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Computertomografie bei Blinddarm
Bessere Diagnosen bei unklaren Symptomen

Fehldiagnosen bei Blinddarm-Problemen sind häufig. Manchmal operieren Ärzte, obwohl es nicht notwendig wäre, manchmal steht der Wurmfortsatz kurz vor dem Durchbruch und niemand bemerkt es. Um bei der Diagnose besser zu werden, tüfteln Experten aus Hamburg ein einem neuen Diagnoseverfahren.

Von Frank Grotelüschen | 03.06.2014
    Der Patient ist mit starken Unterleibschmerzen in die Klinik gekommen. Das erste, an das der Arzt in der Notaufnahme denkt, ist eine akute Entzündung des Wurmfortsatzes – oder im Volksmund: eine Blinddarmentzündung.
    "Dann wird Blut entnommen, und die Entzündungswerte im Blut werden korreliert," sagt Murat Karul, Radiologe am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
    "Falls der Patient eindeutig eine Blinddarmentzündung hat, kann nach einer Ultraschalluntersuchung eine Operation durchgeführt werden."
    Doch nicht immer sind die Symptome so eindeutig. Manchmal hat der Patient kein Fieber, oder seine Blutwerte sind unauffällig. In solchen Fällen steigt das Risiko einer Fehldiagnose – mit zum Teil unliebsamen Folgen: Ein Patient wird operiert, obwohl sein Blinddarm in Ordnung ist. Oder die Ärzte verkennen, dass die Entzündung kurz vorm Durchbruch steht.
    "Wenn die nicht richtig oder zu spät erkannt wird, kommt es zu Komplikationen. Zum Beispiel zu einem Durchbruch durch die Wand des Wurmfortsatzes. Und es kommt zu einem großen Abszess. Das kann sogar tödlich ausgehen, wenn die richtige Diagnose nicht gestellt wird."
    Bessere Diagnosen bei unklaren Symptomen – dafür soll ein spezielles Röntgenverfahren sorgen: der Computertomograf. Mit ihm untersucht man jene Bauchschmerz-Patienten, bei denen sich die Ärzte nicht sicher sind.
    "Dabei wird der Patient auf einen Tisch gelegt und durch eine Halbröhre reingeführt und untersucht."
    Sagt Karuls Kollege Enver Tahir.
    "Dabei kriegt man dreidimensionale Bilder vom gesamten Körper des Patienten innerhalb kürzester Zeit, 8 bis 10 Sekunden. Dadurch kann man als Radiologe relativ schnell die Diagnose stellen."
    Treffsichere Diagnose mit dem Computertomograf
    Nur: Taugt der Computertomograf, kurz CT, tatsächlich für eine treffsichere Diagnose? Um das zu klären, starteten Karul und Tahir in Hamburg eine Studie mit 76 Patienten. Zusätzlich zur üblichen Untersuchung wurden sie in der Notaufnahme per CT durchleuchtet.
    "Wir wollten schauen, ob man die korrekten Stadien der Entzündung schon im CT richtig erkennen kann. Wir haben die Blinddarmentzündung unterteilt in leichte, mittlere und schwere Blinddarmentzündung und haben versucht, diese Kriterien zu diagnostizieren."
    Das Resultat: In sechs von sieben Fällen konnten die Forscher das leichte und auch das schwere Stadium, den Bilddarm-Durchbruch, klar erkennen.
    "Das ist ein guter Wert, würde ich sagen. Und damit können wir unterscheiden, ob der Blinddarm erstens entzündet ist und zweitens, ob er durchbrochen ist. Das ist das wichtige Kriterium."
    Wichtig vor allem für die Chirurgen. Denn die können nun besser entscheiden, ob und wie sie einen Patienten operieren sollen.
    "Da gibt es verschiedene Verfahren. Einmal minimal-invasiv, das Schlüsselloch-Verfahren. Und konventionell, mit offener OP. Und wenn man schnell die richtige Diagnose stellt, kann der Chirurg sehr schnell die Entscheidung treffen."
    In leichteren Fällen, so die Faustregel, genügt ein minimalinvasiver Eingriff. Bei einem Durchbruch dagegen gilt die offene OP als bessere Variante. In Hamburg wird das CT in der Notaufnahme schon routinemäßig eingesetzt. Auch in den USA habe man schon gute Erfahrungen gesammelt, sagt Murat Karul – und glaubt deshalb, dass sich die neue Methode bald auch in anderen deutschen Kliniken durchsetzt. Ein Manko hat die CT-Untersuchung von Blinddarm-Patienten allerdings:
    "Der Nachteil ist, dass wir Röntgenstrahlung anwenden bei der Computertomografie. Aber die nehmen wir in Kauf, weil der Nutzen der Untersuchung deutlich größer ist als das Risiko."
    Zumal die Geräte mit den Jahren stetig verfeinert wurden und die Strahlendosis immer weiter gesunken ist. Nur bei Kindern, Jugendlichen und Schwangeren empfiehlt Karul lieber ein anderes Verfahren, und zwar die Magnetresonanztomographie. Die ist zwar langsamer und teurer als ein CT. Doch dafür arbeitet sie nicht mit Röntgenstrahlen, sondern mit Magnetfeldern und ist deshalb deutlich schonender.