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Computerspiel "Agony"
Ab ins Fegefeuer!

Blut, Fleisch und Schleim: In der Popkultur geht es immer wieder ekelig zu, wie Filme wie "Alien" oder "Braindead" eindrucksvoll beweisen. Aber auch in der Welt der Games werden Geschmacksgrenzen berührt. Nun heißt es über "Agony", es sei vielleicht das ekeligste Computerspiel aller Zeiten. Ein Test.

Von Christian Schiffer |
    Junge mit Computerspiel
    "Agony" dürfte polarisieren: Werden Spieler die Konsole schnell wieder ausschalten? (picture alliance / dpa / Foto: Maximilian Schönherr)
    Das erste was einem an "Agony" auffällt: Das Spiel wirkt recht fleischig. Denn "Agony" entführt den Spieler in die Hölle, und diese scheint vor allem aus Weichteilen zu bestehen, die bei jedem Schritt hörbar schmatzen.
    Im Vorfeld hieß es zu dem Horror-Adventure, es sei das ekeligste Spiel aller Zeiten. Und tatsächlich: Es mangelt nicht an Gedärmen, Blut, Leichenteilen, zerrissenen Muskeln, Hautfetzen, aufgerissenen Bäuchen, nackten, bizarr verformten Menschenkörpern und, wie schon erwähnt, Fleisch in all seinen bekannten und unbekannten Ausprägungen: Pulsierendes Fleisch, verhorntes Fleisch, zart-rosa farbenes Frischfleisch, knochiges Altfleisch, ranziges Fettfleisch, undefinierbares Matschepatschefleisch. Kurz gesagt: "Agony" sieht so aus, als hätten HR Giger und H.P. Lovecraft zusammen ein Spiel gemacht, und es ist tatsächlich so widerlich, dagegen wirkt der achte Höllenkreis in Dante Alighieri göttlicher Komödie wie ein lustiger Ausflug ins Ikea-Bällebad - und das ist wohlgemerkt der Höllenkreis, in dem Dirnen und Schmeichler durch Kot waten und sich gegenseitig verprügeln. Und natürlich sind in "Agony" überall missgebildete Kreaturen zu sehen, die vor sich hin stöhnen, röcheln und leiden.
    #Proctology
    Die einen werden sagen, dass das Bild, das "Agony" von der Hölle zeichnet, überaus interessant ist. Denn hier werden verschiedene Vorstellungen der Hölle miteinander kombiniert. Pulsierende Herzen erinnert an die ägyptische Höllenmythologie, Schatten ohne Bewusstsein an die griechische, jede Menge Feuer und Glut an jüdisch, christliche und muslimische Höllen-Bilder. Und die anderen? Die werden sagen, dass es in "Agony" aussieht wie in einem Enddarm - #Proctology.
    Brutale und ekelige Darstellungen sind in der Kultur nichts Neues: bereits in der Antike stellte man sich gerne menschliche Körper im Zustand der Verwesung oder als Skelette vor. Künstler des Mittelalters konnten gar nicht genug bekommen von makabren Darstellungen in allen denkbaren Geschmacksrichtungen. Und heute? Da suppt sogar im Mainstreamfernsehen in Zombieserien ganz gerne mal Hirnmasse über den Bildschirm. Computerspiele waren im Vergleich dazu bislang sogar eher noch brav, wenn es um die explizite Darstellung von ekeligen Dingen ging. Aber der Effekt ist derselbe: Auch in "Agony" will man die zerstückelten Körper, all das Blut und all den Schleim eigentlich gar nicht sehen - und kann trotzdem nicht wegschauen. Eine Ambivalenz, die vielleicht auch damit zu tun hat, dass einen diese Schlachtplatte an die Unversehrtheit des eigenen Körpers erinnert, spätesten dann nämlich, wenn man die Konsole wieder ausschaltet.
    Und das tut man dann doch ziemlich schnell, denn "Agony" ist kein gutes Spiel. Zu zäh, zu dunkel, eine Steuerung aus der - nun ja - Hölle und vor allem: gähnende Langeweile. Ab ins Fegefeuer!