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Containerschifffahrt
Größenwahn mit Folgen

Containerschiffe von über 400 Meter Länge sind möglich - doch mit mehr Effizienz wachsen auch die Risiken für Mensch und Umwelt. Internationale Sicherheitsstandards haben mit der Entwicklung der Mega-Frachter nicht Schritt gehalten. Mögliche Havarien könnten technisch verhindert werden, doch das kostet viel Geld.

Von Carolin Henkenberens |
Das Containerschiff "MSC Zoe"
Das Großcontainerschiff "MSC Zoe" verlor 2019 im Sturm 342 Container in der Nordsee. Inseln wie Borkum waren übersät mit Müll. (dpa-Bildfunk / Havariekommando)
Diese Nachricht ging um die Welt: Eines der größten Containerschiffe der Welt steckte Ende März im Suezkanal fest. Die "Ever Given" war in dem künstlichen Kanal auf Grund gelaufen und blockierte über Tage eine der wichtigsten Seeverbindungen zwischen Asien und Europa.
Der Unfall hat gezeigt, wie sehr die Welt von Warenlieferungen per Schiff abhängt. Große Containerschiffe, die bis zu 400 Meter lang und 60 Meter breit sind, können mehr als 20.000 Container auf einmal transportieren.
Das macht den globalen Transport sehr effizient. Doch Kritiker wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Uwe Schmidt warnen:
"Die Havarie der Ever Given im Suezkanal zeigt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sowas auch bei uns passieren könnte, auf der Elbe oder auf der Weser. Schiffe dieser Größenordnung bergen ein erhebliches Risiko für unsere Bevölkerung, Küsten und Umwelt. Sie, lieber Herr Minister, müssen bei der IMO endlich dafür sorgen, die Schiffsgrößenentwicklung zu begrenzen und die Haftungsfragen hier mal zu klären."

"MSC Zoe" verlor 342 Container in der Nordsee

Dass im Mai 2021 im Bundestag das Größenwachstum von Containerschiffen und Deutschlands Rolle bei der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO zur Sprache kam, hat nicht allein mit dem Vorfall im Suezkanal zu tun, sondern auch mit der "MSC Zoe". Anderes Unglück, andere Ursachen. Aber auch ein Riesenschiff:
Vor zweieinhalb Jahren, in der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 2019, verlor das Großcontainerschiff der Schweizer Reederei MSC im Sturm 342 Container in der Nordsee. Inseln wie Borkum waren übersät mit Müll.
SPD-Politiker Schmidt: "Früher wurde nicht so viel Decksladung gefahren"
Nach der Havarie der "MSC Zoe" fordert der SPD-Politiker und ehemalige Hafenfacharbeiter Uwe Schmidt verbesserte Regelungen und Kontrollen für Mega-Containerschiffe. Die Sicherheitsstandards sollten nicht Herstellern und Nutzern überlassen werden.
"Wir haben es nur dann am nächsten Morgen gesehen. Ob das der Nordstrand war oder der Südstrand, es war alles voll. Ganz viele Kunststoff-Plastikblumen, Sitzkissen von irgendwelchen Ikea-Sofas, die vollgesogen waren mit Wasser, Holzplanken, Fahrradschutzbleche aus Kunststoff. Also wir haben alles gefunden. Wir waren in dem Moment fassungslos."
Sagt Meta Janssen-Kucz, sie lebt auf Borkum und sitzt für die Grünen im Landtag von Niedersachsen. Der Fall "Zoe" ist für die Politikerin ein Hinweis für einen Fehler im System:
"Das ist eine Gigantomanie in der Schifffahrt. Aber auch mit Folgen, die wir jetzt ja auch im Suezkanal gesehen haben. Also das Risiko wächst. Und wir baggern weiter aus, machen die Wasserwege immer tiefer. Egal, ob wir jetzt über den Suezkanal oder über die Elbe reden."
Ankunft der MSC Rifaya in Rotterdam. Das Containerschiff ist das erste Schiff aus der 'Suezfile', dem Stau, in dem die 'Ever Given' tagelang den Suezkanal blockierte. 
Ankunft der MSC Rifaya in Rotterdam. Das Containerschiff ist das erste Schiff aus der 'Suezfile', dem Stau, in dem die 'Ever Given' tagelang den Suezkanal blockierte. (ANP/Robin Utrecht)

