Rechtsextremismus
Compact-Magazin darf vorerst wieder erscheinen

Als Heft und im Netz verbreitete das Compact-Magazin Rassismus und Antisemitismus. Nach einem Verbot durch die Bundesinnenministerin war damit zunächst Schluss. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidung vorläufig aufgehoben.

    Das Cover des Compact Magazins zeigt am an einem Ausstellerstand der Buchmesse Leipzig Bundeskanzlerin Merkel mit einem Kopftuch.
    Das Spiel mit Ängsten: Das Compact-Magazin hat eine wichtige Rolle für die Verbreitung extrem rechter Ideologie gespielt. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Es war ein Redaktionsschluss der anderen Art: Am 16. Juli 2024 musste das Compact-Magazin, das gedruckt wie auch online herausgegeben wurde, das Erscheinen einstellen. Grund dafür war ein Verbot durch das Bundesinnenministerium.
    Begründet wurde der Schritt damit, dass sich die Organisationen gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten. Compact sei „ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Im Zuge des Verbots wurden Büros und Wohnungen, die in Verbindung mit Compact stehen, durchsucht.
    Am 14. August 2024 hat das Bundesverwaltungsgericht dieses Verbot teilweise aufgehoben. Die Herausgeber von Compact hatten vor dem Verwaltungsgericht gegen das Verbot geklagt und in einem Eilverfahren beantragt, es auszusetzen, bis endgültig entschieden sei. Dem Eilantrag wurde nun teilweise stattgegeben. Das Magazin kann damit vorläufig weiter erscheinen. Die mündliche Verhandlung ist für Februar 2025 angesetzt, dann folgt eine endgültige Entscheidung

    Inhalt

    Wie hatte das Ministerium das Compact-Verbot begründet?

    Das Bundesinnenministerium bezieht sich bei seinem Verbot der "COMPACT-Magazin GmbH" sowie der "CONSPECT FILM GmbH" auf die Möglichkeit, Vereine zu verbieten. Das Vereinsverbot könne, so heißt es in dem am 16. Juli veröffentlichten Statement, „unter bestimmten Voraussetzungen“ auch auf Unternehmen angewandt werden. Weiter heißt es: „Die Organisationen richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne von Artikel 9 des Grundgesetzes und § 3 des Vereinsgesetzes.“
    Das Bundesinnenministerium nennt noch weitere Punkte. So propagiere Compact „ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept, das nach seiner Ansicht ‚ethnisch Fremde‘ aus dem Staatsvolk ausschließen will“. Damit werde die Menschenwürde derjenigen missachtet, „die nicht in dieses ethnische Konzept passen“.
    Ebenfalls wird genannt, dass Compact „Widerstands- und Revolutionsrhetorik“ nutzt, offensiv werde der Sturz der politischen Ordnung propagiert; Grenzüberschreitungen würden ebenso eingesetzt „wie verzerrende und manipulative Darstellungen“. Leser und Nutzerinnen der Compact-Angebote könnten „aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden“.

    Wie geht Compact gegen das Verbot vor?

