Archiv

Computergame "Gris"
Märchenhaftes Hüpfspiel

Weiblich, anmutig, jung: Die Protagonistin des spanischen Computerspiels "Gris" vereint all diese Eigenschaften. Das Game gleicht einem Aquarell und lädt zum meditieren ein. Es ist vielleicht nicht das beste Spiel des Jahres, aber eines der elegantesten - mehr Zen-Garten als Kampfzone.

Von Christian Schiffer |
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Unprätentiös, leicht und apart: Das Computerspiel "Gris" (Nomada Studios Barcelona)
    Verletzlich sieht sie aus und ein wenig zerbrechlich mit ihrer blassen, porzellanpuppenhaften Haut und ihren zarten Beinen. Gris, so heißt die schweigsame Protagonistin des gleichnamigen Jump&Run-Spiels aus Spanien. Gris das ist das spanische Wort für grau, und die Welt durch die Gris hindurchhüpft, ist am Anfang genau das: grau und trist. Doch je länger das Spiel andauert, desto freundlicher werden die Farben und umso klarer wird: Das Spiel "Gris" ist eine Art interaktive Metapher, in der es im weitesten Sinne um die Verarbeitung eines Traumas geht. Vieles allerdings bleibt der Interpretation der Spieler überlassen, sagt Conrad Roset, der für die Grafik des Spiels zuständig war:
    "Wir treffen keine explizite Aussage, es gibt keinen Text, keine Dialoge, die Spieler müssen etwas hineininterpretieren. Für jeden wird das Spiel etwas anderes aussagen. Diese Offenheit ist Absicht, schon allein, weil wir sehr gespannt darauf sind, was die jeweiligen Spieler in unsrem Spiel sehen werden. Klar: Natürlich hatte ich schon meine Vision, als ich an 'Gris' gearbeitet habe. Aber ich glaube, dass jeder seine eigene Vorstellung davon haben wird, was genau in dem Spiel eigentlich erzählt wird."
    Schwebend von Level zu Level
    Vor allem drei Dinge sind es, die "Gris" zu einem besonderen Spiel machen. Erstens: Das Spiel ist in Spanien entstanden. Spanien gilt nicht als traditionelles Produktionsland von digitalen Spielen, aber in den letzten Jahren hat sich dort eine beachtliche Indie-Szene herausgebildet. Zweitens: Die Protagonistin ist weiblich, was auch im Jahr 2018 im Medium Computerspiel noch eine Besonderheit darstellt. Und drittens: "Gris" ist vielleicht nicht gleich das beste Spiel des Jahres, aber auf jeden Fall das eleganteste. Voller Anmut hüpft und schwebt Gris zu milchglasiger Musik durch die bezaubernden Levels, das Spiel erinnert bisweilen an ein zum Computerspiel mutierten Aquarell.
    "Bei der Gestaltung des Spiels habe ich mich von vielen Dingen inspirieren lassen: von Disney-Filmen aber auch vom japanischen Zeichentrickstudio Gibli. Aber natürlich auch von herausragenden Computerspielen, etwa 'Inside', 'Dear Esther' oder 'Monument Valley'; von Spielen also, die unglaublich ästhetisch sind. Auch an Videoclips, Comics und die bildende Kunst waren wichtige Einflüsse. Ich komme ja eigentlich aus der klassischen Kunst und das hat mir sehr geholfen, diese Welt zu kreieren."
    Anmutig statt agressiv
    Aber nicht nur ästhetisch hebt sich "Gris" von Computerspiel-Einerlei ab. Immer wieder wird beklagt, dass digitale Spiele sich schwer damit tun, das gesamte Spektrum menschlicher Emotionen anzusprechen. Spiele rufen oft Spannung, Stress, Wut, Ekel, Angst aber auch Freude und Befriedigung hervor, eher selten aber Trauer oder Melancholie. Ganz anders "Gris", das ein ruhiges, nachdenkliches, anmutigendes Spiel ist, eine Art spielgewordener Zen-Garten.
    Conrad Roset: "Viele Spiele sind sehr aggressiv, sie sind eigentlich dazu da mal richtig Dampf abzulassen. Aber wir wollten den Spieler eher auf eine emotionale Reise mitnehmen, auf der es mal traurig und mal fröhlich zugeht. Das Gameplay, die Musik, all das hat den Zweck, den Spieler die unterschiedlichsten Gefühle hervorzulocken."
    Viele Spiele wollen irgendwie nach Kunst aussehen, wirken dann aber oft gerne auch kitschig. Gris hingegen wirkt unprätentiös, leicht und apart – und das macht es zu etwas Besonderem.