"Die Kombination aus Wind und Stabilität des Schiffes"

Die Reederei MSC teilt dem Deutschlandfunk auf Anfrage mit, es gebe keine direkte Korrelation zwischen der Schiffsgröße und der Sicherheit. Die "MSC Zoe" sei im Sturm Zitat: "beispiellosen" Umständen und "extremen Wellenbedingungen" ausgesetzt gewesen. Der Vorfall sei sehr bedauerlich und MSC habe mehrere zehn Millionen Euro zur Beseitigung der Schäden aufgebracht.
Die Behörden in Deutschland, den Niederlanden und Panama als dem Flaggenstaat der "Zoe" stellten in ihrem Untersuchungsbericht fest: Das Schiff war in einen schweren Sturm geraten. Hauptverantwortlich für den Containerverlust war laut Bericht die Kombination aus Wind und der Stabilität des Schiffes.
Große, breite Containerschiffe sind besonders stabil. Wenn Wind und Wellen sie zur Seite neigen, richten sich diese Schiffe sehr schnell und ruckartig wieder auf, erklärt Ulf Kaspera. Er ist Direktor der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, die dem Bundesverkehrsministerium untersteht und den Zoe-Untersuchungsbericht mit erstellt hat. Das schnelle Aufrichten bewahrt Schiffe vor dem Kentern, hat aber auch Nachteile, sagt er:
"Dadurch wirken halt unheimliche Beschleunigungskräfte, das sind also Fliehkräfte im Prinzip, die oben an den Ladungen reißen. Und bei der Zoe war es dann halt so, dass die Kräfte, die gewirkt haben, so groß sind, dass das Laschsystem versagt hat, weil das Laschsystem gar nicht für solche Kräfte ausgelegt war."
Angespültes Treibgut an einem niederländischen Strand
Angespültes Treibgut auf der niederländischen Insel Terschelling nach der Havarie des Frachters "MSC Zoe (dpa picture alliance / Minke Schat)

Regelwerk zur Ladungssicherung "nicht geeignet für sehr große Schiffe"

Ob beim Befestigen der Container Fehler gemacht wurden, konnten die Behörden nicht eindeutig feststellen. Der Bericht zeigt grundsätzliche Probleme auf. Etwa, dass das internationale Regelwerk zur Ladungssicherung nicht geeignet sei für sehr große Schiffe. Die Formel darin ist ausgelegt für Schiffe bis 300 Meter Länge. Containerschiffe sind heute allerdings durchaus 350 bis 400 Meter lang.
Daher sind auch andere Berechnungsweisen erlaubt, von privaten Klassifikationsgesellschaften. Sie werden vom Flaggenstaat des Schiffes kontrolliert, aber in Bereichen, in denen es keine geeigneten IMO-Regeln gibt, setzen sie eigene Standards, sagt Ulf Kaspera.
"Das heißt, da muss man als Gesellschaft tatsächlich selber gucken. Und dann gibt es da tatsächlich unterschiedliche Grenzwerte. Die einen Klassen sagen: Hier ist Schluss. Und die anderen Klassen sagen: Hier ist Schluss."
Containerschiffe sind nicht unsicherer als andere Schiffe, sagt Ulf Kaspera. Die meisten Unfälle seien auf einen Maschinenausfall zurückzuführen und davor sei kein Schiffstyp gefeit. Aber einige Sicherheitsstandards hätten der rasanten Entwicklung der Mega-Frachter nicht Schritt gehalten.
"Die technischen Standards sind im Prinzip veraltet, sind einfach noch nicht mitgekommen. Die Innovationskraft ist so stark, aber das Regulieren – da muss man ja auch wirklich alle Gegebenheiten berücksichtigen, alle Eventualitäten berücksichtigen, weil man will ja auch eine allgemeine Regelung schaffen - und das dauert halt meistens viel länger und dann gibt’s von der Technik meistens schon wieder was Neues."
Coronavirus und Welthandel - Containerschiffe stecken fest
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Bis zu 400 Millionen Euro kostet ein Komplettausfall

