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Community Gardens in New York
Frisches Gemüse für alle

In New York City gibt es über 600 Gemeinschaftsgärten, die die Stadt zur Verfügung stellt, damit die Anwohner dort Gemüse anbauen können. Gerade in ärmeren Gegenden nutzen die Menschen die Flächen für ihre Grundversorgung mit Nahrungsmitteln.

Von Annick Eimer |
Frisches Gemüse liegt in einem Korb
Frisches Gemüse aus Eigenanbau für jedermann: In New York stellt die Stadt Fläche zur Verfügung, auf denen die Anwohner in sogenannten Community Gardens selbst anbauen können. (Getty Images North America / AFP / Chris Hondros)
Es ist ein warmer Sommertag in Bedford Stuyvesant, einem Stadtteil in Brooklyn. Da wo Clifton Place auf Marcy Avenue trifft, steht auf der einen Seite der Straße eine Obdachlosenunterkunft in einem schmucklosen Klinkerbau mit vergitterten Fenster. Auf der anderen Seite säumt ein Zaun einen Garten. In den Zaun ist ein Tor eingelassen, das offen steht und krumm in den Angeln sitzt. An dem Zaun hängt ein Schild auf dem steht: Hattie Carthan Community Garden.
"Dies ist ein Gemeinschaftsgarten für die Menschen. Dieser Garten ist für alle zugänglich. Wenn das Tor offen ist, sind Sie herzlich eingeladen hereinzukommen. Sie können sich hier hinsetzen und meditieren, ein Buch lesen, Spaß haben, relaxen oder was auch immer", sagt ein afroamerikanischer Mann, um die 70, auf dem Kopf trägt er eine Baseballcap. Er sitzt in dem Garten im Schatten eines Magnolien-Baumes.
"Jeder nennt mich hier J.R., Ich bin seit 19 Jahren in diesem Garten. Ich wohne hier in der Community und bin hier jeden Tag vorbeigekommen. Und eines Tages habe ich einfach mal angehalten, um zu schauen, was hier los ist."
J.R. ist Rentner. Vor der Rente ist er LKW gefahren, hat jeden Tag Obst und Gemüse von Norden des Staates New York in die Stadt gebracht. Heute verbringt er die meiste Zeit im Hattie Carthan Community Garden. Das, was er seine Community nennt, sind die Bewohner von Bedford Stuyvesant. BedStuy sagt man hier liebevoll, und BedStuy mit seinen 150.000 Einwohnern ist eines der ärmsten Stadtteile in New York City.
Obdachlosenheime neben Einfamilienhäusern
Bis vor zehn Jahren lebten hier noch fast ausschließlich arme afroamerikanische Familien. Zwar hat in BedStuy auch die Gentrifizierung eingesetzt, doch die Armut ist immer noch da. Zwischen Straßenzügen von Einfamilienhäusern, die nach und nach von weißen, wohlhabenderen Menschen aufgekauft werden, stehen alle naselang fünf bis zwanzig-geschossige Obdachlosenheime, in denen auch viele Familien wohnen. Der Garten trägt den Namen einer Aktivistin, die hier jeder kennt. Hattie Carthan, die in den Siebziger Jahren in BedStuy lebte, hat unter anderem dafür gesorgt, dass die Stadt im Viertel 1500 Bäume pflanzte.
Joan ist auch Mitglied der Gartengemeinschaft. Sie ist vor drei Jahren nach BedStuy gezogen, nachdem sie sich im benachbarten Clinton Hill das Wohnen nicht mehr leisten konnte.
"Ich heiße Joan. Ich wohne ganz in der Nähe, das ist wirklich praktisch. Es ist wunderbar hier. Ich versuche immer morgens zu kommen, um hier eine Tasse Kaffee zu trinken, denn hier ist es so friedlich, das ist der beste Start in den Tag. Das hier ist mein Frieden und alle Menschen hier sind wunderbar."
