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Comic-Autor Ralf König
"Die Evolution will weiter - auch wenn's ins Verderben führt"

"Kulturpessimismus ist keine gute Haltung", sagte Comic-Autor Ralf König im Dlf, aber mit Blick auf Klimawandel, Plastikmüll und Fleischkonsum bleibe ihm nichts anderes. Im neuen Band "Stehaufmännchen" seziert er die Evolution des Menschen. Als "alter, weißer Mann" verstehe er die Welt nicht mehr.

Ralf König im Corsogespräch mit Adalbert Siniawski |
Ein Bild aus Ralf Königs "Stehaufmännchen": Zwei Affen unterhalten sich über die Begattungsfreude des neuen "Alphamännchens"
Ein Bild aus Ralf Königs "Stehaufmännchen" (Ralf König, "Stehaufmännchen")
Adalbert Siniawski: Eine Evolutionsgeschichte, die wir so bisher nicht kannten. Die Affenkolonie in Afrika ist in Aufruhr: Das Alphamännchen – auch "der Diktator" und "Auslaufmodell" genannt – hat Erektionsstörungen und wird abgesägt vom Nachfolger Erec. Der, wie der Name schon andeutet, den aufrechten Gang probt und nicht weniger als den Evolutionssprung forciert: Feuer machen, Fleisch essen, Frauen begatten. Größenwahn setzt ein – da treten die Queerfeministinnen rund um Effi in den Sexstreik, während sich der schwule Hauptprotagonist Flop die gute, alte Zeit der Zwangshomosexualität zurückwünscht. So die groben Linien des neuen Comics "Stehaufmännchen" von Ralf König, den wir kurz vor der Sendung erreicht haben, herzlich willkommen zum Corsogespräch!
Ralf König: Ja, hallo, hi.
Siniawski: Sind Sie Fortschrittsmuffel oder Kulturpessimist – oder etwa beides?
König: Ich bin Kulturpessimist, muss ich leider sagen, ja. Aber ich Versuche, den Humor zu halten und mich auch anständig zu benehmen. Aber wenn man sich anguckt, was in der Welt passiert und was die Menschen machen, dass wir immer mehr werden und Plastik im Meer und - keine Ahnung - Insektensterben und Trump und all das, da würde ich doch sagen, da müssen wir uns aber sehr beeilen und die Kurve kriegen. Ich will keine schlechte Laune verbreiten. Kein Politiker kann sich hinstellen und sagen, hat ja eh jetzt keinen Sinn. Aber ich glaube, das wird schwierig die nächsten Jahre.
Der Comic-Zeichner Ralf König in Hamburg nach einer Probe zum Musical "Der bewegte Mann" .
"Es gibt heute sehr viele Leute, die diese Humor-Stufe nicht mitmachen": Der Comic-Zeichner Ralf König (dpa / Georg Wendt)
Siniawski: Aber da liegen Sie eigentlich ganz im Trend thematisch, aktuell: Klimadebatte. Nachhaltigkeit: ganz groß.
König: Ja, es beschäftigt mich also, ich hab' sogar zeitweise, also Wochen, im Winter meistens, wo ich das alles gar nicht mehr hören will, dann mach‘ ich das Radio morgens gar nicht mehr an. Dann bin ich in meiner Blase und fühle mich da auch ganz wohl. Aber es ist ja nicht, dass man nichts mitkriegt, wenn man sich den Medien mal ein paar Tage verweigert. Denn die wirklich wichtigen Sachen kommen ja zu einem, weil Freunde drüber reden. Oder man sieht die Schlagzeilen.
Aber nein, um die Frage noch auf den Punkt zu bringen, ich bin da tatsächlich, muss ich sagen, Kulturpessimist, und da wird man oft auch irgendwie so ein bisschen … ja, nicht angefeindet, aber man kriegt schon mal so ein bisschen aggressive Reaktionen allgemein. Also wenn man so sagt, irgendwie hat ja alles keinen Zweck. Ich glaube, das ist auch in der Evolution in uns eingeimpft, dass Leute, die sagen, "ah, lassen wir das mal mit dem ‚Vorwärts-Vorwärts‘ und mit dem Wirtschaftswachstum" und so, das ist ja dann sofort was Gefährliches. Ich glaube, die Evolution will weiter - auch wenn's ins Verderben führt, sie will weiter. Und der Kulturpessimismus ist keine gute Haltung. Aber man kann es ja nicht ändern. Außerdem bin ich noch Westfale und so ein bisschen pessimistisch drauf so, da kommen ja viele Dinge zusammen.
"Mit Gott hatte ich’s noch nie"
Siniawski: Ja, das stimmt. Die Evolution - ein Rohrkrepierer, könnte man ja denken. - Und da treten Sie auch den Gottesfürchtigen auf den Schlips, auch mit Zeilen wie: "Kein Gott, der uns hilft."
König: Ja, das glaube ich ja sowieso nicht. Also mit Gott hatte ich’s noch nie. Ich hab‘ ja auch einige Bücher gemacht zu dem Thema. Also wer da jetzt zum Himmel fleht und denkt, da kommt die Rettung her, da würde ich mich ja so sowieso an den Kopf packen.
Siniawski: Wir müssen es selbst schaffen.
König: Ja, natürlich müssen wir, wer denn sonst? Also, keiner hilft uns. Aber bevor wir jetzt zu ernst werden: Es ist, glaube ich, schon im Großen und Ganzen ein lustiger Comic, auch wenn er nachdenkliche Seiten hat. Aber im Großen und Ganzen hab‘ ich auch Spaß gehabt, es zu zeichnen.