Grundsätzlich werden schwere Unglücke seltener. 2019 gab es laut Versicherer Allianz 41 Totalausfälle von Großschiffen, 2010 waren es 130. Aber Versicherer warnen: je größer die Schiffe, desto größer die Kosten im Falle eines Unfalls.
"Insbesondere steigen die Risiken, weil ein größeres Schiff im Falle einer Havarie letztendlich anderes Equipment, größeres Equipment, schwereres Equipment braucht, um es zu bergen," sagt Anastasios Leonburg, Risikoberater beim Schiffs- und Industrieversicherer der Allianz. 200 bis 400 Millionen Euro koste ein Komplettausfall – Ladung nicht eingerechnet. Die gerät mitunter in Brand, wenn sie falsch deklariert ist, sagt Leonburg. Oder geht über Bord.
Dass das geschieht, ist laut "World Shipping Council" selten. Die Branchenvertretung schätzt, dass von den rund 6.000 Containerschiffen weltweit pro Jahr knapp 1.400 Boxen ins Meer fallen - bei mehr als 220 Millionen transportierten Containern. Die Zahlen beruhen allerdings auf freiwilligen Angaben. Und was einmal ins Wasser fällt, wird teilweise nie geborgen - weil Container tief am Ozeangrund liegen oder weil sie zerschellen. Kontrolle ist auf den Weltmeeren schwierig.
Beladene Container im Yangshan Tiefwasserhafen von Shanghai im Mai 2021. Der Durchlauf von Containern ist im Vergleich zum Vorjahr stark angestiegen. 
Beladene Container im Yangshan Tiefwasserhafen von Shanghai im Mai 2021. Der Durchlauf von Containern ist im Vergleich zum Vorjahr stark angestiegen. (Costfoto)

Logistik-Revolution: Je größer, desto besser die Rendite

Aber wie kam es dazu, dass Containerschiffe immer größer wurden? Christian Denso, Sprecher des Verbandes Deutscher Reeder, sagt, große Schiffe seien ein Weg der Unternehmen, Kosten zu minimieren:
"Kosten spielen in unserer Branche eine sehr große Rolle, weil wir einfach in einem sehr harten internationalen Wettbewerb sind. Und wenn Sie da nicht kostenmäßig mithalten können, sind Sie einfach raus. Und große Containerschiffe sind einfach sehr effizient, weil sie vergleichsweise viel Ladung bewegen können."
Professor Carlos Jahn, Leiter des Instituts für Maritime Logistik der Technischen Universität Hamburg sagt, Containertransporte hätten massiv zur Globalisierung beigetragen:
"Die Standardisierung und die Einführung der Container im Seetransport war eine Revolution. Ganz besonders natürlich, dass man mit dem Container bis zum Empfänger in einem Gefäß sozusagen transportieren kann. Das hat ganz neue Logistikketten und auch eine ganz neue Kooperation in der Logistik ermöglicht."

T-Shirts, Turnschuhe: Der Transport kostet nur wenige Cents

Und seit 15 Jahren stellen Werften immer neue Rekorde auf. 2006 lief mit der "Emma Maersk" erstmals ein Schiff vom Stapel, das 10.000 Container tragen kann, heute kann das größte Containerschiff der Welt fast 24.000 TEU laden. Ein TEU steht für einen gut sechs Meter langen Container. Ob T-Shirts, Turnschuhe oder Smartphones: Der Transport kostet oft nur wenige Cents pro Artikel.
Doch die Erfolgsgeschichte hat Schattenseiten. In Bezug auf den CO2-Ausstoß gelten Containerschiffe zwar als relativ umweltfreundliches Transportmittel. Aber die Schifffahrt insgesamt - also auch Kreuzfahrtschiffe, Tanker oder Stückgutfrachter - ist laut Naturschutzbund Nabu für drei Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Verfeuertes Schweröl setzt zudem Luftschadstoffe frei. Der Nabu fordert daher modernere Antriebstechniken, sagt Verkehrs-Referentin Beate Klünder:
"Der Kraftstoff in unserem Auto hat ein Fünftausendstel Anteil von dem, was Schwefel in Schiffskraftstoff ist. Das heißt, an Land gibt es quasi diese Art Schwefelemissionen nicht mehr. Die sind vor allem ein Umweltgift."
Kreuzfahrtschiffe - Umweltschutz meist auf Minimalniveau
Beim Treibstoff für ihre Kreuzfahrtschiffe setzten viele Reedereien immer noch auf das umweltschädliche Schweröl. Doch bei ihrem Kreuzfahrt-Ranking sieht die Umweltschutzorganisation NABU in diesem Jahr auch positive Signale.