Zwei junge Männer wässern im New Yorker Hattie Carthan Community Garden eine Rabatte 
Ob Mangold, Spargel oder Gurken: Im Hattie Carthan Community Garden kann jeder anpflanzen, was er oder sie möchte (Getty North America / AFP / Chris Hondros)
Was die Lautstärke angeht, ist es hier allerdings alles andere als friedlich. Der Garten befindet sich in der Einflugschneise des Laguardia-Flughafens und im Fünf-Minuten-Takt donnern die Flugzeuge durch den Himmel. Und trotzdem hat der Garten etwas von einer Oase mit hippiehaften Zügen. Stühle und Tische sind wild durcheinandergewürfelt, jemand hat ein Mandala aus Ästen zwischen Sträucher geflochten. Die Beetumrandungen bestehen aus leeren Flaschen und anderen Fundstücken. Es gibt Hühner und eine Kochzeile im Freien. Anders als in deutschen Schrebergärten hat hier jeder Gärtner nur ein kleines Beet. In Joans wächst das Gemüse wild durcheinander.
"Hier sind Gurken, da ist Grünkohl. Die Dinger, die da so lustig aussehen, das ist Spargel, den hat mein Nachbar gepflanzt. Hier ist Aubergine, Tomaten, Basilikum, Mangold, Brokkoli und dort, auf der anderen Seite, das sind alles Gewürze."
J.R.s Beet, ein paar Meter weiter ist deutlich größer und die Gemüsepflanzen sind ordentlich in Reihen angeordnet.
"Hier, am Zaun wachsen meine Gurken. Hier ist eine Reihe dicke Bohnen und eine Reihe grüne Bohnen. Hier ist eine Reihe Kohl und hier drüben eine Reihe Tomaten. Und ich habe scharfen Cayenne Pfeffer und Piri Piri und da hinten sind nochmal Tomaten. Und wenn Sie hinter mich schauen - ich weiß Sie können mich nicht sehen, aber hören - hier hinter mir sind meine Okra-Pflanzen."
Frisches Gemüse und Obst für alle
Die Community Garden sind aber nicht nur ein Rückzugsraum, sondern auch eine Antwort der Stadt auf die Armut. Denn gesunde Nahrungsmittel sind teuer in New York City und in den Community Garden können die Bewohner ihr Gemüse und Obst selber anbauen. In fast jedem Straßenzug in Brooklyn gibt es einen Gemeinschaftsgarten, meist in eine Baulücke zwischen zwei Häusern gequetscht. Über 600 Community Gardens gibt es in der Stadt, viele sind selbstverwaltet, andere gehören zu Obdachlosenheimen und Tafeln. Im Hattie Carthan-Community-Garten lebt man den Spirit, von dem man sagt, dass er BedStuy so besonders macht: Man kennt sich im Viertel und kümmert sich um die Nachbarn.
"Wir nehmen uns, was wir brauchen und den Rest des Gemüses geben wir den älteren Menschen in unserer Community. Den Menschen, die nicht selber kommen können, um sich ihre Sachen zu holen, bringen wir das Essen nach Hause."
Joan hat zu tun:
"Ich habe ein wenig Gemüse geerntet, weil wir heute Abend eine Party haben. Aus den Sachen, die ich geerntet habe, koche ich was für die Party heute Abend kochen. Wissen Sie, es werden viele Freunde von mir kommen."
Fast jedes Wochenende von Mai bis November ist hier etwas los. Man grillt zusammen, unterhält sich, hört Musik oder trommelt. Und den Abschluss des Gärtner-Jahres bildet ein ganz besonderes Fest:
"Am Ende des Jahres, bevor der Garten schließt, kochen wir immer für die Menschen aus dem Viertel. Wir kochen das Gemüse aus dem Garten, aber wir legen auch Geld zusammen, um zusätzlich Essen zu kaufen. Denn darum geht es in diesem Garten - es ist nicht ein Garten für eine Person, sondern ein Garten für die Community."