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Comic
Aus der Kommunikationshölle

Comic-Autorin Julia Bernhard zeigt in ihrem Debüt Geschichten aus dem wahren Leben: und zwar genauso absurd, frustrierend und vor allem witzig, wie das Leben als junge Frau eben ist. "Es geht um Unterhaltungen, die man langfristig gerne umgehen würde", sagt sie über ihr gelungenes Erstlingswerk.

Von Ramona Westhof |
"Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, Pflanzen, Haustieren, Gegenständen oder Gegebenheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt" - das steht am Ende des Buches. Und ist geflunkert. Die Inspiration für Julia Bernhards Comic, "Wie gut, dass wir darüber geredet haben", ist nichts anderes als das wahre Leben. Mit ein paar Übertreibungen.
Julia Bernhard: "Die Realität ist ja selten so spannend, dass man sie wirklich in einen Comic umwandeln kann. Also viele Dinge, die ich in dem Buch thematisch aufgreife, sind mir oder Freunden von mir über einen längeren Zeitraum passiert. Und auch die Unterhaltungen, die man im normalen Leben hat, sind ja normalerweise nicht wirklich besonders pointiert."
Ein Einhorn im Büro und Stifte in der Nase
Die Texte im Comic sind dagegen sehr pointiert. Und allein die Details sind genial: Im Gemeinschaftsbüro trägt plötzlich jemand eine Einhornmaske. Eine Kollegin hockt auf ihrem Schreibtisch. Eine andere steckt sich vor lauter Langeweile Stifte in die Nase. Nichts davon hat mit der eigentlichen Handlung zu tun. Die Aussage liegt bei Julia Bernhard im Subtext:
"Es geht um so archetypische Unterhaltungen, die im Leben von einer jungen Frau, so Mitte 20, Anfang 30, immer wieder auftauchen und die man, glaube ich, gerne langfristig umgehen würde."
In zehn Episoden illustriert Bernhard diese Unterhaltungen. Die Gespräche sind in der Ich-Perspektive gezeichnet: Wir sitzen der Großmutter gegenüber, die uns fragt, wann wir denn endlich mit dem Studium fertig sind. Wir blicken auf unseren Kuchenteller, sagen, dass das eben länger dauert. In einer anderen Szene erklärt uns unsere Affäre, warum sie keine Beziehung will - noch bevor sie ihren BH wieder angezogen hat. Und lobt sich dann für ihre Ehrlichkeit.
Scheitern von Kommunikation
Bernhards illustrierte Gespräche zeigen das Scheitern von Kommunikation. Und gesellschaftliche Erwartungen, die wir nicht erfüllen können oder nicht erfüllen wollen. Sie zeigen auch, wie man mit diesem Druck umgehen kann – oder wie man es besser nicht tut:
"Die Protagonistin macht das vielleicht nicht unbedingt auf optimale Weise, geht dem ja komplett aus dem Weg. Bis sie sich am Ende mehr oder weniger auflöst."
Und das wörtlich: Zwischen den Szenen ist immer wieder dieselbe junge Frau zu sehen. Mit jedem Kapitel sinkt sie weiter in ihr Sofa bis sie am Ende ganz darin verschwindet. Übrig bleibt ihr Hund, ihm bricht es das Herz.
Der "Unvermittelbare-Reste-Tisch"
Die Szene erinnert an Paulinchen im Struwwelpeter, die verbrennt und von ihren Katzen beweint wird. Nur spielt bei Bernhard niemand mit Streichhölzern. Das Problem liegt woanders:
"Gerade bei Frauen ist es so, dass wir ja oft so sozialisiert worden sind, dass wir allen Erwartungen entsprechen wollen und immer nett sein wollen, es immer allen recht machen wollen. Und das ist was total Toxisches, wo du dann auch am Ende anfängst, dich selbst als Person zu verleugnen."
Die Oma rät uns, nicht erst mit 38 Kinder zu bekommen. Die Eier werden ja schließlich auch nicht frischer. In der Kneipe lästert eine Freundin über ihren Freund. Schluss machen kommt aber nicht infrage, sie hat Angst vorm "Unvermittelbare-Reste-Tisch" auf Hochzeiten.
Wie sehr wir diese Erwartungen verinnerlicht haben, den Druck auch dann spüren, wenn wir alleine sind, zeigt Bernhard an anderer Stelle. Selbst die Wohnungseinrichtung macht uns Vorwürfe: Eine Zimmerpflanze erklärt uns, wir sollten sie mal wieder gießen. Oder lüften. Oder das Haus verlassen. Der Toaster warnt uns, dass wir einmal einsam und alleine sterben werden. Immerhin der Hund sagt, dass er uns liebt. Zitiert Bukowski, senkt seinen Hintern und macht einen riesigen Haufen.
Fans erkennen sich wieder
Julia Bernhard ist keine Unbekannte. "Wie gut, dass wir darüber geredet haben" ist zwar ihr erster Comic, aber die kurzen Formate, die sie online veröffentlicht, haben schon viele Fans. Auch für den "New Yorker" und andere Magazine hat sie gearbeitet. Bernhard trifft einen Nerv:
"Oh, ich kriege wirklich sehr viele wunderbare Nachrichten. Gerade von jungen Frauen, die sich in den Situationen wiedererkennen. Und denen es gut getan hat, zu hören, dass es nicht nur ihnen so geht, was irgendwie so Familienplanung angeht und auch so Beziehungsgedöns. Da weiß ich dann, dass es auch einen Sinn hat, was ich mache und das nicht ins Leere reinschreie, sondern dass das auch wirklich Leute erreicht."
Wahrscheinlich die bessere Strategie, um mit dem Druck und den Erwartungen und der mangelnden Kommunikation umzugehen. Comics darüber zeichnen. Was auch hilft: das Wissen, dass es den anderen auch nicht anders geht.
Julia Bernhard: "Wie gut, dass wir darüber geredet haben"
Avant Verlag Berlin, 2019. 96 Seiten, 20 Euro.