Archiv

Commerzbank und Deutsche Bank
Banken-Experte: Abbruch der Fusionsgespräche "vernünftig"

Der Banken-Experte Hans-Peter Burghof begrüßt die Absage der Fusion zwischen Commerzbank und Deutscher Bank. Es habe weder gute Argumente im Sinne der Banken selbst noch für den Finanzmarkt gegeben, sagte der Professor für Bankenwirtschaft im Dlf.

Hans-Peter Burghof im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker |
Die Türme der Deutschen Bank und der Commerzbank mit ihrem jeweiligen Logo. Davor ein Baukran.
"Wir hätten vor allem im Bereich des gehobenen Mittelstandes weniger Wettbewerb gehabt, das ist nicht gut für Deutschland", sagt Hans-Peter Burghof (Imago Images)
Ann-Kathrin Büüsker: Die Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank ist vom Tisch. Wir wollen das Thema hier im Deutschlandfunk vertiefen mit Hans-Peter Burghof, Professor für Bankenwirtschaft und Finanzdienstleistung an der Universität Hohenheim. Einen schönen guten Tag, Herr Burghof!
Hans-Peter Burghof: Hallo aus Stuttgart!
"Wir wären auf Gedeih und Verderb ausgeliefert gewesen"
Büüsker: Herr Burghof, wie beurteilen Sie diese Entscheidung von heute?
Burghof: Ich glaube, das ist vernünftig. Wir haben tatsächlich keine wirklich guten Argumente bekommen sowohl was die Banken selber angeht, als auch was den Bankenmarkt generell angeht. Was die Banken selber angeht, die wären noch komplexer gewesen, man hätte erhebliche Kosten gehabt zunächst einmal, eh sich das vielleicht irgendwann mal auch kostenmäßig positiv auswirkt. Was die Gesamtwirtschaft angeht, wir hätten vor allem im Bereich des gehobenen Mittelstandes weniger Wettbewerb gehabt, das ist nicht gut für Deutschland, denn das ist eine besondere Stärke bei uns, und wir hätten natürlich ein Institut, das noch systemischer ist, wo wir also noch weniger sagen können, na ja, gut, wir finden irgendeine Lösung, weil diese neue Deutsche Commerzbank oder wie immer sie dann geheißen hätte, da wären wir auf Gedeih und Verderb dran ausgeliefert gewesen.
Büüsker: Was meinen Sie damit?
Burghof: Wenn diese Bank ins Schleudern kommt, dann hätte der deutsche Staat das um jeden Preis retten müssen. Dann hätten wir sie auch gleich verstaatlichen können.
"Ich fordere eine bessere Bankenregulierung"
Büüsker: Aber der Finanzminister hat sich ja durchaus einen genau so großen Champion gewünscht, also dass da eine große schlagfertige Bank ist. Können Sie dem Konzept nichts abgewinnen?
Burghof: Ich kann dem Konzept viel abgewinnen. Wir haben eine Bank, die das Potenzial dazu hat, auch global aktiv zu sein, das ist Deutsche Bank. Aber die Rahmenbedingungen, die dazu führen, dass die Deutsche Bank das nicht kann, die sind ja weiterhin existent. Das ist eine problematische Situation für Banken, die Niedrigzinsen, auch das gesellschaftliche Klima, das sich gegen sie richtet, enorm intensive Aufsicht. In den Aufsichtsgremien, in Vorständen, du beschäftigst dich fast nur noch mit Aufsichtsthemen. Also 70, 60, 80 Prozent der Zeit, wo man sich nur noch um Aufsicht kümmert – das ist extrem gefährlich. Wenn wir auf dem Wege die Deutsche Bank herunterwirtschaften, dann werden wir auch die neue fusionierte Bank herunterwirtschaften. Da müssen wir uns Gedanken drüber machen, wie wir die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die deutschen Banken erfolgreich sein können.
Büüsker: Also Sie fordern weniger Bankenregulierung.
Burghof: Ich fordere eine bessere Bankenregulierung, nicht weniger grundsätzlich, sondern man muss genau überlegen, wo man sich drauf konzentriert. Am Ende ersticken ja auch die Aufseher in den Informationsmassen und können dann doch nicht entscheiden, weil sie einfach sich nicht auf das konzentriert haben, was wirklich wichtig ist.
Büüsker: Aber gerade die Finanzkrise hat ja auch gezeigt, dass eine gewisse Regulierung notwendig ist. Wo würden Sie da denn ansetzen?
Burghof: Auf jeden Fall. Ich denke, dass man tatsächlich bei den großen Banken sehr intensiv regulieren muss, dass man genau gucken muss, was relevant ist, aber gegenwärtig sammelt die Aufsicht enorm viele Informationen, interveniert an vielen Punkten, hat sehr viele auch formale Pflichten eingeführt, die dann erfüllt werden müssen, die Zeit kosten. Wenn man mir sagt, der Aufsichtsrat, der Vorstand einer Großbank beschäftigt sich nur noch 20 bis 40 Prozent der Zeit mit den eigentlichen geschäftspolitischen Fragestellungen, mit Strategie, mit Personal, dann halte ich das in sich wieder für sehr gefährlich.