IMO will 70 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis 2050

Die Seeschifffahrtsorganisation IMO hat den Schwefel-Anteil in Schweröl begrenzt, wobei es Ausnahmen für Schiffe mit Abgaswäschern gibt. Die IMO will 70 Prozent weniger CO2-Ausstoß der Schifffahrt bis 2050 im Vergleich zu 2008. Das ist vor allem europäischen Staaten und Reedern nicht ambitioniert genug. Sie wollen eine Treibstoff-Abgabe, um Forschung zu alternativen Antrieben zu finanzieren.
Alkohol, synthetisches Methan und Ammoniak sind nach Ansicht von Maersk, der größten Containerreederei, grüne Kraftstoff-Kandidaten für Frachter. Bis 2023 wollen die Dänen ihr erstes CO2-freies Containerschiff präsentieren. Eine Bremse beim Klimaschutz sei die lange Lebensdauer der Schiffe von bis zu 40 Jahren, sagt Beate Klünder:
"Die großen Reedereien haben oft sehr neue Schiffe, aber sobald sie ihr Schiff abstoßen, hat das noch ein langes Leben und wird noch bei diversen anderen Reedereien zweit, dritt- und viertverwendet."

Das Platzproblem mit den Großcontainerschiffen

Immer mehr und immer größere Schiffe – das bringt auch Flüsse und Häfen an Grenzen. Großcontainerschiffe fahren nur bestimmte Routen, sagt Professor Carlos Jahn, von Asien nach Europa etwa. Häfen in Südamerika oder an der US-Ostküste seien für die Mega-Frachter zu klein.
Die Aufwendungen, um die Infrastruktur an die Schiffe anzupassen, sind immens. Kaianlagen müssen verlängert, Containerbrücken erhöht und Wendekreise vergrößert werden. Professor Carlos Jahn glaubt, dass sich der Aufwand für Häfen dennoch rechnet:
"Das sind hohe Investitionen, natürlich. Aber wenn diese Investitionen sich nicht rentieren würden, dann würden auch die Terminalbetreiber solche Investitionen nicht tätigen."

Der Staat als Investor: Wilhelmshaven und Hamburg

Auch der Staat investiert: Niedersachsen und Bremen haben mit dem Jade-Weser-Port Wilhelmshaven eigens einen Hafen für Großcontainerschiffe gebaut. Die Hoffnung von Umweltschützern damals: Weniger Schiffe fahren die Elbe hinab. Doch Hamburg stieg aus dem Projekt aus und trieb die Elbvertiefung voran. Sie ist fast abgeschlossen. Selbst bei Ebbe können Schiffe demnächst 13,5 Meter Tiefgang haben, wenn sie Hamburg anlaufen – ein Meter mehr als zuvor. Geschätzte Kosten: 800 Millionen Euro.
Bremens Häfen - Zwischen Containern und Corona
Weniger Warenumschlag, weniger Umsatz: Bremens Hafenwirtschaft leidet unter der Corona-Krise. Dennoch sind die Häfen prinzipiell gut auf das Virus vorbereitet. Der Schutz vor neuen Krankheiten ist dort seit Jahrhunderten Thema.
Doch wie wahrscheinlich ist es, dass ein Schiff in der Elbe stecken bleibt? Allianz-Risikoanalyst Anastasios Leonburg hält das Risiko aufgrund der guten Organisation der Behörden für gering, aber durchaus vorhanden:
"Es ist ja schon so ähnlich passiert in 2016, wenn wir uns an den Fall der Indian Ocean erinnern, wo sich letztendlich ein Schiff festgefahren hat und dann unter großen Anstrengungen letztendlich wieder freibekommen wurde."
Es dauerte mehrere Tage bis die 400 Meter lange "Indian Ocean" wieder befreit war. Die Elbe blieb allerdings - anders als der Suezkanal - für andere Schiffe befahrbar.
Auch Dagmar Karsten, Abteilungsleiterin bei der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, hält eine Vollsperrung des Flusses deshalb für sehr unwahrscheinlich. Und der Nord-Ostsee-Kanal, sagt sie, sei wenig vergleichbar mit dem Suezkanal:
"Dann haben wir am Nordostseekanal Schleusen, die sorgen dafür, dass der Wasserstand gleichbleibend ist und dass keine Strömung stattfindet, dies ist beim Suezkanal ganz anders. Und vor allen Dingen ist wichtig, der Nordostseekanal ist für kleinere Fahrzeuge vorgesehen, maximale Länge sind 235 Meter. Und das ist ja, naja, ein bisschen länger als halb so lang wie das Fahrzeug Ever Given, das im Suezkanal havariert ist."

