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Computerspiel "Observation"
Kosmische Einsamkeit

Dystopische Geschichten über künstliche Intelligenzen gibt es wie Sand am Meer. Das Computerspiel „Observation“ ermöglicht aber einen Perspektivwechsel: Hier übernehmen die Spielerinnen und Spieler die Rolle des Bordcomputers auf einer Raumstation. Die Story kommt selbst an Sci-fi-Klassiker heran.

Von Tim Baumann |
Der Planet Saturn am 6.12.2007, aufgenommen von der Raumsonde Cassini. Der Blick geht auf die unbeleuchtete Seite der Ringe (das Sonnenlicht kommt von "unten").
Im Computerspiel "Observation" befindet sich eine Raumstation auf dem Weg zum Saturn (NASA)
"Houston, do you copy? Houston, come in!"
Fieberhaft versucht die Astronautin Dr. Emma Fisher das Mission Control Center in Houston zu erreichen – denn auf der Raumstation "Observation" ist die Lage im gleichnamigen Computerspiel des schottischen Entwicklerstudios No Code kritisch.
"We've had some sort of accident. A collision or something maybe – I don't know."
Der Ruf einer außerirdischen Intelligenz
Die Astronautin ist von ihren Kollegen abgeschnitten, der Strom ist weitgehend ausgefallen, die Hülle ist beschädigt – und statt auf der Erdumlaufbahn ihre Kreise zu ziehen, ist die internationale Forschungsstation – dem Ruf einer außerirdischen Intelligenz folgend - direkt auf dem Weg zum Saturn.
"Josh? Houston? Anyone?"
Zum Glück ist Fisher dabei nicht ganz auf sich alleine gestellt: Unterstützung erhält sie von Bordcomputer S.A.M.. Was zunächst nach einem eher generischen Szenario für ein Computerspiel klingt, hat aber einen interessanten Dreh: In "Observation" übernehmen die Spielerinnen und Spieler nämlich nicht etwa die Rolle der Astronautin, sondern die der künstlichen Intelligenz S.A.M..
Wie aber spielt sich ein Bordcomputer? Die klassischen Aktionsschemata von Computerspiel-Helden bleiben S.A.M. verschlossen – er kann nicht hüpfen, keine schweren Objekte aus dem Weg räumen und schon gar nicht schießen – physische Interaktion mit der Umwelt findet so gut wie nicht statt.
"These hatches are not connected to my system links."
Kein klassisches Gameplay
Das Gameplay von "Observation" basiert stattdessen auf Beobachtung. Über das Kamerasystem muss S.A.M. die Lage in der Station erkunden, um an den Wänden angebrachte oder auf Laptops gespeicherte Schaltpläne zu scannen, die dann weitere Handlungsoptionen – wie das Öffnen einer Tür oder die Inbetriebnahme des bordeigenen Reaktors – ermöglichen.
Um die Pläne umzusetzen, müssen die Spieler Rätsel lösen, die leider mitunter frustrierend und repetitiv ausfallen. Nach und nach erhöht sich so die Bewegungsfreiheit von S.A.M. und Fisher in der Station. Später kann S.A.M. auch eine kleine Kameradrohne steuern. So können sich die Spieler doch noch selbständig bewegen, statt nur von Kamera zu Kamera zu schalten.
"Let's see if you can move it. Fly over to me."
Diese Bewegung im schwerelosen Raum hat aber ihre Tücken – erstens verliert man schnell die Orientierung, zweitens ist die Steuerung der Drohne leider recht hakelig geraten, was die Fliegerei mühsam macht, und drittens kann diese ungewohnte Bewegung in der Schwerelosigkeit – mit ihrer Aufhebung von oben und unten - selbst bei erfahrenen Spielern Kopfschmerzen und Übelkeit verursachen.
Ein intensives Gefühl von Verlassenheit und Einsamkeit
Diese Schwächen im Gameplay sind vor allem deshalb ärgerlich, weil "Observation" ansonsten herausragend ist: Das reduzierte Sounddesign sorgt ebenso für Spannung wie für ein intensives Gefühl von Verlassenheit und Einsamkeit. Die authentisch wirkende Raumstation wird durch ein geschicktes Spiel mit Licht und Schatten, durch in der Schwerelosigkeit umhertreibende Ausrüstung und an den Wänden hängende Notizen zu einem Ort, der im Spieler Gefühle von Verlust und Bedrohung auslöst.
Und auch die Story selbst braucht den Vergleich mit Sci-fi-Klassikern wie "Solaris" nicht zu scheuen – und wird gemäß dem Prinzip "Show – don't tell" auf eine unheimliche Art nicht erzählt, wie man sie auch aus Stanley Kubricks "2001 – A Space Odyssey" kennt.
"This isn't another station – It's our station."
Zwischen Voyeurismus und Ohnmachtserfahrung
Vor allem aber erzeugt "Observation" durch seinen Fokus auf Beobachtung ein einzigartiges Spielgefühl zwischen Voyeurismus und Ohnmachtserfahrung, während die künstliche Intelligenz S.A.M. sukzessive vermenschlicht und eine Beziehung zu Emma Fisher aufbaut.
"Look, I know this makes no sense and you will probably just give me some broken response, but i'm glad you're here, S.A.M.."
"I am here, Emma."
Dass die Kombination aus einer Vermenschlichung der K.I. und ihrer Logik, die kompromisslos dem Diktat der Einsen und Nullen folgt aber auch verheerend und erschreckend sein kann, ist vielleicht der bleibendste Eindruck, den "Observation" im Spieler hinterlässt.