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Comics, Filme, Träume

Der Comic-Zeichner Winsor McCay ist der Erfinder von "Little Nemo", einer Serie, die erstmals 1905 in einer New Yorker Tageszeitung erschien. Darüber hinaus gehört McCay zu den Pionieren des Zeichentrickfilms. Nun sind über 100 seiner Originale im Troisdorfer Bilderbuch Museum ausgestellt.

Von Christian Möller |
    Ein Mann, der, lebendig begraben, aus dem Sarg heraus seiner eigenen Beerdigung zusieht, ein anderer, der sich, um eine Abendgesellschaft zu unterhalten, seinen Arm durchs eine Ohr in den Kopf schiebt und zum anderen Ohr wieder heraus. Eine Frau, deren federgeschmückter Sonntagshut sich in einen Vogel verwandelt und die Dame samt Gatten über der Stadt schweben lässt.

    Es sind ganz unglaubliche Geschichten, die das New Yorker "Evening Telegram" seinen Lesern serviert, wenn auch nicht auf der Titelseite. "Dreams Of A Rarebit Feind" , so heißt die Serie, die Winsor McCay ab 1904 für das Boulevardblatt zeichnete, zu Deutsch etwa "Albträume eine Käsetoast-Liebhabers.

    "Die Serie handelt immer von Albträumen, also Menschen, wo sich ein Traum zu einem ganz schlimmen Szenario auswächst und im letzten Bild auf dem Höhepunkt ihres Traumes quasi schweißgebadet in ihrem heimischen Bett hoch und werden wach.""

    Rund 990 Folgen der Serie erschienen, meist klein gedruckt und eingezwängt zwischen Anzeigen und Klatschkolumnen. Ein Format, das es der Kunstgeschichte leicht gemacht hat, McCay zu übersehen. Für Kurator Alexander Braun einer der Gründe, die Ausstellung zu organisieren.

    ""Als ich angefangen habe, Kunst zu studieren und gleichzeitig Windsor McCay für mich entdeckt habe, war ich sehr frustriert, dass die Kunstgeschichte immer nur im eigenen Bereich guckt und es immer Öl auf Leinwand sein muss, damit es rezipiert wird."

    Wenn es nach seinen Eltern gegangen wäre, dann hätte aus dem 1869 geborenen Winsor McCay ein kaufmännischer Angestellter werden sollen. Doch daraus wurde nichts. So sehr drängte es den jungen Mann zum Zeichnen, dass er einen Job als Plakatmaler für ein so genanntes "Dime-Museum" annahm.

    "Also, so eine Art Kuriositätenkabinett mit Wachsfiguren, mit ausgestopften Tieren und auch mit den sogenannten Freaks, also Leuten mit einer bestimmten körperlichen Deformation oder Behinderung, die in diesem Schaustellergewerbe vorgezeigt wurden."

    McCay porträtiert sie. Und vielleicht liegt in dieser Arbeit, im alltäglichen Umgang mit dem, was die Gesellschaft als anormal ausgrenzt, ein Grund für McCays Hinwendung zum Nicht-Alltäglichen, Irrealen, Grotesken in seinen Comics. Der Bekannteste ist "Little Nemo in Slumberland".

    "Die Geschichte von Little Nemo ist, dass sich König Morpheus, der König des Schlummerlandes sich einen Spielgefährten wünscht für seine Tochter, die Prinzessin und seinen Hofstaat ausschickt, diesen kleinen Jungen Nemo im Traum gewissermaßen ins Schlummerland zu begleiten."

    Ein Land, in dem nichts, aber auch gar nichts unmöglich ist. Die Traumrealität des Schlummerlands gibt McCay die Möglichkeit, die Wirklichkeit zu verbiegen. Etwa wenn in bestimmten Räumen von König Morpheus Schloss Möbel, Wände und Menschen ihre Größe verändern.

    "Also, diese Architektur scheint zu morphen, Gänge werden immer länger, in manchen Räumen sind sie winzig klein und die Möbel gigantisch groß, im nächsten Raum sind sie dann selber gigantisch groß als Personen und stoßen sich an der Decke den Kopf, während die Möbel ganz tief unter ihnen sind."

    Die Realität ist bei McCay außer Kraft gesetzt, kann mit Pinsel und Zeichenstift beliebig manipuliert werden. Für Kurator Alexander Braun gehört McCay deshalb zu den Vorläufern des Surrealismus.

    "Der Surrealismus wie er von Andre Breton definiert wurde beginnt erst in den zwanziger Jahren. McCay startet seine Traumserien 1904 und 1905, also er ist wirklich 15 bis 20 Jahre früher."

    Auch in einem anderen Genre ist McCay ein Vorreiter - im Zeichentrickfilm, dem er sich ab 1911 zuwandte. Und wie er es aus dem Comic gewohnt war, zeichnete er auch diese Werke ganz allein.

    "Gertie, the dinosaur", als Gertie der Dinosaurier, der Film von 1914 besteht aus zehntausend Einzelzeichnungen, also, allein der Zeitaufwand, das zu zeichnen, ist absolut enorm. Und er scheint da, in dieser Hinsicht auch ein Getriebener gewesen zu sein dieses Zeichnen war sein Lebensinhalt schlechthin."