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Jugendschutz beim Gaming
Tipps zum sicheren Umgang mit digitalen Spielen

Früher hieß es, gewalthaltige Computerspiele könnten Kinder zu Amokläufern machen. Spätestens seit "Fortnite" oder "League of Legends" aber ist klar: Kinder sind heute viel eher gefährdet durch ständige Kaufanreize oder toxische Communities. Für besorgte Eltern gibt es eine Fülle von Informationen und Hilfe.

Von Nina Magoley | 13.09.2022
Besucher spielen ein Spiel auf der gamescom 2022 am 28.08.2022
Faszination Gaming auf der Gamescom 2022 in Köln (picture alliance / dpa / Revierfoto / Revierfoto)
Viele Familien haben das bereits erlebt: Durch Zufall kommt heraus, dass die 14-jährige Tochter mal eben 200 Euro online ausgegeben hat - ihre ganzen Ersparnisse auf einmal. Für: virtuelle Waffen, virtuelles Gold - oder auch nur ein neues Online-Aussehen ihrer Spielfigur, ein "Skin". Denn das Mädchen ist Gamerin - spielt also leidenschaftlich gerne digitale Spiele. Besonders in derzeit angesagten Spielen wie "Fortnite" oder "League of Legends" werden den Spielern solche Zusatzausrüstungen regelrecht aufgedrängt. Für die spielenden Kinder oder Jugendlichen ist das oft eine Verlockung, der sie kaum widerstehen können.
Ziel solcher Käufe ist zum einen eine "Verbesserung" des eigenen Status im Spiel. Häufig bezahlen die jungen Gamerinnen und Gamer diese "Vorteile" mit Gutscheinen - die es im Zweifel als Geburtstagsgeschenk von der Oma gab. Andere haben Zugang zur Kreditkarte der Eltern.
Junge Besucher spielen am 01.09.2017 in Berlin bei der internationalen Funkausstellung
FIFA - ebenfalls seit Jahren im Trend bei Jugendlichen (picture alliance / dpa Themendienst / Florian Schuh)

Riesengeschäft: "In-Game-Käufe"

Wurde vor zehn Jahren noch darüber diskutiert, welche Killerspiele am PC die jugendlichen Amokläufer von Erfurt oder Winnenden gespielt hatten - und welch fatale Auswirkungen solche Ballerspiele angeblich auf die jungen Seelen haben - liegt der Fokus der Kritik mittlerweile ganz woanders: Es geht um ständige Kaufanreize, denen Kinder und Jugendliche nur schwer widerstehen können, um toxische Communities und manipulative Belohnungssysteme.
Laut einer vom Bundesdigitalministerium geförderten Studie gehören digitale Spiele bei etwa der Hälfte der deutschen Bevölkerung zum festen Bestandteil der täglichen Mediennutzung. Im Jahr 2022 sind laut Umfragen 23 Prozent der Nutzer und Nutzerinnen zwischen sechs und 19 Jahren alt. Schon 2019 machten deutsche Spiele-Anbieter mit den sogenannten "In-Game-Käufen" 2,3 Milliarden Euro Umsatz, knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes. Tendenz steigend: Allein in der ersten Hälfte des Corona-Jahres 2020 verbuchte die Branche hier einen Zuwachs von 35 Prozent.

Wie werden solche digitalen Spiele geprüft oder kontrolliert?

Bislang finden besorgte Eltern bei einzelnen Spielen lediglich eine Altersempfehlung. Sie wird ausgegeben von der "Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle" (USK), die im Auftrag der Bundesländer Computerspiele auf ihre Jugendgefährdung prüft. Kriterien sind dabei: Einstellung zu Gewalt, Ängstigung und "sozialethische Desorientierung" - also beispielsweise Kriegsverherrlichung oder Extremismus. Die USK wird von der Spielbranche finanziert.
Allerdings: Die USK prüft nur "trägergebundene" Games – also Spiele auf BlueRay, DVD oder CD. Reine Online- oder Download-Spiele werden nicht geprüft - und davon gibt es jedes Jahr zehntausende neue, die Jugendliche leicht auf Smartphone oder Tablet herunterladen können.
Im Zuge einer Reform des Jugendschutzgesetzes soll es künftig eine deutlichere Kennzeichnung auch für Online-Spiele geben. Neu dabei werden nicht nur Informationen zu Suchtrisiken und eingebauten Kaufanreizen sein. Auch die Art der Kommunikation im Spiel soll bewertet werden: die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche im Chat mit Cybermobbing oder Cybergrooming - sexueller Belästigung von Kindern im Netz - in Berührung kommen könnten. Auch Meldefunktionen, moderierte Chats oder die Möglichkeit, andere Nutzer im Chat zu blockieren, werden geprüft. So nimmt es nur solche Anbieter von Spielplattformen in die Pflicht, die in Deutschland mindestens eine Million Nutzer haben.