    Die Compact Magazin GmbH hat kurz nach dem Verbot im Juli 2024 sowohl eine Klage als auch einen Eilantrag gegen das Verbot eingereicht. Das Bundesverwaltungsgericht ist in erster und letzter Instanz für derartige Klagen zuständig. Über das Eilverfahren hat das Gericht am 14. August entschieden und das Verbot vorerst teilweise aufgehoben. Das Magazin kann damit vorläufig weiter erscheinen. Die mündliche Verhandlung ist für den 12. Februar 2025 angesetzt, danach folgt ein endgültiges Urteil. Die beschlagnahmten Beweismittel dürfen weiter ausgewertet werden.
    Dass die Entscheidung über den Eilantrag so schnell gegangen ist, sei „schon recht überraschend“, sagt Benjamin Lück, Rechtsanwalt bei der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“. In der Sache sei es aber nicht ganz so überraschend. Das Verbot des Magazins durch das Bundesinnenministerium habe viel Kritik hervorgerufen, „weil es doch ein sehr scharfes Schwert war, was das Bundesinnenministerium da gezückt hat“, so Lück.
    Dem Gericht zufolge sei offen, ob das Verbot in der Hauptverhandlung standhalten werde. Zwar gebe es Anhaltspunkte für eine Verletzung der Menschenwürde und für eine verfassungsfeindliche Haltung bei den Print- und Online-Publikationen. Es sei aber zweifelhaft, ob der Anteil der Beiträge, in denen diese Haltung zum Ausdruck kommt, für das gesamte Magazin derart prägend sei, dass ein Verbot verhältnismäßig sei. Vor einem Verbot eines ganzen Mediums müsse man immer auch mildere Mittel, beispielsweise presserechtliche Maßnahmen oder Veranstaltungsverbote in den Blick nehmen, so das Gericht weiter.
    Das Gericht entschied, dass im Hinblick auf die Meinungs- und Pressefreiheit das Interesse der Kläger, das Magazin vorerst weiterzuführen, überwiegt. Zwar gebe es ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verbots. Das wiege jedoch weniger schwer als das Grundrecht auf Pressefreiheit.
    Ob das Verbot wieder in Kraft tritt, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in der Hauptverhandlung. Die Entscheidung des Eilverfahrens stellt keine Vorentscheidung dar, da das Gericht die inhaltliche Bewertung des Verbots offengelassen hat und nur über den Zeitpunkt des Vollzugs entschied.

    Welche Reaktionen gibt es auf die teilweise Verbotsaufhebung?

    Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts könne man einerseits als Sieg der Pressefreiheit deuten, andererseits jubelten jetzt die Falschen, sagt Mika Beuster, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). Zu sehen, dass Menschen feierten, „die gegen diesen Staat sind, die übelsten Hass, Hetze und Häme verbreiten“, schmerze und doch zeige es gleichzeitig, wie stark der Staat sei, in dem er in diesem Fall das Prinzip der Pressefreiheit stärker bewerte, als das Einzelverhalten von einzelnen, „auch wenn das rechtsextreme antisemitische Kräfte sind“.
    Beuster kritisierte das Bundesinnenministerium, das bei der Herleitung des Verbots offenbar „geschlampt“ habe, indem es keine anderen Wege geprüft habe als die, eines Verbots. Damit käme nun die Frage auf, ob der Staat hier seine Grenzen überschritten habe.
    Ähnlich sieht es auch die Organisation Reporter ohne Grenzen" (RSF). So müsse die Justiz nach der vorläufigen Entscheidung die Rechtmäßigkeit des Verbots im Detail prüfen. RSF habe Faesers Compact-Verbot vom 16. Juli bereits früher als rechtsstaatlich fragwürdig bezeichnet. "Denn Pressefreiheit gilt auch für unbequeme und schwer erträgliche Veröffentlichungen, auch solche mit extremen Inhalten."
    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) selbst bezeichnet den juristischen Etappensieg für das rechtsextreme Magazin als ganz normalen Vorgang und sieht keinen Anlass für eine Kurskorrektur. Angesichts der aktuellen Bedrohungslage sei es wichtig, Instrumente wie ein Vereinsverbot auch anzuwenden und betonte, dass ihr Ministerium mit Blick auf das Hauptsacheverfahren an seiner Auffassung festhalte.
    FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle mahnte zu mehr Sorgfalt. Dem Magazin "Der Spiegel" sagte er, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei "peinlich für das Bundesinnenministerium", weil sich das Compact-Netzwerk nun als Opfer darstellen könne. "Das hätte dem Bundesinnenministerium nicht passieren dürfen."

    Was ist das Compact-Magazin?