Wir haben noch länger mit Ralf König gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Siniawski: Absolut, viele intelligente Seitenhiebe, Anzüglichkeiten, da steckt alles drin. Ich musste sehr lachen, kann es persönlich empfehlen. Und dennoch noch mal kurz die Frage … nach dieser berühmten Geschichte rund um den Hetero, der umgedreht werden soll, in "Der bewegte Mann" und etwa "Dschinn, Dschinn" mit seinem Plädoyer gegen den religiösen Fundamentalismus, geht es nun letztlich ... ja um das Überleben der Menschheit an sich. Sind das die fundamentalen Gedanken, die man kurz vor der 60 hat: Was ist der Mensch?
König: Ob das jetzt auch noch mit dem Alter zu tun hat, das weiß ich nicht. Es kann natürlich sein, man hat ja die Menschen eine Weile beobachtet, wenn man ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Und man hat einige Hoffnung gehabt, die dann auch vielleicht wieder gestorben ist.
"Werte werden plötzlich in Frage gestellt"
Siniawski: Klingt ziemlich nach "früher war alles besser".
König: Ach ja, wer will sich davon freimachen? Ich frage mich ja auch gerade, ob ich einer dieser weißen, alten Männer bin. Das ist ja gerade so dieses Schlagwort, dass man als weißer, alter Mann irgendwie Privilegien hat und … keine Ahnung, das sind natürlich Themen, mit denen ich mich auch auseinandersetze. Und wo ich so versuche, in mich zu gucken.
Aber ja, man versteht vielleicht die Welt irgendwann nicht mehr so richtig. Man hat so seine Werte, und die werden plötzlich in Frage gestellt, weil dann eine junge Generation kommt und so. Das sind alles Dinge, die gehen ja jedem so. Und die gehen jeder Generation so. Nur vielleicht in unserer geht es noch ein bisschen schneller durchs Internet, und dass jeder sofort seine Meinung hinausbrüllen kann und auch Gehör findet. Das ist auch eine Veränderung, die ist ja gravierend.
Siniawski: Das ist interessant, das bringt mich nämlich auf eine Meldung … ganz aktuell wollte der Rowohlt-Verlag, der den Comic "Stehaufmännchen" rausbringt, einen Penis auf dem Cover nicht gedruckt sehen. Fühlen Sie sich da mehr denn je zensiert, denn Sie haben jetzt einen Zweig einer Figur vor den Penis gelegt.
Das Cover-Bild von Ralf Königs "Stehaufmännchen": Erec steht aufgerichtet in voller Pracht - aber mit einem brennendem Zweig vor seinem bestem Stück.
Das Cover-Bild von Ralf Königs "Stehaufmännchen" (Ralf König – Stehaufmännchen)
König: Das war der absolute Selbstläufer, das hab‘ ich im Interview so im Nebensatz erwähnt. Es gab keinen Streit oder so. Es war nur einfach, dass der Hodensack von dem Homo Erectus auf dem Titelbild von "Stehaufmännchen" ein bisschen arg prall war für die Vertriebsdamen. Die meinten, dass der Inhalt vielleicht klüger ist als das Titelbild es verspricht, und dass vielleicht Leute abgeschreckt werden, es zu kaufen. Ich war damals so abgenervt von dem Buch, es war nicht ganz einfach, das zu zeichnen. Es dauerte auch alles viel zu lange, dass sich da ohne jeden Widerspruch gesagt hab‘: "Ja, okay. Wenn das so ist, dann mach‘ ich dem Erectus so einen brennenden Zweig da vor den Sack, dann ist der weg." Vorher war es schöner, aber ich hab‘ mich da auch nicht gewehrt. Aber so ist das halt. Man gibt ein Interview, und da hab‘ ich diese Geschichte eher belustigt nebenbei erzählt. Und - zack! - ist im Internet zu lesen: "Ralf König - Streit mit dem Rowohlt-Verlag über Hängehoden."
Siniawski: Nein, aber es zeigt auch so ein bisschen die Prüderie, oder? In unserer Gesellschaft.
König: Also das schon, und ich glaube auch tatsächlich, dass durch diese ganzen Facebook-Zusammenhänge, dass da alles, was mit Sex zu tun hat und mit Geschlechtsteilen - ob Comic oder nicht …
"Die Leute werden enger im Kopf"
Siniawski: … oder Kunstwerke, die zensiert werden, die Nacktheit darstellen.
König: Genau, das auch. Aber diese amerikanische Prüderie durch Facebook und durch diese ganzen amerikanischen Systeme, das sickert so ein. Ich glaube, die Leute werden auch davon irgendwie enger im Kopf und empfindlicher. Und ich weiß auch nicht, irgendwie ... das ist alles eine ungute Entwicklung. Also in vielerlei Hinsicht waren die 70er was das angeht sehr viel freier. Und da war ich noch zu jung, um das zu genießen, aber meine ganzen Helden, Robert Crumb und Vuillemin und Jean-Marc Reiser, diese Zeichner - auch heute, "South Park" oder so - das sind alles Leute, die einen grenzwertigen Humor gemacht haben, ja, und deswegen ist er toll. Deswegen tut es auch weh und legt Finger in Wunden und in Verklemmtheiten. Aber es gibt heute sehr viele Leute, die diese Humor-Stufe nicht mitmachen, die davon empört sind und erwarten und verlangen, dass es zensiert wird oder vom Markt verschwindet. Und das finde ich schon echt bedenklich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ralf König: "Stehaufmännchen"
Rowohlt-Verlag Hamburg, 2019. 192 Seiten, 24 Euro.