Aufsichtskosten bestimmen die Struktur des Bankensystems
Büüsker: Aber welcher Aspekt der Regulierung ist denn tatsächlich verzichtbar? Haben Sie da ein Beispiel?
Burghof: Ja, natürlich. Wir haben zum Beispiel viel zu viele Informationen, die die Banken über ihre Kredite melden müssen. Wir müssen bei der Geldwäsche – das ist ein Riesenthema – auch überlegen, wie wir da effizienter werden und tatsächlich uns auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist. Die Frage ist auch generell bei der Frage, wie man Zahlungsströme kontrolliert, wie intensiv die Aufsicht da drin sein muss. Es gibt sehr viele rein formale Pflichten in der Kontrolle des Risikomanagementsystems, wo dann also riesige Papiere geschrieben werden, die Testamente, die die Banken dann abliefern müssen, sind riesige Werke. Ich glaube, dass man da eine ganze Menge finden kann, wenn man das nur will. Die Aufsichtskosten haben sich in den letzten Jahren massiv erhöht, und heute bestimmen auch die Aufsichtskosten teilweise schon die Struktur des Bankensystems.
Büüsker: Aber das sind ja auch Aspekte, wo die Banken selbst unter Umständen Dinge hätten reformieren können und besser machen können. Haben die da unter Umständen auch in den vergangenen Jahren was verschlafen?
Burghof: Ja, natürlich, aber machen wir uns nichts vor, sowas wie die Finanzkrise 2008 ist ein Gemeinschaftswerk. Das war für die Politik immer einfach zu sagen, das sind die Banken schuld. Das sind die Banken auch, aber es waren auch die Regulierer mit dabei, die Dinge nicht getan haben, die sie hätten tun können. Also auch schon damals haben wir intensive Regulierung gehabt, aber am Ende hat der Regulierer im entscheidenden Augenblick bestimmte Dinge nicht verboten, was er hätte tun können. Es geht dann immer in die eine Richtung, entweder man ist zu stark repressiv, und dann geht was schief, und dann wird das Bankensystem ineffizient, und dann lässt man wieder zu viel Freiheit. Ich glaube, wir bräuchten einfach mehr Konstanz, mehr Maß in der Art, wie wir die Banken regulieren.
Büüsker: Aber wenn Sie sagen, in der Finanzkrise und vorher hätten die Regulative mehr verbieten können, was meinen Sie da konkret? Was hätte verboten werden müssen?
Burghof: Die Verbriefung, die die Banken damals vorgenommen haben über Special Purpose Vehicles in Dublin, die uns ja ganz massiv geschadet haben, die also im Grunde genommen die amerikanische Subprime-Krise nach Deutschland transportiert haben, wurden von den Aufsehern durchaus kritisch gesehen, und man hätte da einiges verbieten können. Man hat dann aber Fristen gesetzt teilweise, man hat auch nicht wirklich eingegriffen, obwohl man es teilweise gesehen hat.
"Die deutschen Bankgewinne sind definitiv zu niedrig"
Büüsker: Die deutschen Banken, die stehen jetzt insgesamt nicht so richtig gut da nach der Finanzkrise. Die amerikanischen Banken sind deutlich weiter, haben sich deutlich besser berappelt. Woran liegt das? Ist das eine Frage der Regulierung?
Burghof: Das ist auch eine Frage der Regulierung, es hat aber auch vor allem viel mit Wettbewerb zu tun. In Amerika, die Unternehmen müssen an den Kapitalmarkt, es fehlt diese breite Bankfinanzierung, die wir in Deutschland haben, und diejenigen, die den Schlüssel zum Kapitalmarkt halten, verdienen damit auch sehr viel Geld. Die deutschen Bankgewinne sind definitiv zu niedrig, die machen mir Sorgen, vor allem, wenn ich mir denke, dass das die Bankgewinne sind, die wir haben auf dem Höhepunkt der Konjunktur – was passiert denn, wenn das runtergeht. Die amerikanischen Bankgewinne sind wiederum zu hoch. Banken sind ja letztendlich nur Transaktionskosten der Wirtschaft, die dafür sorgen sollen, dass das Geld dahin fließt, wo es am besten verwendet werden kann. Wenn dann ein großer Teil der Gewinne in einer Wirtschaft den Banken zufließt, dann macht mir das auch Sorgen.
Büüsker: Was wird denn jetzt aus den beiden Banken? Vielleicht schauen wir zunächst mal auf die Deutsche Bank. Wo sehen Sie die in der Entwicklung der kommenden Jahre?