"Was im Bundesverkehrsministerium läuft, ist schon sehr schleppend"

Auch das Sicherheitssystem sei in Deutschland ganz anders. Zum Beispiel kommen im Nord-Ostsee-Kanal nicht nur Lotsen an Bord, sondern bei großen Schiffen auch speziell ausgebildete Kanalsteurer, die das Schiff durch den Kanal leiten.
100-prozentige Sicherheit kann es nicht geben, weil Technik ausfallen kann, weil Menschen Fehler machen. Das betont auch die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, zu der Kommunen wie Borkum gehören. Aber sie findet, dass zu wenig passiert ist, um Unfälle wie den der "MSC Zoe" unwahrscheinlicher zu machen. Unterstützung erhält sie von Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies von der SPD:
"Also das, was im Bundesverkehrsministerium läuft, ist schon sehr schleppend. Und da stelle ich schon fest, dass ein Bundesverkehrsminister Scheuer aus Bayern kommt, scheinbar wenig Kenntnis und Interesse an der Küste hat. Das ist wie immer, es gibt schlimme Havarien, schlimme Bilder und plötzlich gibt es Handlungsdruck und kaum sind die Bilder verschwunden, lässt das nach."
Größtes Containerschriff der Welt im Hamburger Hafen - Hyundai Merchant Marine - Frachter HMM Algeciras legt am Container Terminal Burchardkai der HHLA in Hamburg Waltershof an -Passanten beobachten die Ankunft und das Anlegemanöver vom Elbstrand aus -Größtes Containerschriff der Welt im Hamburger Hafen - Hyundai Merchant Marine - Frachter HMM Algeciras legt am Container Terminal Burchardkai der HHLA in Hamburg Waltershof an -Passanten beobachten die Ankunft und das Anlegemanöver vom Elbstrand aus -, Hamburg Hamburg Deutschland Hamburger Hafen *** Largest container ship in the world in the Port of Hamburg Hyundai Merchant Marine Freighter HMM Algeciras docks at HHLAs Container Terminal Burchardkai in Hamburg Waltershof Passers-by wat
Größtes Containerschiff der Welt im Hamburger Hafen, der Frachter HMM Algeciras - wann kommt ein neuer Größenrekord? (imago / Chris Emil Janßen)

Containerschiffstabilität "künftig bei Konstruktion berücksichtigen"

Diesen Vorwurf weist der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, zurück. Seit Jahren setze sich Deutschland bei der Seeschifffahrtsorganisation IMO für neue Sicherheitsvorgaben ein. Bei dem Sonderorgan der Vereinten Nationen verhandeln 174 Nationalstaaten sämtliche Sicherheits- und Umweltstandards der globalen Schifffahrt. Ferlemann sagt, im Herbst habe die IMO beschlossen, dass die hohe Stabilität von Großcontainerschiffen künftig bei der Konstruktion berücksichtigt werden soll. Außerdem prüfe Deutschland neue Regeln für die Befestigung von Containern, so der Christdemokrat:
"Das ist auch global ein großes Problem, weil immer wieder Containerverluste zu vergegenwärtigen sind. Und deswegen stellt sich die Frage: Reichen die Lascheinrichtungen und -materialien aus, die da zur Anwendung kommen? Da sind wir der Auffassung: eher nein. Wir müssen zu Veränderungen kommen und das lassen wir gerade sehr intensiv untersuchen."
Deutschland und die Niederlande erstellen dazu gerade eine Studie. Drittens will Deutschland bei der IMO erwirken, dass digitale Neigungsmesser verpflichtend werden. Sie warnen den Kapitän vor einer gefährlichen Schieflage des Schiffes.

