten frustriert sind. Alle fühlen sich so. Jeder fühlt sich ausgenutzt von der Ivy League. Und das wollen wir ändern.“