Burghof: Die müssen jetzt eigentlich erst mal ihre Probleme lösen, und es muss einen gewissen inneren Konsens dafür geben, dass man die Probleme löst. Ich glaube, da ist Sewing schon ganz gut vorangekommen. Der kommt von der Bank, der ist ein Mensch, der wahrscheinlich auch mit Menschen reden kann, der auch in der Bank die Leute motiviert. Man hat vorher sehr viel Negatives auch aus der Bank raus gehört. Das hat sich deutlich reduziert, und das hilft, die Probleme anzugehen. Welche strategische Lösung er dann findet, das muss man diskutieren. Man muss überlegen, wo können wir tatsächlich Synergien heben, und da redet man ja über DWS zum Beispiel, dass man die Vermögensverwaltung zusammenfasst, weil man dort offenbar doch große Synergieeffekte sieht, und wo man keine Synergieeffekte hat, wo man einfach nur besser und glaubwürdiger mit dem Kunden sein muss, denn der klassische große Mittelständer will ja eigentlich auch ein Vertrauensverhältnis mit seiner Bank, der möchte nicht immer sein Portmonee festhalten, wenn er zur Bank geht. Ich glaube, da hat die Deutsche Bank durchaus Potenzial, aber das wird auch eine Weile dauern, dieses Vertrauen wiederherzustellen.
Büüsker: Synergieeffekte, sagen Sie, das heißt dann aber auch Stellenabbau.
Burghof: Das heißt natürlich auch Stellenabbau zum Beispiel in der Vermögensverwaltung. Das ist ja das, was im Moment diskutiert wird, dass man da mit der UBS zusammengeht. Dann müsste man dort auch mit den Kosten runter.
Büüsker: Und was wird aus der Commerzbank?
Burghof: Tja, das ist ein bisschen schwieriger. Es gibt ganz böse Leute, die sagen, im Grunde genommen hat Herr Scholz die Commerzbank getötet, weil jetzt nämlich die Unabhängigkeit der Commerzbank tatsächlich infrage gestellt ist. Soweit würde ich nicht gehen. Ich glaube, dass die Commerzbank sehr gut stehen kann. Die ist sehr, sehr gut, auch im Mittelstand, in der mittelstandsfinanzierten ??? Fläche durchaus präsent in Deutschland, aber natürlich haben wir jetzt plötzlich ausländische Interessenten, die sagen, eigentlich könnten wir das auch machen. Solche Fusionsverhandlungen haben dann auch Konsequenzen, haben einen Preis. Man muss auch überlegen, die Kunden, die langfristig planen, vor allem die größeren Unternehmen, die haben natürlich jetzt diese Fusionsverhandlungen gesehen, und einige von denen haben angefangen, sich umzugucken. Die fangen an, woanders Interesse zu zeigen. Das heißt also, beiden Banken hat diese Verhandlung natürlich definitiv geschadet in der Kundenbeziehung.
"Scholz ist mir ein Rätsel"
Büüsker: Wie erklären Sie sich dann trotzdem das politische Interesse seitens des Finanzministers?
Burghof: Tja, wenn ich das wüsste. Es ist natürlich die Frage, was ist ein Staatssekretär, was ist derselbe. Der Staatssekretär kommt von einer Großbank, die die Vorstellung hat, dass Banken eigentlich so groß und mächtig sein müssten, damit sie effizient sind. Das ist nicht das deutsche Bankenbild. Das ist im Grunde genommen was Abgehobenes, was vielleicht in der Käseglocke in Frankfurt funktioniert, aber in der Fläche in Deutschland natürlich nicht. Wir wissen, dass kleine Banken ziemlich effizient sein können, wenn sie die Aufgaben so verteilen, also Dinge zentralisieren und andere regional machen, je nachdem, wo es am effizientesten geht. Das funktioniert mehr oder weniger gut in der Sparkassengruppe und in der Volksbankengruppe. Scholz selber, es ist mir ein Rätsel, wenn ich ehrlich bin. Also dass man jetzt hier den großen Industriekapitän spielen möchte, der die ganz große Industriepolitik macht, der auch eine Bank schafft, die dann ja noch viel gefährlicher wäre als das, was man vorhat – warum er das gemacht hat, ist mir ein Rätsel.
Büüsker: Das ist Ihre Bewertung. Er selbst würde das wahrscheinlich ein bisschen anders bewerten.
Burghof: Definitiv!
Büüsker: Deshalb hat er diesen Vorschlag ja auch gemacht. Gucken wir auf den deutschen Finanzstandort, den er damit ja sicherlich auch stärken wollte. Was würde es jetzt bedeuten, würde die Commerzbank von einer Bank aus dem Ausland geschluckt? Was würde das für den deutschen Finanzsektor bedeuten?
Burghof: Es macht auch die Kreditverfügbarkeit für den großen Mittelstand vielleicht etwas schwieriger. Es hängt aber sehr stark davon ab, wie diese Lösung aussieht, also ob diese Bank, die dann kommt, einen starken Schwerpunkt in Frankfurt bildet – Frankfurt ist der wichtigste Finanzplatz auf dem Kontinent – das würde sich durchaus anbieten –, oder ob man quasi sowas wie eine Zweigstelle ist. Davon hängt sehr stark ab, welche Auswirkungen das auf dem deutschen Bankenmarkt hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.