Wo können Eltern, Kinder und Jugendliche sich informieren?

  • "Alterskennzeichen sind keine pädagogischen Empfehlungen", heißt es auf der Seite "Spielbar.de", herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung. Hier findet man zu vielen derzeit beliebten Spielen detaillierte Beurteilungen. Vorgestellt werden aber auch Spiele abseits der Trends - in denen es etwa um Sensibilisierung gegen Rechtsextremismus geht ("Augen auf!") oder eine simulierte politische Wahl ("Democracy 4"). In zahlreichen einzelnen Artikeln finden Eltern außerdem gut verständliche Basisinformationen und Hintergründe zur Welt der digitalen Spiele und ihrer Faszination.
  • Der "Spieleratgeber NRW" gibt eine Fülle von Informationen und Tipps für besorgte oder interessierte Eltern, Schulen und Jugendzentren. Auch hier wird die Faszination, die das Universum Gaming auf Kinder und Jugendliche ausübt, eingehend erklärt. Es gibt Spiele-Rezensionen und viele Tipps zum sicheren Umgang mit Computerspielen. Themen wie Moral und Ethik werden diskutiert und Phänomene wie Mulitplayer-Games erklärt.
  • Die EU-Initiative "klicksafe" will Online-Kompetenz und einen kritischen Umgang mit dem Internet fördern, gibt aber auch Eltern Hinweise zur richtigen Medienerziehung auf dem großen Feld der digitalen Spiele. Es geht um Themen wie Cybergrooming oder In-Game-Käufe. In einem Quiz können Jugendliche ihr Wissen über diese Taschengeld-Falle checken. Die Initiative richtet sich an Kinder, Jugendliche, Eltern, Lehr- und Fachkräfte. Klicksafe wird koordiniert von der Medienanstalt Rheinland-Pfalz und gemeinsam mit der Landesanstalt für Medien NRW umgesetzt. 
  • Wer Spiele-Empfehlungen für Kinder oder Jugendliche sucht, wird auf "kindersoftwarepreis.de" fündig. Der Deutsche Kindersoftwarepreis Tommi zeichnet seit 2002 jährlich hochwertige digitale Spiele für Kinder aus. Das Besondere: Zwar wählt zunächst eine Jury aus Fachjournalisten, Pädagogen und Wissenschaftlern die Nominierungen aus. Die Entscheidungen trifft dann aber eine Kinderjury. Auf der Homepage werden die Gewinner der vergangenen Jahre detailliert vorgestellt.
  • Um Inklusion bei digitalen Spielen geht es auf "gaming-ohne-grenzen", einem Projekt der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW: Für Menschen mit Behinderung enthalten viele Spiele unüberwindbare Hürden. Hier werden Spiele für Jugendliche ab zwölf daraufhin getestet und in leichter Sprache erklärt. Ein Sterne-Bewertungssystem zeigt an, wo die Hürden liegen könnten, beim Hören, Sehen, Verstehen oder Steuern. Außerdem werden Programme und technische Werkzeuge vorgestellt, die Barrieren in digitalen Spielen überwinden oder verringern helfen. 
  • In der Broschüre "Digitale Spiele - Pädagogisch beurteilt" finden sich ausführliche Beschreibungen trendender Spiele einschließlich Beurteilung und Altersempfehlung. Kritisch betrachtet werden die Spiele unter anderem zu den Aspekten Chatmöglichkeiten, unvorhergesehene Zusatzkosten oder gefährdende Inhalte. Die Broschüre wird vom Bundesfamilienminsterium herausgegeben, regelmäßig neu aufgelegt, ist kostenlos und kann heruntergeladen werden.