    Das Compact-Magazin erscheint seit 2010 und hat seinen Hauptsitz in Falkensee bei Berlin. Chefredakteur ist seit Gründung Jürgen Elsässer. Das Magazin wird monatlich in einer gedruckten Ausgabe publiziert. Die Auflage soll bei 40.000 Exemplaren liegen. Compact nutzte zudem eine Internetseite, einen Videokanal mit werktäglicher Sendung sowie Social-Media-Auftritte. Compact TV hatte zum Zeitpunkt des Verbots bei YouTube 345.000 Abonnenten.
    Compact ist der Neuen Rechten zuzuordnen. Mit diesem Begriff wird eine Szene beschrieben, die Vorstellungen von einem ethnisch homogenen Staat mit autoritären Zügen vertritt. Sie setzt sich gleichzeitig von Rechten ab, die sich auf den historischen Nationalsozialismus berufen.
    Wo er das Magazin verortet, zeigt eine Aussage von Chefredakteur Elsässer. Er sagte im Januar 2018, Pegida, die Identitäre Bewegung, die AfD, „Ein Prozent“ und Compact seien wie fünf Finger, die eine Faust bilden könnten. Seit 2021 wird das Magazin vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Im Februar wurde es von vielen Bahnhofsbuchhandlungen aus dem Programm genommen.       

    Agieren gegen pluralistische Gesellschaft

    Compact fiel auf: Die Aufmachung setzte auf eine plakative und sogleich provokative Gestaltung bei der Bild- und Themenauswahl sowie der Zuspitzung etwa in Überschriften. Dabei wurden Themen wie der Krieg in der Ukraine, Migration oder die staatlichen Maßnahmen während der Coronapandemie aufgegriffen und von rechtsaußen politisiert.
    Compact sei ein „sehr opportunistisches Medium“, analysiert der Soziologe Felix Schilk. Er forscht in Tübingen im Projekt REDACT zu Handlungsoptionen gegen Verschwörungserzählungen und Desinformation in Europa. Compact springe laut Schilk immer wieder auf Debatten auf und versuche, sie zuzuspitzen und zu instrumentalisieren.
    Was das bedeutet, führt das Innenministerium in einem Statement zum Verbot aus: Die Compact-Magazin GmbH verbreite „in ihren reichweitenstarken Publikationen und Produkten antisemitische, rassistische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte“. Außerdem agitiere sie „gegen ein pluralistisches Gesellschaftssystem“.

    Wer ist Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer?

    Jürgen Elsässer ist eigentlich Lehrer, arbeitete aber in den vergangenen Jahrzehnten als Journalist. In diesem Beruf hat der heute 67-Jährige – politisch gesehen – bereits einige Haken geschlagen. So schrieb er einst für linke Publikationen, bog aber spätestens seit 2009 nach rechts ab und gehört nun zum extrem rechten Spektrum.
    2010 gründete Elsässer Compact und ist seitdem der Chefredakteur des Magazins. Am 16. Juli wurden im Zuge des Verbots des Magazins auch seine Wohnung durchsucht.
    Elsässers Ziel ist es, verschiedene Akteure und Gruppen der Rechten zusammenzubringen. Das soll nicht nur die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) umfassen, sondern wie mit den Bewegungen Pegida oder den „Identitären“ (IB) sowie dem Institut für Staatspolitik darüber hinausgehen. Auch Kontakte ins Ausland werden gepflegt, etwa zum österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner.
    Elsässer ist eng mit rechten Vertretern der AfD bekannt, auf deren Parteitagen ist er ein gern gesehener Gast. Mit der Kampagne „Blaue Welle“ wirbt er für eine Regierungsbeteiligung der AfD nach der Bundestagswahl 2025. Während Politikerinnen und Politiker bürgerlicher Parteien von Compact zum Teil heftig kritisiert werden, sucht Elsässer die Nähe zu AfD-Politikern wie Björn Höcke.

    rzr