Es gibt keine Größenbegrenzungen bei Seeschiffen

Seit dem Unfall der "Zoe" wird Kapitänen zudem empfohlen, bei Sturm im tieferen Wasser zu fahren. Dort können große Schiffe nicht so schnell auf Grund laufen wie in Küstennähe. Eine verpflichtende Vorgabe, wie sie Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies fordert, könne Deutschland nicht allein umsetzen, da die Verkehrstrennungsgebiete in der Nordsee international geregelt sind. Auswertungen zeigten aber, dass Kapitäne der Empfehlung selbst bei gutem Wetter fast ausnahmslos folgen, heißt es im Ministerium. Neben den Lücken im Regelwerk gibt es auch grundsätzlichere Kritik. Zum Beispiel von Uwe Schmidt, der Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestags ist:
"Sie haben, gerade bei Seeschiffen keine Größenbegrenzungen. Jeder andere Verkehrsträger ist reglementiert, jeder Lkw, von der Länge her, Schienenfahrzeuge, Luftverkehrsfahrzeuge sind alle irgendwie reglementiert und auch streng kontrolliert. Das haben sie in der Seeschifffahrt leider nicht."
Selbstfahrende Schiffe - Ohne Crew auf dem Meer
Selbstfahrende Autos sind keine Zukunftsvision mehr, sondern teils schon Realität. Selbstfahrende Schiffe sind hingegen seltener. Doch immer mehr Unternehmen arbeiten zur Zeit an der Entwicklung autonomer Schiffe.

EU-Arbeits-und Sozialstandards werden umgangen

Viele Schiffe fahren unter der Flagge von Steueroasen, so würden europäische Arbeits-und Sozialstandards umgangen, kritisiert Schmidt. Kleine, günstige Crews verstärkten die Risiken in immer denkbaren Notlagen. Auch der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann sagt, mit bis zu 24.000 Containern sei eine Größenordnung erreicht, die man sich vor zehn Jahren nicht habe vorstellen können:
"Wir Deutschen sind seit Längerem der Meinung, dass das Größenwachstum eine Grenze haben muss. Alleine deshalb, weil wir ja die seewärtige Zufahrt unserer Häfen sicherstellen müssen. Wenn die Schiffe immer größer und größer werden, müssen wir die Gewässer anpassen, wir greifen immer weiter in die Natur ein, zu sehr hohen Kosten.
Der Verband Deutscher Reeder hält eine Begrenzung der Schiffe nicht für notwendig, sagt Sprecher Christian Denso:
"Der Markt wird das regeln, ob es solche großen Containerschiffe geben wird oder ob sie möglicherweise noch größer werden. Die Werften sagen uns, das ist technisch machbar - und verantwortbar wäre."

Kommt ein nächster Größenrekord?

Eine Größen- oder Ladebegrenzung ließe sich ohnehin nur international regeln, ist das Verkehrsministerium überzeugt. Der SPD-Abgeordnete Schmidt findet, eine europäische Lösung sollte in Betracht gezogen werden. Reedereien könnten einzelne, aber nicht alle europäischen Häfen boykottieren. Solange es keine Begrenzung gibt, bleibt die Frage: Kommt ein nächster Größenrekord? Wird das nächste Schiff 430 Meter lang, wie Experten meinen? Professor Carlos Jahn von der TU Hamburg schätzt, dass das Wachstum seinen Zenit erreicht hat:
"Meine Einschätzung ist, dass die Schiffe natürlich noch moderner werden. Ich glaube, das Größenwachstum wird sich verlangsamen. Sie werden vielleicht noch etwas größer werden, aber dann werden die Aufwendungen, um die Häfen noch weiter anzupassen, zu groß. Sodass die Schiffe von jetzt an gesehen nicht mehr so viel größer werden."
Sechs Wochen nach dem Unfall im Suezkanal hat Ägypten übrigens seine Antwort auf die Havarie der "Ever Given" verkündet: Ein Abschnitt des Kanals soll um 40 Meter verbreitert und zwei Meter vertieft werden.
* Hinweis aus der Redaktion: Wir haben die Bildunterschrift korrigiert.