Sarah Zerback: Es ist ein weiterer Tiefpunkt in der Russland-Affäre: Vorwürfe, die hoch brisant sind. Der ehemalige FBI-Chef James Comey hat gestern unter Eid ausgesagt, wiederholt, US-Präsident Donald Trump habe ihn unter Druck gesetzt, die Ermittlungen rund um unerlaubten Kontakt seines Wahlkampf-Teams zu Russland einzustellen, hat an seine Loyalität appelliert.
Donald Trump hat gestern nun über seinen Anwalt ausrichten lassen, alles Lüge, und das vor wenigen Minuten auch selbst in die Welt getwittert, hat James Comey einen Whistleblower genannt, eine undichte Stelle. Gleichzeitig sieht er sich trotz dieser falschen Erklärungen, trotz dieser Lügen vollständig und total rehabilitiert. Auch das schreibt er und das wirft Fragen auf. Stellen können wir sie jetzt Christian Hacke, Politikwissenschaftler und US-Experte. Guten Tag, Herr Hacke.
Christian Hacke: Seien Sie gegrüßt, Frau Zerback.
Zerback: Donald Trump sieht sich vollständig bestätigt. Hat er wohl eine andere Aussage gehört als der Rest der Welt?
Hacke: Vermutlich ja. Aber das kennen wir schon von ihm. Hier erhärtet sich das, was wir schon in den letzten Wochen und Monaten sehen: Die Polarisierung in den USA geht weiter. Donald Trump bleibt uneinsichtig. Die auf ihn gesetzt haben, dass er sich wandeln würde, das ist nicht eingetreten. Er wird noch härter, noch dogmatischer, sagen wir mal, schlägt noch mehr um sich.
Aber nun hat er zum ersten Mal natürlich in der Öffentlichkeit und dann noch vor dem Kongress einen formidablen Gegner gefunden, der kühl und trotzdem überzeugend die Vorwürfe zum Teil erhärten konnte, denen sich jetzt Trump ausgesetzt sieht, und da ist natürlich auch Comey bisher noch begrenzt, weil er selbst gesagt hat, vieles kann erst in den geheimen Ausschuss-Sitzungen zu Tage treten. Es wird noch Wochen und Monate dauern in dieser Auseinandersetzung, aber es wird enger für Donald Trump.
Zerback: Da kam es ja gestern durchaus auf die Zwischentöne an. – Was ist denn Ihre Einschätzung? Sie haben die Aussage gehört. Ist das, von dem James Comey gesprochen hat, nun eine Behinderung der Justiz, oder ein politischer Fehltritt?
Hacke: Das Problem besteht ja nun darin, in der Schlüsselfrage, was ist bei den Vorwürfen justiziabel und nicht, und das kann man im Moment bei dieser Lage und auch bei den öffentlichen Anhörungen noch nicht sehen. Das wird sich erst in nächster Zeit erweisen. Aber es ist klar, dass Trump mit seinen Äußerungen natürlich auch deutlich macht, dass er sich immer mehr gefangen sieht, und die Frage ist nun, was tut er.
Er wird natürlich seine eigenen Anhänger weiter aufputschen. Auf der anderen Seite ist Comey heute zum Helden eines, sagen wir mal, aufgeklärten demokratietreuen Amerika geworden und nun setzen alle natürlich ihre Hoffnung darin, dass weiterhin das System funktioniert, das System arbeitet und dass weiterhin Vertreter wie Comey, sei es aus dem Weißen Haus später, wenn sie angehört werden müssten, oder aus anderen Institutionen, genauso offen und klar ihre Kritik am Präsidenten darlegen, wie das Comey vorbildlich gemacht hat.
"Nixon im Vergleich zu Trump fast ein vorbildlicher Demokrat"
Zerback: Ich höre da raus, Sie halten Comeys Aussage durchaus für glaubwürdig, auch wenn er ja von Trump entlassen wurde und vielleicht da noch eine Rechnung zu begleichen hat?
Hacke: Die Dinge sind, glaube ich, jetzt soweit klargelegt worden, dass hier deutlich ist, dass der Präsident Einflussnahme versucht hat auf die Unabhängigkeit des FBI, auf Comey. Comey hat immer gesagt, es geht nicht um ihn selbst, es geht ums FBI, und da steht er auch stellvertretend für andere Institutionen und für andere Mitarbeiter.
Und wir hören ja aus allen Ecken und Kanten, wenn Sie die öffentliche Meinung lesen in den USA, wie sehr er mit seinen Mitarbeitern umgeht, wie er sie drangsaliert. Der Missbrauch von Macht ist offenkundig. Die Frage ist nur, inwieweit dies nun justiziabel nachgewiesen werden kann. Und dann natürlich mittel- oder langfristig, wenn sich das so erweisen sollte, unter Umständen auch ein Absetzungsverfahren, ein Impeachment eingeleitet werden könnte.
