Energiegenossenschaften, gemeinschaftliche Urban-Gardening-Projekte oder bäuerliche Saatgut-Kooperativen in Afrika: Das sind keine Allheilmittel für die ökologischen Probleme, die unsere verschwenderische Wirtschaftsweise hervorbringt. Dies war Konsens gestern Abend bei der Veranstaltung im Frankfurter Haus am Dom. Doch Silke Helfrich, Mitbegründerin der "Commons Strategies Group" in Jena, zeigte sich überzeugt, dass die gemeinschaftliche Nutzung etwa von Grund und Boden oder von Automobilen eine besondere sozial-ökologische Haltung automatisch mit sich bringt:
"Das macht die Nutzungsintensität von Sachen größer, das macht die Menschen vom Geld unabhängiger, das erfordert viel Lernen, das ist aber auch Befähigung zum selber machen. Und insofern macht es uns auch zu einem anderen Menschen als den Konsumenten, der aus der Gemeinschaft herausgehen muss, um nicht nur materielle Bedürfnisse zu befriedigen, sondern auch soziale."
Nicole Göler von Ravensburg ist Professorin an der Fachhochschule Frankfurt am Main und begutachtet genossenschaftliche Institutionen in der Entwicklungszusammenarbeit- etwa für die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit - kurz GIZ. In Südafrika hat sie einst selbst an der Gründung einer landwirtschaftlichen Genossenschaft mitgewirkt. Es ging darum, eine bestimmte Pflanze anzubauen, die die Boden-Erosion bremst und dennoch landwirtschaftliche Erträge liefert.
Gemeinschaftliche Nutzung eines Naturproduktes
"Nur das diese Pflanze dort zum ersten Mal wuchs und das die große Aufmerksamkeit von großen Saatgutfirmen auf sich gezogen hat die dann dastanden und sagten: Das ist eine tolle Sache. Wir geben Euch Geld, wenn ihr uns diese Pflanzen überlasst. Doch die Dörfler wollten das aber nicht, die hatten die Idee, dass sie das lieber unter sich weiterbetreiben möchten. Und damit so umgehen, wie sie sonst mit ihrem Saatgut umgehen. Und die Idee war dann geboren, man muss eine Organisation haben, die das schützt, dies diesem Prozess schützt. Und das, was da in Frage kam, schien eine Genossenschaft zu sein. Und so bin ich von dieser gemeinschaftlichen Nutzung eines Naturproduktes zu einer Genossenschaft gelangt, ohne das mir damals jemand gesagt hätte, es ginge um Gemeingüter."
Genossenschaftliche Verteilung von Saatgut statt Kauf bei internationalen Agrarkonzernen - für Professor Nils Goldschmidt, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Siegen ist das ein Beispiel dafür, dass Gemeingüter eine sinnvolle Form des Wirtschaftes darstellen. Doch auch Marktmechanismen oder Staatseigentum können das in anderen Fällen sein, betonte Goldschmidt:
"Letztendlich geht es in der Frage nach der Ausgestaltung um die Frage nach Verfügungsrechten. Um property rights. Und wie wir Verfügungsrechte, wie wir Eigentumsrechte, wie wir property rights ausgestalten, das ist eine Frage von gesellschaftlicher, von politischer Entscheidung – von Gestaltungsaktionen."
Der Gestaltungsspielraum für ökologische Gemeingut-Wirtschaft wird allerdings durch Freihandelsabkommen wie TTIP eingeschränkt. Das steht für die Jenaer "Commons"-Aktivistin Silke Helfrich fest. Weil sie etwa multi-nationalen Konzernen im Agrarbereich freie Bahn schaffen, schmälern Abkommen wie TTIP aus ihrer Sicht schleichend die Flächen für lokale gemeinschaftliche Nutzungsformen:
"Dass wir an der Stelle gar nicht merken, dass wir einen Wettbewerbsvorteil für das andere Denken schaffen, dass den Commons immer weniger Raum lässt. Und wissen sie, was jetzt die Bauern in Europa machen: Sie kaufen Land, damit sie es überhaupt wieder vergemeinschaften können. Sie nutzen das zentrale Instrument der Marktwirtschaft, nämlich Privateigentum, um überhaupt wieder etwas anderes bewirtschaften zu können und es raus zu lösen aus dem Markt."