Zerback: Sehen Sie Hinweise darauf, dass wir dem Ganzen einen Schritt näher gekommen sind seit gestern?
Hacke: Ich glaube schon. Schauen Sie, es gibt zum Beispiel einen sehr berühmten Kollegen, einen Harvard-Professor von öffentlichem Recht, Professor Tribe, der jetzt schon sagt, dass der Vergleich eigentlich mit Nixon und Watergate irreführend ist. Das ist auch meine Meinung. Ich habe vor gefühlten 100 Jahren meine Habilitation über Nixon geschrieben und komme auch zu dem Ergebnis, dass damals Watergate, sagen wir mal, ein drittklassiger Einbruch von Kleinkriminellen war. Ich könnte jetzt natürlich ironisch zusetzen und sagen, dass Nixon natürlich im Vergleich zu Trump fast ein vorbildlicher Demokrat wäre. Das ist jetzt ziemlich überspitzt.
Aber es ist für mich und für viele völlig klar, dass im Vergleich zu Nixon die Verfehlungen von Donald Trump viel, viel umfassender sind. Hier geht es nicht nur um Beugung der Justiz, das haben wir auch bei Nixon gehabt, sondern neu ist hier die Frage der Vertuschung der Einflussnahme einer fremden Macht, der Russland-Komplex, dann der Verrat von Informationen, Stichwort die Informationen vom Mossad, die er an Lawrow weitergegeben hat, die Vermischung von, sagen wir mal, nationalen und persönlichen Interessen, wirtschaftliche Vorteilnahme mit Blick auf ihn oder seine Familie, seine Tochter, die ja nicht zufällig beim Besuch des chinesischen Staatschefs dann die Rechte bekommen hat für den chinesischen Markt. Hier sind so viele Dinge mehr, dass im Vergleich zu Nixon meiner Meinung nach hier die Büchse der Pandora viel, viel größer ist.
"Die Schlinge um den Präsidenten wird sich enger schlingen"
Zerback: Da wird uns noch einiges erwarten, glauben Sie. – Lassen Sie mich das Stichwort Verrat noch einmal aufgreifen, weil so ähnlich hat ja auch sich der US-präsident selber heute geäußert gegenüber James Comey, weil der ja zugegeben hat, vertrauliche Gespräche an die Presse weitergegeben zu haben.
Jetzt hat US-Präsident Donald Trump ja schon in der Vergangenheit gesagt, gegen Whistleblower, gegen Verräter, da werden wir hart vorgehen. Was glauben Sie denn, welche Konsequenzen drohen James Comey da jetzt in Zukunft noch?
Hacke: Ich glaube, dass das ein Ablenkungsmanöver ist. Wir haben jetzt ja erst einen Ausschuss und wir haben noch mehrere Ausschüsse, die unter Umständen kommen werden. Dann haben wir natürlich die Untersuchungen des Beauftragten Mueller, der natürlich sich nur auf potenziell kriminelle Vergehen konzentrieren wird. Das ist ein Ablenkungsmanöver, was im Moment, glaube ich, nur die Schlagzeilen macht.
Aber hier gibt es genügend auch gesetzliche Grundlagen, die jetzt zum Tragen kommen, die bei Nixon nicht zum Tragen kamen. Nehmen Sie den Foreign Agent Registration Act von 1938. Der war ursprünglich gegen Propaganda des Dritten Reiches. Das ist natürlich jetzt unter Umständen ein Anhaltspunkt, um nachzuforschen, inwieweit russische Einflussnahme hier möglicherweise gewesen ist, weil die sich nicht registriert haben, was alles hätte sein müssen nach diesem Act. Dann haben Sie den Foreign Corrupt Practices Act von 1977, der ganz klar jetzt aufweist – das war ja auch in der Folge von Watergate -, wie Bestechungsgelder vermieden werden können, wie die Strafbarkeit nachgewiesen werden kann.
Die amerikanischen Justizmühlen mahlen sehr langsam, aber das Ganze ist jetzt in Gang gekommen und ich denke, über kurz, vermutlich erst über lang wird es nicht umhin kommen, dass in irgendeiner Form, sei es über Impeachment, sei es aber auch über den Zusatzartikel der Verfassung 25 vierter Absatz, dass dann unter Umständen mit Hilfe auch des Vizepräsidenten hier die Schlinge sich um den Präsidenten enger schlingen wird, denke ich schon.
Zerback: … sagt Christian Hacke, der Politikwissenschaftler und US-Experte. Besten Dank für das Gespräch.
Hacke: Ich danke Ihnen auch.
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